Mit der WAZ spielerisch zur CO2-Mangelwirtschaft und danach zur märchenhaften Erlösung

6./7. 11. 2022 | Die größte Regionalzeitung Deutschlands bringt ihren Lesern mit einem Klimaschuld-Spiel bei, dass sie allein schon durch ihre Existenz den Planeten überlasten. Eine Daseinsberechtigung für die Menschen können allerdings erneuerbare Energien zurückbringen, jedenfalls wenn man die Energie und die Ressourcen, die bei deren Erzeugung verbraucht werden, nicht mitrechnet.

Kürzlich hatte ich über einen vom Weltwirtschaftsforum veröffentlichten Vorschlag berichtet, den Menschen CO2-Budgets zuzuteilen und deren Einhaltung zu überwachen, sowie darüber, dass immer mehr Banken über Finanzdaten den CO2-Fußabdruck ihrer Kunden live tracken. Und auch dass überall in Europa Pilotprojekte von Öko-Sozialpunktesystemen aus dem Boden schießen.

Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) bringt solche Ideen nun an eine breite Leserschaft. Unter der Überschrift „Was passt noch in mein CO2-Budget“ dürfen die Leser zum Beispiel feststellen, dass man, wenn man in einer 40qm-Altbauwohnung mit Gasbrennwertheizung wohnt, bei normalem Heizen sein Jahresbudget an CO2 schon mit Heizen aufbraucht.

Screenshot von WAZ: „Was passt noch in mein CO2-Budget“

Daraus muss man wohl schließen, dass man allein schon durch sein Dasein, jedenfalls in kalten nördlichen Breiten, große Klimaschuld auf sich lädt. Man bekommt auch demonstriert, dass man unter derzeitigen Bedingungen keine Chance hat, mit einem auch nur annähernd vergleichbaren Lebenswandel wie derzeit sein zur Begrenzung der Erderwärmung (bisher nur rechnerisch zugeteiltes) Klimabudget einzuhalten.

Wundersame Erlösung von der Schuld

Doch die WAZ hat ein Wundermittel, das alles gut macht, wenn man es nur lässt:

„Große Mengen CO2 sparen heißt nicht unbedingt verzichten, sondern vor allem an gesellschaftlichen Stellschrauben drehen. Die Energiewende spielt dabei eine zentrale Rolle. Erneuerbare Energien können die Klimabelastung durch das Wohnen auf einen Bruchteil beschränken und energieintensive Produkte sowie die Nutzung elektrischer Geräte deutlich klimafreundlicher machen.“

Das geht; allerdings nur, wenn man so tut, als käme aus erneuerbaren Quellen erzeugter Strom ohne CO2-Emissionen aus, was ganz und gar nicht stimmt. Es kommt zwar inzwischen deutlich mehr Energie heraus als hineingesteckt wird, aber es handelt sich nicht um ein hohes Vielfaches. Der Ressourcenverbrauch ist zum Teil enorm. Das ZDF berichtete am 04.11.2022:

„Was wenig betrachtet wird – vor allem in der staatlichen offiziellen Politik – ist, dass auch eine erneuerbare Stromproduktion einen enormen Rohstoffbedarf hat. Ein Windkraftturm produziert zwar saubere Energie. Aber das Material, aus dem er besteht, wurde mit Umweltzerstörung bezahlt. Zement, Sand, Stahl, Zink, Aluminium und seltene Erden werden in riesigen Mengen verbaut. Dazu tonnenweise Kupfer für Generator, Getriebe und Kabelstränge. Allein für die rund 60 Tonnen Kupfer einer großen Offshore-Turbine müssen Bergleute in anderen Teilen der Welt bis zu 50.000 Tonnen Gestein bewegen. Das Erz kommt aus Chile, Peru oder Indonesien. Das Ergebnis dort ist Naturzerstörung im Dienst des Ökostroms. Geröll muss geschreddert, zermahlen, gewässert und gelaugt werden.

Nicht anders bei der Solarenergie. Ein Quadratkilometer Solarkraftwerk braucht elf Tonnen Silber. Und in einem Elektrofahrzeug wird ungefähr so viel Lithium verbaut wie in 10.000 Smartphones. Dazu kommen sechsmal mehr kritische Rohstoffe als in einem herkömmlichen Fahrzeug. Ein neues Elektroauto besteht aus bis zu 800 kg Aluminium. Im westafrikanischen Guinea werden als Beispiel dafür Dörfer umgesiedelt oder die Einwohner einfach vertrieben, um hier Bauxit zur Aluminiumgewinnung abzubauen. Die Bergbaufirmen hinterlassen eine Mondlandschaft mit verseuchtem Grundwasser, wo einst Landwirtschaft betrieben wurde. Gefördert mit Kreditgarantien aus Deutschland für unsere saubere Zukunft.

