Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat heute die Forderungen an die Regierung veröffentlicht, die die deutschen Verbraucherschützer zusammen mit dem Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz, dem Verkehrsclub ACE, dem Fahrgastverband Pro Bahn, dem Bundesjugendring, Digitalcourage und einigen weiteren Vereinen und Verbänden veröffentlicht haben. Die Verbraucherschützer bemängeln:
„Die Deutsche Bahn AG (DB) und andere Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personenverkehrs fordern beim Verkauf von Tickets und anderen Produkten wie der BahnCard zunehmend Kundenkontaktdaten wie E-Mail-Adresse oder Mobilfunknummer ein. Einige Fahrkarten und Produkte werden nur noch digital und gar nicht mehr oder nur stark eingeschränkt an Automaten oder Schaltern verkauft. Insbesondere die preisreduzierten und deshalb für Verbraucher:innen mit kleinem Geldbeutel attraktiven Tickets werden an die Herausgabe von Daten geknüpft.“
Damit würden Verbraucher ausgeschlossen, vor allem ältere Menschen, die seltener das Internet nutzen, aber auch Personen, die aus finanziellen, sozialen, gesundheitlichen, behinderungsbedingten oder persönlichen Gründen keinen digitalen Zugang haben oder diesen nicht nutzen möchten.
Die Verbraucherschützer berichten, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Deutschland etwa fünf Prozent der Menschen im Alter zwischen 16 und 74 Jahren offline sind. Mit zunehmendem Alter steige die Zahl derjenigen, die weder das Internet nutzen noch ein Smartphone besitzen. Sie gaben auch eine repräsentative Umfrage in Auftrag, unter anderem mit folgendem Ergebnis:
„Digitalisierung ohne Alternative widerspricht den Wünschen der Verbraucher:innen: So stimmen 96 Prozent der Teilnehmenden einer repräsentativen Befragung im Auftrag des vzbv im Sommer 2024 der Aussage voll und ganz oder eher zu, dass auch Menschen ohne Internetzugang oder Smartphone Zugang zu allen Angeboten im öffentlichen Personenverkehr haben müssen.“
Der erste Protestbrief einer Allianz von Interessenvertretern der Alten, Behinderten, Verbraucher und Arbeitnehmer von Mai richtete sich unter dem Titel „Bahnfahren ohne Digitalzwang“ noch an den Vorstandsvorsitzenden der Bahn. Erfreulicherweise ist die Lernkurve der Verbände, die lange geschlafen haben, recht steil. Der aktuelle Protest richtet sich an die Politik, auch wenn er sehr schonend die Verantwortung der Regierenden für die zwangsweise Digitalisierung des Ticketkaufs im öffentlichen Nah- und Fernverkehr beschreibt:
„Die Politik darf nicht länger untätig zuschauen, sondern muss handeln, wenn der Bahnvorstand einen Teil der (potenziellen) Fahrgäste dauerhaft vor die Tür setzen will. Der vzbv und die mitzeichnenden Verbände fordern, unverzüglich dafür zu sorgen, dass Tickets bei der Deutschen Bahn auch ohne Herausgabe von personenbezogenen Daten erhältlich sein müssen.“
Das untertreibt deutlich die Verantwortung der Regierung, denn die Zwangsdigitalisierung wird von dieser nicht untätig hingenommen, sondern aktiv betrieben, vor allem vom anti-liberalen Minister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing. Dieser nutzt nicht nur seinen Einfluss auf die Bahn für seine Digitalzwang-Agenda, sondern er subventioniert auch Projekte im öffentlichen Nahverkehr, bei denen die Möglichkeit der Barzahlung abgeschafft wird. Auf Wunsch Wissings dürfen Verkehrsunternehmen das 49-Euro-Ticket nicht mehr in Papierform ausgeben. Die Chipkarte als einzige verbleibende Alternative zum vorherrschenden Vertrieb des Deutschlandticket via App bieten nur manche Betriebe und Verbünde an. Wer also kein hinreichend modernes Smartphone besitzt, kommt dank Wissings Hang zum Smartphone-Zwang nur noch schwer an das günstige Deutschlandticket.
Vor kurzem hat ein aus 20 Verbänden, Gewerkschaften, Parteigliederungen und anderen Vereinen bestehendes Bündnis Bahn für Alle eine Petition gegen dieses Treiben verfasst, die sie Wissing auf der Verkehrsministerkonferenz am 9. und 10. Oktober übergeben will, zusammen mit den gesammelten Unterschriften. Auf der Netzseite des Bündnisses kann man die Petition unterschreiben und möge das bitte, wenn man das Ziel teilt, auch tun.
Verkehrsminister und Bahn geben sich hartleibig und lassen die wiederholten Proteste der vielen Verbände bisher an sich abprallen. Die Bahn rechtfertigt den Zwang zur Angabe einer Mailadresse oder Mobilfunknummer beim Ticketkauf im Reisezentrum mit der dummdreisten Ausrede, das brauche man für den Service, die Käufer auf Fahrplanänderungen hinzuweisen. Eine Rechtfertigung dafür, dass der QR-Code auf Papier für das Deutschlandticket und Semestertickets für Studenten nicht mehr als Fahrschein anerkannt wird, wird nicht einmal versucht. Das einzige Zugeständnis, dass man die BahnCard doch weiter ersatzweise auf Papier ausdrucken kann, stammt von März, bevor die Verbände öffentlich aktiv wurden. Mutmaßlich spielten die Berichte, mit denen ich die geplante rein-digitale BahnCard skandalisierte eine Rolle. Man wird sehen müssen, ob der FDP ihr Desaster bei den Landtagswahlen und ihre miserablen Umfragewerte genug Warnung sind, um ihren freiheitsfeindlichen Minister an die Kandare zu nehmen, oder ob wir warten müssen, bis sie in einem Jahr aus dem Bundestag und der Regierung fliegt, bis die Zwangsdigitalisierung des Verkehrs aufhört.