GLS testet Taler als Blaupause für den digitalen Euro und das „Finternet“

2. 05. 2024 | Die GLS-Bank und Partner arbeiten mit Geld der EU an einem datenschutzfreundlichen Zahlungssystem namens Taler. Es sieht alles danach aus, als diente das dazu, unauffällig auszuprobieren, wie Systembestandteile des künftigen digitalen Euro in der Praxis funktionieren. Erklärte Absicht ist, mit digitalem Geld auf programmierbaren Plattformen alle privaten und öffentlichen Güter, alles was kreucht und fleucht, der finanzkapitalistischen Verwertung zu unterwerfen,

Die GLS-Bank verkündet auf Ihrer Netzseite:

„Mit Taler definieren wir die Zukunft des Bezahlens neu. Wir, das sind elf Projektpartner, die gemeinsam ein neuartiges elektronisches Zahlverfahren entwickeln. Taler ermöglicht sichere und zugleich anonyme Transaktionen zwischen Käufer*innen und Händler*innen, ohne auf ein Konto angewiesen zu sein. Mit E-Geld-Token, browserbasiert oder per App werden wir zukünftig innovatives digitales Bezahlen anbieten.“

Das Projekt startete nach diesen Angaben Anfang 2023 und bekam im Juli 2023 eine Förderung von 5,3 Mio. Euro von der EU-Kommission.

Ich bin allerdings nicht im mindestens bereit zu glauben, dass ausgerechnet die EU-Kommission, die sehr entschlossen und mit allen Tricks daran arbeitet, jede Form von finanzieller Privatsphäre auszumerzen, ein Interesse daran hat, anonymes Bezahlen zu fördern. Es gibt ziemlich deutliche Hinweise, was stattdessen tatsächlich hinter dieser EU-Förderung steht.

Vorarbeiten für den digitalen Euro

Der Taler basiert auf dem in der Schweiz entwickelten GNU-Taler. GNU (GNU’s Not Unix) ist ein freies Betriebssystem mit offenem Code. Durch eine fortschrittliche Verschlüsselungstechnik soll der GNU-Taler möglich machen, Zahlungen zu autorisieren, ohne dass der Zahler seine Identität preisgeben muss.

Das Vorstandsmitglied der Schweizer Nationalbank (SNB), Thomas Moser, GNU-Entwickler Christian Grothoff (Berner Fachhochschule) und der Vater von DigiCash, David Chaum, haben gemeinsam als Arbeitspapier der SNB einen Vorschlag veröffentlicht. Dieses beschreibt, wie man digitales Zentralbankgeld auf Basis von GNU-Taler so ausgestalten kann, dass es die Privatsphäre schützt und gleichzeitig Geldwäsche und Steuerhinterziehung nicht erleichtert. Der Aufsatz heißt: How to Issue a Central Bank Digital Currency

Ich hatte 2021 für einen entsprechenden Beitrag Christian Grothoff gefragt, wie er dazu steht, dass die EU-Kommission gar nicht willens zu sein scheint, mehr Privatsphäre beim Bezahlen zu akzeptieren. Ich verwies darauf, dass sie das Bezahlen mit anonymen Prepaid-Kreditkarten im Internet allenfalls noch für lächerlich niedrige Beträge erlaube.

Grothoff räumte ein, er sei in dieser Hinsicht ähnlich skeptisch wie ich, hoffe aber, dass die verbesserte Kontrolle der Geldempfänger mit dem GNU-Taler die Bereitschaft befördere, etwas mehr Anonymität beim Bezahlen zuzulassen. Ein Clou beim GNU-Taler ist nämlich, dass die empfangenden Händler angemeldet sein müssen und die Gesamtsumme ihrer Einnahmen registriert wird.

Den Verdacht, dass digitales Zentralbankgeld dazu dienen soll, Bargeld besser beseitigen zu können, habe ich schon mehrmals geäußert und mit Indizien unterfüttert. Was man zum Taler bzw. GNU-Taler zu lesen bekommt, verstärkt diesen Verdacht.

