Transgender-Gesetz: Tagesschau-Bericht stellt eigene kulturkämpfende Faktenchecker bloß

28. 04. 2023 | Tagesschau.de berichtet über den Entwurf eines entschärften „Selbstbestimmungsgesetzes“ von Justiz- und Familienministerium, mit dem unter anderem die Rechte von transgeschlechtlichen Personen gestärkt werden sollen. Am Ende wird auf einen ARD-Faktenfinderbeitrag verlinkt, der indirekt große Teile der Vorschriften dieses Gesetzentwurfs als rechtsradikal, transfeindlich, diskriminierend und auf falschen Behauptungen gründend abqualifiziert. Doch der Hauptbelastungszeuge hat das Lager gewechselt.

Wenn das Kabinett, Bundestag und Bundesrat zustimmen, gilt künftig, dass man das eigene Geschlecht und den eigenen Vornamen selbst festlegen und ohne das bisherige gerichtliche Verfahren ändern kann. Das berichtete Tagesschau.de unter Verweis auf Berichte anderer Medien.

Dabei soll allerdings sichergestellt werden, dass Männer sich nicht durch strategische Wahl des Geschlechts Zugang zu geschützten Räumen für Frauen verschaffen können, etwa Frauengefängnisse, Frauenhäuser oder Frauensaunen, oder dass Frauen sich in solchen Räumen durch Transfrauen gefährdet oder belästigt fühlen, die äußerlich wie Männer erscheinen. Deshalb sollen Betreiber solcher Einrichtungen ausdrücklich berechtigt sein, über den Zugang nach äußerem Erscheinungsbild zu entscheiden, also Transfrauen mit Vollbart oder Penis keinen Zutritt zu gewähren.

Die Autoren des Gesetzentwurfs waren sogar so vorausschauend festzulegen, dass im Falle eines allgemeinen Kriegsdienstes nur für Männer, die Geschlechtsumwandlung zur Frau auf dem Papier nicht genügt, um dem Dienst an der Front zu entgehen.

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, wird via dpa mit der Aussage zitiert, man sei einen entscheidenden Schritt weiter und er habe die Hoffnung, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett auf den Weg gebracht wird. „Damit ergreift erstmals eine Bundesregierung aktiv die Initiative, das diskriminierende Transsexuellengesetz nach über 40 Jahren zu ersetzen“, lobte er. Lehmann wird uns gleich nochmals begegnen.

Auftritt der Faktenfinder

Während also nach aktueller Ansicht des obersten Kämpfers für die Interessen der Queeren, Lehmann, mit dem Gesetzentwurf alles zum Schutz von deren Interessen auf gutem Wege ist, sahen die ARD-Faktenfinder, auf die unvorsichtigerweise am Ende des Tagesschau-Beitrags verlinkt wird, das noch im Januar ganz, ganz anders.

Anlass für deren Beitrag mit dem Titel „Gezielte Falschbehauptungen: Transfeindlichkeit als Kulturkampf“, war eine Einräumung von Bundesjustizminister Marco Buschmann: „Wir haben wahrgenommen, dass es Sorgen gibt, die sich auf die Rechtsfolgen des Geschlechtswechsels beziehen.“ Der Faktenfinder schrieb:

„Der FDP-Politiker führt als Beispiel auf, dass sich Besucherinnen einer Frauensauna durch die Anwesenheit einer trans Frau in ihrer Privatsphäre gestört fühlen könnten. „Die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an.“ Die Betreiber dürften in dem Fall nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. Das müsse sauber geregelt werden.“

Was für die meisten Menschen ganz vernünftig klingen dürfte, empfanden die ARD-Faktenfinderin Carla Reveland und der ehemalige Faktenfinder Patrick Gensing, der für die weltanschaulich wichtigen Themen offenbar immer noch gebraucht wird, als einen Skandal. Sie nahmen das zum Anlass für eine als Faktencheck deklarierte Zusammenstellung von kritischen Äußerungen aus der queeren Community.

