Digitaler Euro: Spannende Online-Diskussion und Vorschlag für eine anonyme Variante

7. 03. 2021 | Am Freitag 12. März ab 18 Uhr diskutieren online EZB-Generaldirektor Ulrich Bindseil, Fabio De Masi, Alfred Eibl von Attac und Joseph Huber von der Monetative über digitales Zentralbankgeld. Außerdem möchte ich auf einen sehr interessanten Vorschlag aus der Schweiz für ein anonym nutzbares digitales Zentralbankgeld hinweisen.

Mit dabei sind außerdem Eibls Ko-Autor in Sachen Bargeld, der ehemalige  Jurist bei der Europäischen Zentralbank (EZB), Johannes Priesemann, und als Moderator Markus Zydra von der Süddeutschen Zeitung.

Buchempfehlung und Leseprobe: Das Geld gehört uns allen

Die Europäische Zentralbank hat kürzlich ihre Analyse und Pläne rund um einen „digitalen Euro“ vorgelegt. Die Monetative e.V. votiert für „Vollgeld“. Attac fordert Euro-Konten. Facebooks DIEM-Projekt zielt auf ein privates Weltgeld. Bitcoin verspricht anonymes Bezahlen und eine sichere, knappe, infinit teilbare Währung. Wie soll das alles funktionieren? Wer soll es regulieren? Wie passt es zusammen? Wem nutzt es? Wie wollen wir Währung und Geld „steuern“?

Die Diskussion dazu ist ohne Anmeldung per Facebook- und Youtube-Livestream zu verfolgen.

„Geld – Welches Geld?“: Informationsseite der Veranstalter

Anonymes digitales Zentralbankgeld

Das Vorstandsmitglied der Schweizer Nationalbank (SNB), Thomas Moser, GNU-Entwickler Christian Grothoff (Berner Fachhochschule) und der Vater von DigiCash, David Chaum, haben gemeinsam als Arbeitspapier der SNB einen Vorschlag veröffentlicht, wie man digitales Zentralbankgeld auf Basis von GNU-Taler so ausgestalten kann, dass es die Privatsphäre schützt und gleichzeitig Geldwäsche und Steuerhinterziehung nicht erleichtert.

Der Aufsatz heißt: How to Issue a Central Bank Digital Currency

Grundprinzip ist, dass man beim Abheben des digitalen Zentralbankgelds registriert wird, dass aber das Bezahlen mit diesem Geld völlig anonym geschieht. Die kommerziellen Empfänger der Zahlungen wiederum werden bei der Einlösung registriert, sodass sie die Summe ihrer Einnahmen nicht verheimlichen können wie bei Bargeld.

Die guten Absichten dieses Teams stehen außer Zweifel. Dennoch fehlt etwas, damit ich ein derartig ausgestaltetes digitales Zentralbankgeld befürworten würde: Vertrauen in die guten Absichten der Zentralbanken. Denn einerseits lassen sich auch mit dieser Variante, wenn das Bargeld einmal beseitigt ist, beliebig weit negative Zinsen durchsetzen. Und zum anderen ist es nicht schwierig, einen digitalen Euro erst einmal so einzuführen, bis man damit erfolgreich das dann nicht mehr benötigte Bargeld beseitigt hat, um dann die Schutzmechanismen für die Privatsphäre zu beseitigen.

ABER: Der Beitrag ist mindestens deshalb sehr wertvoll, weil jede Zentralbank, die ihr digitales Zentralbankgeld von vorne herein mit weniger Rücksicht auf die Privatsphäre ausgestaltet, damit deutlich zeigt, dass sie die Beseitigung der Privatsphäre entweder will oder billigend in Kauf nimmt.

Zu einem Artikel auf heise.de zu diesem Vorschlag hat ein Leser einen klugen Kommentar gepostet:

„Digitales Geld gibt es schon (längst). Nennt sich Prepaid-Karte. Kann an jedem Kiosk mit (von Zentralbanken herausgegebenem) Bargeld gekauft werden. Und kann im Internet anonym ausgegeben werden. Leider hat unsere Politik allerdings die zulässigen Beträge auf so lächerliche Minimalwerte reduziert, und so viele Regulierungen und Prüfpflichten eingeführt, daß man in der PRAXIS kaum etwas Größeres damit bezahlen kann. VPN-Verbindung zur Wahrung der Anonymität wird normalerweise auch blockiert, hier gibt es wohl ebenfalls Logging-Pflichten für die annehmenden Stellen.

Wer vor diesem Hintergrund den Politikern irgendwie glaubt, daß ein digitales Zentralbankgeld andere Ziele als Entrechtung, Enteignung und Massenüberwachung verfolgt, der KANN nicht ganz richtig im Kopf sein.“

Darauf antwortet GNU-Entwickler Christian Grothoff auf meine Anfrage:

  • 1) Die Prepaid Karte ist nicht so anonym wie Taler, da hier verschiedene Einkäufe immer noch miteinander verknüpft werden können;
  • 2) Die Prepaid Karte ist nicht so benutzerfreundlich wie Taler, da der Kunde immer noch die (lange) Kartennummer eintippen muss;
  • 3) Die Prepaid Karte schützt nicht gegen Diebstahl der Nummer durch die Webseite, und es ist leichter dass Restbeträge auf der Karte verloren gehen; der Kunde erhält im Internet keinen Beleg (bei Taler gibt es immer einen digital signierten Beleg)
  • 4) Es ist immer noch eine physische Karte (keine Dematerialisierung)
  • 5) Die Transaktionskosten für Händler werden höher sein.
    6) Die Implementierung basiert weder auf einem offenen Standard noch auf Freier Software.
  • 7) Und, ja, das Problem mit den lächerlichen Maximalwerten ist real, und wir erwarten genau das gleiche Problem bei Taler und wären sehr fuer eine Erhöhung dieser Werte — wobei hier das bessere Sicherheitsniveau was wir bieten helfen könnte (siehe Punkt 3)
  • 8) Ich hoffe wir werden es einfacher machen Taler abzuheben als es ist, einen Kiosk mit dem prepaid-Karten zu finden.
  • 9) In einigen Ländern (wie z.B. Luxemburg) sind die anonymen prepaid Karten illegal — d.h. hier hoffen wir eine legale Alternative zu schaffen.“

Mehr

Wissenschaftliche Details zum Taler gibt es hier in Form einer englischen Dokatorarbeit an der Universität Rennes hier:

The GNU Taler System

Zur Technik des Identity Management dahinter gibt es auch einen wissenschaftlichen Aufsatz von Grothoff u.a.

Decentralized Authentication for Self-Sovereign Identities using Name Systems (DASEIN)

Das Projekt hat auch schon eine Website und einen Feldversuch an der Berner Fachhochschule.

Mein kritischer Beitrag zum digitalen Zentralbankgeld:

Was Sie alles über den digitalen Euro wissen sollten, um sich davor zu fürchten

Stellungnahmen dazu:

Stellungnahme von Fabio De Masi mit meiner Replik

Stellungnahme der Monetative mit meiner Replik

Außerdem:

Positionspapier der Monetative: „Digitales Zentralbankgeld (CBDC) =
Sicheres Geld für alle BürgerInnen“

Danyal Bayaz und Fabio De Masi: „Warum wir den digitalen Euro gerade jetzt dringender denn je brauchen

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