In dem Aufsatz über den GNU-Taler als Basis für digitales Zentralbankgeld heißt es prominent, dass es nicht darum gehe, mit Bankguthaben zu konkurrieren, sondern dass der GNU-Taler das Bargeld „nachbilden“, also ersetzen soll, allerdings mit dem Vorzug für die Finanzämter, dass kommerzielle Empfänger ihre Taler-Einnahmen nicht verstecken können. Im übersetzten Original:

„Wenn eine Zentralbank beschließt, eine CBDC für Privatkunden herauszugeben, schlagen wir eine Token-basierte CBDC vor, die den Transaktionsschutz mit der Einhaltung von KYC und AML/CFT kombiniert. Ein solches CBDC würde nicht mit Geschäftsbankeinlagen konkurrieren, sondern vielmehr physisches Bargeld nachbilden und damit die Risiken für die Finanzstabilität und die Geldpolitik begrenzen.“

CBDC steht für digtales Zentralbankgeld, KYC für Know Your Customer (Kundenidentifikation) und AML/CFT für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung.

In die gleiche Richtung weist ein Beitrag im Bioladen-Magazin Schrot und Korn, dessen Klientel sich mit der GLS-Bank stark überschneidet. Man darf davon ausgehen, dass die GLS-Bank nicht nur einen Experten gestellt hat, sondern auch eine Anregung gegeben hat, den Artikel zu schreiben (Heft 4/2024). Der Titel ist „Bargeld Ade“, der „Untertitel: „Wie das Smartphone unsere Geldbörse überflüssig macht. Und wie grüne Banken unsere Daten schützen.“

Dabei geht es darum, wie einfach und zukunftsträchtig zahlen mit dem Smartphone ist, wobei der Pferdefuß erwähnt wird, dass dabei unsere Finanzdaten an die Zahlungsdienstleister und von dort zum Teil weiter an Dritte gehen. Um diesen Pferdefuß kümmere sich nun die GLS-Bank mit dem Taler-Projekt. Womit nur noch Kinder, Alte und Blinde der völligen Abschaffung des Bargelds im Wege stünden. Die Skandinavier hätten das Problem der Kinder mit aufladbaren Guthabenkarten gelöst, erfahren wir. Für die Blinden sollten elektronische Hilfsmittel kein Problem sein, etwa Sprachprogramme, und die digitalresistenten Alten werden eh immer weniger.

In der Ankündigung des Projekts auf der Projekt-Netzseite vom 17.1.2024 steht abweichend von der Darstellung der GLS-Bank, dass es erst im Dezember 2023 gestartet sei und 36 Monate laufe, also bis Dezember 2026. Dort lernt man außerdem, dass Taler so ziemlich alle Eigenschaften hat, die die Europäische Zentralbank für den digitalen Euro braucht bzw. versprochen hat:

„Ziel ist es, Taler als Zahlungssystem über zwei europäische Banken – GLS Bank (Deutschland) und MagNet Bank (Ungarn) – verfügbar zu machen. Die Ambition von Taler ist es, den europäischen Markt während der Projektlaufzeit zu erreichen und den Zahlungsmechanismus bis zum Ende des Projekts akzeptiert und weit verbreitet zu haben. Unter der Haube setzt Taler modernste Kryptographie ein, um diese Eigenschaften zu erreichen. Die Anfangsinvestitionen in die erforderliche Infrastruktur sind gering, und der Zahlungsmechanismus arbeitet kosteneffizienter als bestehende Zahlungslösungen mit geringeren Transaktionsgebühren – ein Vorteil, der Verbrauchern und Händlern zugute kommen wird. Dadurch werden sogar Kleinstzahlungen möglich, was für Zeitungen und andere Verlage eine interessante und datenschutzfreundliche Alternative zu abonnement- oder werbebasierten Einnahmen darstellt.“

Theoretisch wäre es keine ganz schlechte Sache, wenn Bargeld durch ein Zahlungsmittel ersetzt würde, dass die gleiche Anonymität beim Bezahlen bietet aber das anonyme Empfangen von Geld für Steuerpflichtige erschweren würde. Aber eben nur rein theoretisch, unter der mehr als gewagten Annahme, dass diejenigen an den Schalthebeln das auch (dauerhaft) wollen.

