Ulrich Kriese: Die Grundsteuerreform ist wichtig für die Lösung des Wohnungsproblems

22. 01. 2021 | Die Länder dürfen über die Ausgestaltung der neuen Grundsteuer entscheiden. Es gibt Vorbilder wie Baden-Württemberg, die sich für eine Bodenwertsteuer entschieden haben, und Negativbeispiele wie Bayern, wo die Grundsteuer auf eine reine Flächensteuer umgestellt werden soll. Andere Länder müssen noch entscheiden.

Das Steuerrecht ist in Deutschland eigentlich Sache des Bundes, nicht der Länder. Um von diesem Prinzip abzuweichen, bedurfte es der Kompromisslosigkeit Bayerns. Dem Freistaat ist es zu verdanken, dass im Zuge der Neuregelung der Grundsteuer auf Bundesebene Ende 2019 auch das Grundgesetz geändert wurde: Länder, die von der Neuregelung des Bundes nicht überzeugt sind, können die Grundsteuer eigenständig regeln.

Vorbild Baden-Württemberg

Der Landtag von Baden-Württemberg hat als erster Landesgesetzgeber von dieser Option Gebrauch gemacht. Das Land hat die Gelegenheit genutzt, mit der Tradition der Grundsteuer als einer Steuer auf das Grundstück mitsamt aufstehendem Gebäude zu brechen. Die von 2025 an im Land geltende reine Bodenwertsteuer wird sich nicht mehr nach der realisierten Bebauung richten, sondern nach den bekannten, regelmäßig fortgeschriebenen Bodenrichtwerten.

Diese Richtwerte bilden Art und Maß der möglichen Bebauung mit ab. Grundeigentümer müssen den Finanzämtern nicht länger Angaben über Wohn- und Nutzflächen, Sanierungen, Anbauten, Aufstockungen und anderes mehr machen – und die Finanzämter müssen solche Angaben nicht länger erheben, prüfen und bewerten.

Die Bodenwertsteuer ist baulichen Investitionen gegenüber vollkommen neutral, belastet sie also nicht. Stattdessen schöpft sie einen Teil der Bodenrenten ab. So heißen die aus Grundbesitz erzielten leistungslosen Einkommen. Die Bodenwertsteuer besteuert Grundeigentum wertproportional und somit realitäts- und gleichheitsgerecht. Willkommene Nebeneffekte sind ein höheres Marktangebot an bebaubaren Flächen, mehr Investitionen in Gebäude und Wohnungen und eine gedämpfte Entwicklung von Bodenpreisen und Mieten.

Für das Bodenwertmodell eingesetzt hatten sich unter anderem der Deutsche Mieterbund, Umweltverbände, das Institut der deutschen Wirtschaft sowie der baden-württembergische Städtetag und Gemeindetag.

Boden – Wichtig für die Menschen, getilgt aus der ökonomischen Theorie

Privatisierte Bodenwerte und Bodenrenten sind unverdient, weil sie ohne das Zutun der Grundeigentümer zustande kommen. Für ihre Entstehung und ihren Fortbestand maßgeblich sind Leistungen der Allgemeinheit, wie beispielsweise das Gewähren von Baurechten, die Bereitstellung des öffentlichen Nahverkehrs, von Kindergärten, Schulen, Grünanlagen, Bibliotheken und Theatern, die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung – finanziert aus Steuern der Allgemeinheit. Entsprechend viel spricht dafür, die Allgemeinheit an Wertsteigerungen und Bodenrenten vermehrt teilhaben zu lassen, statt sie überwiegend den Grundeigentümern zu überlassen.

Warum eine (hohe) Steuer auf den reinen Bodenwert das Beste wäre

Dass eine Bodenwertsteuer keine Begeisterung unter denjenigen auslöst, die über überdurchschnittlich viel oder besonders wertvollen Grundbesitz verfügen und von dessen künstlicher Verknappung profitieren, ist verständlich. Dass sie deren Interessen nicht nachgegeben haben ist der grün-schwarzen Koalition im Ländle hoch anzurechnen.

Bayern geht in die Gegenrichtung

Bayern dagegen will die Grundsteuer B ab dem Jahr 2025 als reine Flächensteuer erheben, also ohne Wertkomponente, aber mit Besteuerung der Gebäudeflächen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Staatsregierung vorgestellt. Die Höhe der Steuer bestimmt auch in Zukunft die Gemeinde mit ihrem Hebesatz.

Neu verteilt werden soll die Steuerlast zwischen den Grundstückseigentümern: Der Quadratmeter Gebäudefläche soll im Freistaat künftig mit 50 Cent und der Quadratmeter Grundstücksfläche mit vier Cent bewertet werden. Die Lage soll keine Rolle mehr spielen. Die vier Cent sollen sich für Großgrundbesitz, etwa ein weitläufiges Villengrundstück, sogar auf zwei Cent pro Quadratmeter reduzieren.

Auf einen Rabatt freuen dürfen sich auch Spekulanten und andere Eigentümer, die ein über 10.000 Quadratmeter großes, bebaubares Grundstück unbebaut lassen. Wer hingegen baut und beispielsweise neuen Wohnraum schafft, zahlt deutlich mehr. Damit konterkariert Bayern Investitionen zur Linderung der Wohnungsnot und zur Dämpfung hoher Bodenpreise und Mieten.

Die bayerische Staatsregierung begründet ihre Steuer mit dem Äquivalenzprinzip und begibt sich damit auf sehr dünnes Eis. Das Prinzip besagt nämlich, dass für Kosten, die einer Gemeinde für eine bestimmte Leistung entstehen, die davon begünstigte Person oder Gruppe eine Gebühr oder einen Beitrag bezahlt.

