Warum eine (hohe) Steuer auf den reinen Bodenwert das Beste wäre

20. 5. 2019 | Es gab Zeiten, da gehörte es zum Grundkanon der Einführung in die Volkswirtschaftslehre, den Studenten beizubringen, was Grundrente ist. Die Zeiten sind längst vorbei, und das rächt sich nun – auch in Form einer Debatte über die Vergesellschaftung von Wohnungseigentum und einer wenig sachgerechten Reformdiskussion in Sachen Grundsteuer.

Wenn Finanzminister Olaf Scholz tatsächlich – wie jüngst in Aussicht gestellt – bei der Grundsteuerreform den renitenten Bayern per Öffnungsklausel erlauben sollte, ein wertunabhängiges, rein flächenbezogenes Modell umzusetzen, dann wäre das das Gegenteil des steuersystematisch Sinnvollen. Es wäre gut für die reichen Südländer mit den hohen Bodenwerten: Sie könnten das Geld den eigenen Bürgern lassen, statt es als Steuer einzutreiben und über den Finanzausgleich an andere Länder abzugeben. Aber es ist gerade der Bodenwert, der sinnvollerweise Bemessungsgrundlage der Steuer sein sollte.

Besteuerung leistungsloser Einkommen

Das Besondere an Fläche ist nämlich, dass sie einfach da ist. Abgesehen von Sonderfällen kann und muss sie nicht erst produziert und kann nicht vermehrt werden. Das Gros der Bodenwerte in Deutschland besteht aus Lagerente. Ein Haus oder eine Wohnung in attraktiver Lage in einer Großstadt ist vor allem wegen des hohen Grundstückspreises so teuer. Der Besitzer kann die Attraktivität der Großstadt, für die er nichts tun muss, in Form hoher Mieten für sich reklamieren.

Die begriffliche Gemeinsamkeit von Bodenrente und Altersrente besteht darin, dass der Begriff Rente in der Ökonomie leistungsloses Einkommen bezeichnet. Die Kehrseite ist, dass man Bodenrenten fast beliebig hoch besteuern kann, ohne die sonst bei Steuern üblichen Anreizeffektschäden zu verursachen. Der Boden ist immer noch da und wird bestmöglich genutzt. Nur der Kaufwert sinkt, wenn die Steuer steigt. Denn mögliche Käufer ziehen die Steuer, die sie als Besitzer werden entrichten müssen, vom Preisgebot ab. Ja, die Nutzung wird sogar verbessert, wenn sich die Steuer nach den erzielbaren Erträgen richtet, nicht nach den tatsächlichen. Denn dann lohnt es sich bei hoher Steuer nicht mehr, Flächen aus spekulativen Gründen ungenutzt zu lassen. Das ist der Hauptgrund, warum das von den Arbeitgebern getragene Institut der deutschen Wirtschaft für eine Bodenwertsteuer eintritt.

Aus diesen Gründen kann eine Steuer auf den Grundstückswert – nicht auf die Gebäude darauf – gar nicht hoch genug sein, wenn dafür in gleichem Umfang eine andere, anreizschädlichere Steuer gesenkt wird. Aufkommensneutralität sollte also langfristig kein Ziel sein und nicht versprochen werden.

Überwälzung auf Mieter verhindern

Natürlich sollte der Übergang graduell sein, um Grundstückseigentümer nicht zu enteignen, die ihr Grundstück teuer kaufen mussten. Auch sollte gesetzlich verhindert werden, dass Grundsteuererhöhungen als Nebenkosten auf Bestandsmieter umgelegt werden. Bei Neuvermietungen ist Abwälzung der Grundsteuer auf die Mieter ohnehin nicht effektiv möglich. Denn die Gesamtmiete, die potenzielle Mieter maximal zu zahlen bereit sind, ist unabhängig von der Höhe der Grundsteuer.

In den Bodenwert fließen nicht nur die Infrastrukturinvestitionen des Staates ein, sondern auch die vielfältigen steuerlichen und sonstigen Subventionen für Wohneigentum, wie zuletzt das Wohnkindergeld. Langfristig wird dadurch nur der Kaufpreis für bestehende Grundstücke nach oben getrieben, denn die Begünstigten überbieten dank der Subvention andere Interessenten.

Auch die Steuerfreiheit der ersparten Miete im eigenen Haus zählt zu den Subventionen, die Grundstückspreise nach oben treiben. Wer im Alter sein zu groß gewordenes Haus vermietet, muss auf die Mieteinnahmen Einkommensteuer zahlen und kann sich deshalb von der Nettomiete vielleicht kaum eine kleinere Alternativwohnung leisten. Also bleibt er. Dadurch wird der Verknappung von Wohnraum Vorschub geleistet.Es ist also nicht nur die Grundsteuer, die mit Blick auf die Besonderheiten des nicht vermehrbaren Faktors Boden reformiert gehört.

Besteuerung der Vermögenden

Es gibt noch ein Argument für eine hohe Bodenwertsteuer: Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind stark bei den Vermögenden konzentriert. Sie sind es, die besonders von der Explosion der Grundstückspreise, Mieten und Pachten in den letzten 15 Jahren profitierten, ohne etwas dafür getan zu haben.

Die heftige Diskussion um die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften zeigt, wie problematisch die Umverteilung von den Mietern nach oben für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Eine Korrektur durch eine höhere Grundsteuer ist daher wünschenswert. Um dabei berechtigten Ärger kleiner Hausbesitzer zu vermeiden, sind großzügige Übergangsfristen für selbst genutztes Wohneigentum angemessen und sinnvoll. So lässt sich verhindern, dass Omas kleines Häuschen zum schlagenden Argument gegen ein faireres und effizienteres Steuersystem wird.

Dass die Schlupflöcher namens Share-Deals, über die Großinvestoren ihre Immobilien grunderwerbssteuerfrei kaufen endlich gestopft gehören, versteht sich in diesem Zusammenhang von selbst.

Klarstellendes Resümee

Es geht hier nicht um ein Plädoyer für höhere Steuern, sondern um eine Veränderung der Struktur in Richtung größere Fairness und geringere Anreizverzerrungen. Das Geld, das man durch höhere Grundsteuern von den Grundstücksbesitzern einnähme, könnte dazu verwendet werden, die Umsatzsteuer zu senken oder – noch besser – den Gemeinden zu ermöglichen, mit Bodenvorratspolitik die Preise und Mieten für Wohnungen zu senken.

Offenlegung: Ich bin Grundbesitzer und würde insofern von den geforderten Übergangsregeln profitieren.

 

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