EU-Kommission und Europäische Zentralbank haben aber schon mehr als deutlich gemacht, dass sie nur anonymes Bezahlen von Kleinbeträgen erlauben wollen. Diese Beträge könnten und würden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiter abgesenkt werden, nachdem das Bargeld erst einmal weit genug zurückgedrängt ist. Diese Salamitaktik wird zur Bargeldverdrängung schon seit 20 Jahren verfolgt. Der Internationale Währungsfonds hat sie in einem Arbeitspapier sogar ausdrücklich als Strategie empfohlen, um die Bargeldbeseitigung gegen widerstrebende Bürger durchzusetzen.

Expansion der IT- und Finanzbranchen

Das Arbeitspapier der schweizerischen Notenbank zum GNU-Taler preist noch eine Eigenschaft an, die den Konstrukteuren digitaler Währungen wichtig ist: er ermöglicht automatisierte Zahlungen, insbesondere auch Mikrozahlungen:

„Aufgrund der Effizienz und Kosteneffizienz (…) dürfte dieses System das erste sein, das das seit langem angestrebte Ziel von Online-Mikrozahlungen unterstützt. Darüber hinaus würde die Verwendung von Münzen zur kryptografischen Unterzeichnung elektronischer Verträge die Verwendung intelligenter Verträge ermöglichen. Auch dies könnte zur Entstehung völlig neuer Anwendungen für Zahlungssysteme führen.“

Das ist das, vorauf IT-Branche und Finanzbranche so scharf sind. Mit dem Internet of Things, dem Internet of Bodies und dem Internet of Alles-was-man-irgendwie-mit-einem-Preis-versehen-kann können sie gemeinsam ihren Wirkungs- und Profitraum dramatisch ausdehnen. Sie werden zuständig dafür, jede kleine Handlung und jede wirtschaftliche Interaktion detailliert zu bepreisen und zu steuern.

In diesem Lichte sollte man auch die klimapolitische Manie betrachten, alles was einen Stoffwechsel hat oder verbrannt werden kann, in Einheiten CO2 auszudrücken. Zusammen mit einem CO2-Handelsregime und Regulierungen, die sich auf immer mehr Bereiche des Lebens und Seins erstrecken, verlangt das danach, alles Tun von Mensch, Tier, Pflanzen und Boden in CO2-Äquivalente zu übersetzen und dadurch handelbar zu machen.

Um das umzusetzen, braucht man ein Finanzsystem, das programmierbare Mikrozahlungen in Massen abwickeln kann. Genau das hat der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Augustin Carstens, kürzlich auf einer Konferenz zur Zukunft des Finanzsystems in Washington ausgeführt. In einer gruseligen Rede beschrieb er das für ihn ideale künftige Finanzsystem, das er mithilfe von digitalem Zentralbankgeld und einem findigen IT-Sektor verwirklichen will.

Die BIZ ist eine Art Spitzenorganistaion der Zentralbanken. Bei ihr werden die Arbeiten an der Entwicklung und Einführung von digitalem Zentralbankgeld koordiniert.

Grundlage ist bezeichnender Weise eine Studie mit dem Titel „Finternet: the financial system for the future“, die er zusammen mit Nandan Nilekani geschrieben hat. Nilekani ist ein Internet-Milliardär und treibende Kraft, abgesehen von Bill Gates, hinter der staatlichen biometrisch-digitalen Datenbank aller Inder Aadhaar, einem Horror aller Datenschützer, aber einem Vorbild für Augustin Carstens.

Indien wird Überwachungsstaat und die BIZ empfiehlt das als Vorbild
18. 02. 2020 Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die mächtige Zentralbank der Zentralbanken in Basel, hat ein vom Chef selbst in Auftrag gegebenes Papier veröffentlicht, das in mehr als einer Hinsicht skandalös ist. Es befürwortet die weltweite Übernahme des Ansatzes der indischen Regierung zum Datenaustausch. Mit diesem soll eine Milliarde Menschen ihrer Privatsphäre beraubt werden.

Seine Vision hat Carstens die BIZ auch schon in ihrem letzten Jahresbericht beschreiben lassen, allerdings ohne den Namen Finternet und ohne die Rolle Nilekanis zu erwähnen.