Das damalige Ich des Queer-Beauftragten Lehmann kritisierte, dass durch das Aufnehmen solcher Sorgen verunsicherter Frauen das geplante Gesetz neue Diskriminierungen schaffen würde, statt bestehende abzubauen. Noch kritischer ein SPD-Provinzpolitiker:

„Der Vorsitzende der SPDqueer Oberfranken Sebastian Kropp kritisierte den FDP-Politiker auf Twitter scharf und wundert sich, wie die „TERF-Erzählung von der Frauensauna eigentlich bei Marco Buschmann verfangen“ konnte.“

Für alle, die, entgegen der Annahme der ARD-Faktenfinder, nicht so sehr mit den neuesten angelsächsisch-abkürzungsfiebrigen Sprachschöpfungen der Szene vertraut sind, dass eine Erklärung unnötig ist: Die Abkürzung TERF steht für Trans-Exclusionary Radical Feminism. Der Kampfbegriff soll sagen, dass jemand, der sich dagegen wendet, dass Personen mit Penis und ohne Gebärmutter in vollem Umfang Zugang zu Rechten und Räumen für Frauen bekommen, eine radikale, transfrauenhassende und -diskriminierende Feministenperson ist.

Erst ganz weit unten im Text erklären die Faktenfinder den Begriff TERF dann doch noch, dort wo sie einen Experten für Rechtsextremismus beklagen lassen, dass „selbsternannte Feministinnen“ argumentativ „gemeinsame Sache mit Rechtextremen“ machen, indem sie behaupten, der Kampf für die Rechte von Transfrauen könne zu Lasten von „Frauen“ gehen.

Dass der zitierte Experte dabei eine Sprache pflegt, die nach den Maßstäbe dieser Szene exkludierend und damit transfeindlich ist, übersehen die sonst so wachsamen Fakten- und Diskriminierungsfinder. Miro Dittrich darf von „Frauen“ sprechen und dabei erkennbar Transfrauen nicht mitmeinen. Der Rechtsextremismus-Experte braucht offenbar in Sachen transrechtesensiblem Sprachgebrauch noch etwas Nachhilfe. Eine Formulierung wie „…zu Lasten von Menschen mit Gebärmutter“, würde diskriminierungsfrei das Gemeinte ausdrücken. Biologische Frauen soll man glaube ich nicht sagen, weil es so etwas nicht geben darf.

Der Faktenfinder-Beitrag will klarstellen, dass das Vorbringen vorgeblicher – aber in Wahrheit nicht existenter oder nicht legitimer Sorgen – von Frauen mit traditionellen weiblichen Geschlechtsmerkmalen, Teil des Kulturkampfs einer queerfeindlichen rechten Szene ist, die böswillig Transfrauen als potentielle Täter verunglimpft, wo sie doch fast ausschließlich Opfer seien.

Dass Frauen, wenn sie diese Sorgen tatsächlich haben, diese Haltung als frauenfeindlich empfinden, kann ich gut nachvollziehen.

Faktenfinder bloßgestellt

Was die Faktenfinder in ihrem Eifer, zu den Besten der Guten zu gehören, nicht sehen wollen oder können: Es geht nicht darum, echte Transfrauen zu diskriminieren, wenn man biologischen Frauen die Möglichkeit lässt, Menschen mit ausgeprägten männlichen Geschlechtsmerkmalen aus ihren Schutzräumen fernzuhalten.

Vielmehr geht es vor allem darum, Frauen zu versichern, dass biologische Männer – vor allem solche, die nur vorgeben, Transfrauen zu sein – sich nicht mit dem Gesetz im Rücken beliebig Zutritt zu Schutzräumen von biologischen Frauen verschaffen können, ohne dass diese etwas dagegen tun können. Dass es bereits Fälle von Frauen gab, die im Gefängnis von „Transfrauen“ geschwängert wurden, ist ja nun einmal ein Fakt.

Die Klärung, dass solche strategischen Geschlechtsumwandlungen rein auf dem Papier nicht durch das geplante Gesetz abgesegnet werden, hilft echten Transfrauen meiner Einschätzung nach durch Beruhigung der Gemüter im Großen und Ganzen, auch wenn es manchen in Einzelfällen auch schaden kann.

Diese Abwägung teilweise widerstreitender Interessen kann sicherlich so oder so vorgenommen werden, insbesondere von den Betroffenen selbst. Aber, dass die vorgeblichen Faktenfinder diese Abwägung von vorneherein als rechtsradikal und transfeindlich verunglimpft haben, war ein Armutszeugnis ihrer Voreingenommenheit, das der nun vorgelegte Gesetzentwurf und der Sinneswandel ihres Kronzeugen Lehmann als solches offenbart hat.

Änderungshinweis (30.4.): Ich habe die Beurteilung „ziemlich vernünftig“ des Gesetzentwurfs gestrichen, weil mich eine kritische Besprechung von Alice Schwarzer in Emma recht weitgehend überzeugt hat. 

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