Steuern kommen erst da ins Spiel, wo das Äquivalenzprinzip versagt, beispielsweise zur Finanzierung öffentlicher Güter. Eine Steuer als Ausfluss einer wilden Äquivalenzzahlen-Akrobatik, wie Bayern sie vollführt, ist schlicht unzulässig. Zusammenhänge etwa zwischen Grundstücksgrößen oder Baudichten und Kosten der öffentlichen Infrastruktur sind bekannt und wurden auch in zahlreichen Studien quantifiziert. Aber sie sind natürlich differenzierter als es die schlichten bayerischen Zähleinheiten suggerieren.

Bayern dürfte unter anderem der Nachweis darüber schwerfallen, weshalb Städten und Landgemeinden einheitlich 12,5-mal höhere Kosten aus Gebäuden entstehen sollen als aus den Grundstücken, auf denen die Gebäude erstellt wurden oder werden könnten, noch dazu unabhängig von Lage und Nutzungsart. Die Gewichtung verwundert schon insofern, als viele öffentliche Kosten Vorhaltekosten sind, also unabhängig von der Bebauung anfallen.

Die Flächensteuer lässt sich mit einer Einkommensteuer in Form einer Kopfsteuer vergleichen. Beide verkehren das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ins Gegenteil. Ihr Aufkommenspotenzial wird faktisch begrenzt durch den am wenigsten leistungsfähigen Steuerschuldner. Damit stellt die Flächensteuer auch noch die gemeindliche Ertragshoheit infrage.

Ganz anders die Bodenwertsteuer, sie besteuert die Grundstücke nach objektiver Leistungsfähigkeit und somit gleichheitsgerecht und sichert die Ertragshoheit der Gemeinden.

Mehr noch als über dem Grundsteuermodell des Bundes hängt über der Flächensteuer und darauf aufbauenden Modellen das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit. Länder, die die Grundsteuer fair und rechtssicher reformieren wollen, sollten sich für die Bodenwertsteuer entscheiden.

Der Umfaller der FDP

Wie wohl keine andere Partei bekennt sich die FDP zum Leistungsprinzip und zu einem schlanken Staat. Jeder soll Aufstieg durch eigene Leistung erlangen können. Was die Menschen sich selbst erarbeiten, soll ihnen der Staat nicht streitig machen.

Privat geschaffene Werte sollen möglichst unbesteuert bleiben. Um zu erfahren, welche Art Steuern der Staat nach Ansicht der Liberalen am besten erheben sollte, lohnt ein Blick ins Parteiarchiv.

Im Jahr 1971 verabschiedete die FDP ihre bekannten Freiburger Thesen. Darin heißt es:

„Das Angebot (an Boden) ist besonders knapp, weil es sich heute steuerlich lohnt, Kapital in Grundstücken anzulegen. Das Ergebnis sind ständige und erhebliche Preissteigerungen bei Grundstücken. Die Wertsteigerungen beruhen aber vorwiegend auf der gesellschaftlichen Entwicklung oder entstehen sogar direkt durch Maßnahmen der öffentlichen Hand. Die Gesellschaft ist daher berechtigt, mindestens einen Teil des Wertzuwachses zur Finanzierung des Gemeinbedarfs in Anspruch zu nehmen.“

Analyse und Schlussfolgerung sind heute so aktuell wie vor 50 Jahren. Entsprechend sprach sich der Bundesvorstand der FDP im November 2016 für eine Bodenwertsteuer aus, „zur stärkeren Vereinfachung und Zielgenauigkeit“ und um „die Grundsteuer an die wirtschaftlichen Realitäten anzupassen“.

Bald darauf stellte die FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft einen Antrag mit derselben Stoßrichtung. Auch der Landesparteitag Mecklenburg-Vorpommern sprach sich noch im Jahr 2019 mit großer Mehrheit für die Bodenwertsteuer aus. Doch kurz darauf kam es zu einer überraschenden 180-Grad-Wende: Der Bundesparteitag 2019 forderte statt einer Bodenwertsteuer eine reine Flächensteuer.

Eine solche Art Grundsteuer wünscht sich ein lautstarker, auf den eigenen Vorteil bedachter Teil der Immobilienwirtschaft. Das ist verständlich, denn eigennützige Immobilieninvestoren gedeihen prächtig an der Privatisierung von Werten, die sie nicht selbst geschaffen haben. Traumrenditen lassen sich so leicht erzielen. Eine Flächensteuer optimiert dieses Geschäftsmodell. Alarmieren muss die Bodenrentenkönige eine Bodenwertsteuer, die Gebäude, also privat geschaffene Werte unbesteuert lässt und vieles vereinfacht.

Hat sich die FDP vor einen fremden Karren spannen lassen? Liberale in anderen Staaten waren bei der Einführung einer Bodenwertsteuer treibende Kraft, so etwa in Dänemark, Estland und Neuseeland. In Baden-Württemberg übernahmen diese Rolle die Grünen, hier steht die Bodenwertsteuer inzwischen im Gesetzblatt.

Sowohl in Nordrhein-Westfalen, wo die Immobilien- und Wohnungswirtschaft für die Bodenwertsteuer aufgeschlossen ist, als auch in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein regiert und entscheidet die FDP mit. Es ist zu hoffen, dass sie sich dort von ihren eigenen Überzeugungen leiten lässt.

*Ulrich Kriese ist Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des Naturschutzbundes und Mitbegründer der Reforminitiative Grundsteuer: Zeitgemäß!.

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