Carstens kleidete das Expansionsziel in Washington in die Worte:

„Wir haben unsere Vision für das zukünftige Finanzsystem als „Finternet“ bezeichnet. (…) Wir stellen uns ein System vor, in dem Privatpersonen und Unternehmen jedes finanzielle Gut, in jeder Höhe, zu jeder Zeit, mit jedem Gerät, an jeden anderen, überall auf der Welt übertragen können. Die Finanztransaktionen wären billig, sicher und nahezu sofort. Und sie wären für jedermann zugänglich.“

Jeder Kleinbauer in Bangladesch, der aufgrund einer Überschwemmung oder wegen der CO2-Abgaben auf die Rülpser seiner Tiere in Not gerät, kann also mit wenigen Klicks sein Land an Goldman Sachs verkaufen, oder an Bill Gates, der es in den USA schon zum größten Eigentümer von Farmland gebracht hat und das vielleicht auch auf globaler Ebene anstrebt. Das ist gemeint, wenn von finanzieller Inklusion die Rede ist. Es geht darum, die vielen Leute ins System zu bringen, die es bisher noch nicht sind.

Die Wall Street arbeitet mit diesem Ziel bereits daran, eine Natural Asset Company als neue Anlageklasse zu schaffen. Das sind Unternehmen, die Land kaufen sollen, um mit monetarisierten „Umweltdiensten“, die dieses Land erbringt, Geld zu verdienen. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass das Unternehmen Geld dafür bekommt, Bodenschätze im Boden zu lassen, oder landwirtschaftliche Grundstücke brach liegen zu lassen, statt rülpsende Kühe darauf weiden zu lassen oder Stickstoffdünger darauf auszubringen.

Die Wall Street greift nach der Kontrolle über unsere gesamte Umwelt
20. 10. 2021, aktualisiert 2. 05. 2024 | Hören | Die Mächtigen der Finanzwelt haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die großen Kapitalsammelstellen wie Blackrock und die Megareichen wie Jeff Bezos und Bill Gates in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Rechte an allen natürlichen Ressourcen aufkaufen, die sich irgendwie zu Geld machen lassen. Das würde ihre Macht auf eine neue Stufe heben.

Möglich machen sollen die Inklusion von allem und jedem in das finanzkapitalistische System miteinander verknüpfte, programmierbare Plattformen, auf denen digitale Repräsentationen von Geld (digitales Zentralbankgeld) und (Nutzungs-)Rechten schnell und effizient getauscht werden können. Es kommt also nicht darauf an, ob das digitale Zentralbankgeld selbst programmierbar sein wird. Für den digitalen Euro haben die Verantwortlichen das verneint. Es kommt nur darauf an, dass es geeignet für diese programmierbaren Plattformen ist. Genau das verspricht der Taler.

Carstens betont, dass es für die Automatisierbarkeit auf die Finalität der Zahlungen ankommt. Diese ist bei Geschäftsbankengeld nicht garantiert. Denn dieses stellt nur einen Anspruch auf Zentralbankgeld dar. Wenn eine Bank illiquide wird, kann dieser Anspruch nicht eingelöst werden. Es ist daher wichtig, dass digitales Zentralbankgeld auf der Plattform zur Verfügung steht, damit die Banken untereinander sofort und automatisiert Zahlungen in Zentralbankgeld verrechnen und so die Finalität der Zahlungen herbeiführen können.

Inzwischen hat jemand dem BIZ-Chef geflüstert, dass es nicht opportun ist, allzu offenherzig zu verkünden, dass man das Bargeld mithilfe des digitalen Zentralbankgelds abschaffen will. Und so hat er diesmal den Satz eingefügt, Bargeld solle erhalten bleiben, für diejenigen, „die es weiter nutzen wollen“.

Zum Ende seiner Rede stellte er – implizit – den Zusammenhang mit dem Talerprojekt her, indem er feststellte:

„Es besteht ein dringender Bedarf an Experimenten, um mehr darüber zu erfahren, wie innovative Technologien wie tokenisierte Vermögenswerte und integrierte Datenbanken (unified ledger) in der realen Welt eingesetzt werden können.“

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