Politikwissenschaftlerin Dietz spricht von grüner Ausbeutung. ‚Wenn wir Ausbeutung verstehen als die übermäßige Nutzung von Rohstoffen und Arbeit zum Zweck der Transformation von Energiesystemen und zum Zweck der Profitmaximierung – denn das machen ja Konzerne -, dann beobachten wir hier eine neue Form von Ausbeutung, die legitimiert wird, weil wir sie für die Energiewende brauchen.'“

Anmerkung (11.11.): Der Kupferbedarf von Windrädern scheint in dem ZDF-Beitrag deutlich zu hoch angesetzt zu sein. Siehe hier und Leserbrief.

Eine 2021 veröffentlichte, sehr detaillierte Studie des Geological Service of Finland – Circular Economy Solutions (Lösungen für die Kreislaufwirtschaft)  kam zu dem Schluss:

„Zusammenfassend lässt dieser Bericht den Schluss zu, dass es nicht möglich sein wird, das bestehende mit fossilen Brennstoffen (Öl, Gas und Kohle) betriebene System durch erneuerbare Technologien wie Sonnenkollektoren oder Windturbinen für die gesamte Weltbevölkerung zu ersetzen. Es gibt einfach nicht genug Zeit und Ressourcen, um dies bis zu dem von den einflussreichsten Nationen der Welt gesetzten Ziel zu erreichen. Erforderlich ist daher eine deutliche Reduzierung der gesellschaftlichen Nachfrage nach allen Ressourcen, gleich welcher Art. Dies setzt einen ganz anderen Gesellschaftsvertrag und ein radikal anderes Regierungssystem (system of governance) als das heutige voraus. Dies führt unweigerlich zu der Schlussfolgerung, dass die bestehenden Sektoren der erneuerbaren Energien und die EV-Technologiesysteme lediglich Zwischenstationen und nicht die endgültige Lösung darstellen. Es wird empfohlen, sich darüber Gedanken zu machen, wie dieses andere System aussehen könnte.“

Das sind keine Klimaskeptiker sondern ein staatliches Forschungsinstitut in Sachen Kreislaufwirtschaft.

Und es geht nur, wenn man außerdem davon ausgeht, dass die Energie der Erneuerbaren immer dann zur Verfügung steht, wenn im Winter in Deutschland die Wohnungen von 80 Millionen Menschen geheizt werden sollen, die Autos oder öffentlichen Verkehrsmittel von 80 Millionen Menschen mit Strom betrieben werden sollen, die Straßen und die öffentlichen Gebäude beleuchtet, die Wäsche gewaschen und das Essen gekocht werden soll.

Weil das fraglich ist, gibt es derzeit die Diskussion über mögliche Blackouts und bereiten sich Polizei und viele andere Behörden auf diesen Eventualfall vor. Gibt man „Blackout“ in eine Suchmaschine ein, quillt die Ergebnisliste über von Meldungen, wer sich alles wie vorbereitet. Selbst Kindergartenkinder dürfen schon das Leben ohne Strom proben.

„Keine Märchen mehr“ Transparent von KoalaKollektiv vor Schloss Neuschwanstein, aus Anlass des Klimagipfels in Ägypten

Fazit

Es wäre schön, wenn es einen besseren Plan gäbe, als das, was uns WAZ, Weltwirtschaftsforum und Regierende als Plan verkaufen wollen – eine überwachungsintensive Zentralverwaltungsmangelwirtschaft bis das Wolkenkuckucksheim der Erneuerbaren fertiggebaut ist. Macht endlich Schluss mit der Augenwischerei und sinnlosen Angstmache und Schuldeinflüsterei. Rechnet das Militär mit ein, den größten Umweltverschmutzer, und schrumpft es massiv. Schließt die Privatjets und Yachten in den CO2-Handel ein und begrenzt deren Menge und erlaubte Größe radikal. Wenn keine Mega-Luxusyachten mehr Mittelmeerhäfen anlaufen dürfen und die Oligarchen aller Weltgegenden nicht mehr mit Privatjets zu Klimagipfeln und überall sonsthin düsen, sind wir bereit darüber zu reden, wie warm unsere Wohnungen noch sein dürfen und bei welchen Wetterlagen wir unsere Wäsche waschen können. Vorher nicht. Tut nicht so, als wäre CO2 ein sinnvolles Maß für alle Umweltprobleme. Macht Euch endlich ehrlich, wo ihr mit uns hinwollt. Dann können wir ja darüber reden, ob wir mit dorthin wollen oder nicht.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 7.11. an verschiedenen Stellen ergänzt und die Überschrift geändert, ohne die Aussage zu verändern.

Leserbrief zu Kupfer in Windrädern

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