Focus blamiert sich mit Bericht über die Entgleisung des KVBW gegen nicht Geimpfte

16. 11. 2021 | Update 17. 11. | Am Morgen des 16.11. berichtete Focus Online sehr freundlich über einen hetzerischen Brief der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) an die Vertragsärzteschaft vom 11.11. – erkennbar auf Basis meines kritischen Berichts vom 14.11. Der KVBW wird Gelegenheit gegeben, einen besonders extremen Vorschlag zu relativieren und eine Überarbeitung anzukündigen. Peinlich daran: Die KVBW hat bei Erscheinen längst eine Rolle rückwärts hingelegt.

Focus-Autor Matthias Hochstätter zitiert in seinem Bericht „Nur zehn Minuten für „Non-3G – „Getrennte Sprechstunden für Geimpfte und Ungeimpfte: Kassenärzte machen heiklen Vorschlag“ die Passage aus dem Brief der KVBW, die für eine Art Behörde besonders unangemessen formuliert war. Dort hieß es, dass Impfverweigerer frech und gesellschaftlich inakzeptabel seien. Er nennt das „wortgewaltig ein Lanze brechen für die Kollegen an der Verhandlungsfront.“ Es hält ihn nicht davon ab, einen freundlichen Bericht zu schreiben, den er mit teilweise aus dem Brief der KVBW übernommenen schönen Sätzen einleitet:

„Die vierte Corona-Welle donnert über Deutschland. Immer mehr Menschen infizieren sich in der kalten Jahreszeit mit dem Virus – vor allem Ungeimpfte. Besonders gefährdet sind daher vulnerable Menschen – etwa Schwangere und Immunsupprimierte.“

Dem KVBW-Sprecher gibt er Gelegenheit, den überaus dreisten Vorschlag an die Vertragsärzteschaft zu relativieren, die Sprechstunde für nicht Geimpfte und für diejenigen, die Ihren Impfstatus nicht offenlegen und nachweisen wollen, auf 10 Minuten am Tag zu begrenzen.

Dann stellt er zusammen, was er über andere Bundesländer herausgefunden hat, wo die Praxis-Ärzte auch „die Zügel anziehen.“ Was für eine schöne bildhafte Sprache: Patienten als eine Herde Maultiere oder Ponys, bei denen man die Zügel anzieht. Auch in anderen Bundesländern würden die KVen getrennte Sprechstunden empfehlen oder zumindest für zulässig halten. Genannt werden Berlin und Bayern.

Peinlich für den Journalisten mit großem Herz für Hetzer und Ausgrenzer in der Ärztefunktionärsschaft: Hätte er nicht nur meinen ersten Artikel vom 14.11. gelesen, sondern auch die Fortsetzung vom 15.11., so hätte er mitbekommen, dass die vom KVBW-Sprecher angekündigte „Überarbeitung der Empfehlung“ schon stattgefunden hat, und zwar als komplette Rolle rückwärts.

Statt der angekündigten, etwas weniger restriktiven Sprechstundenempfehlung steht dort jetzt nur noch ganz dürr und mit gefettetem „nicht“, dass Vertragsärzte und -psychotherapheuten die 3G-Regel nicht anwenden dürfen. Von einer 2G-Regel ist gar nicht mehr die Rede, von einer Trennung der Sprechstunden auch nicht. Offenbar gab es Druck von den Krankenkassen oder von anderer Stelle.

So ziemlich alles, was in dem Focus-Bericht steht, ist also irreführend. Er hätte es schon auf Basis meines ersten Berichts wissen können, hatte ich doch eine ganze Reihe Gesetze und Regeln aufgeführt, denen der Vorschlag der beiden sich ereifernden KVBW-Vorstände widersprechen dürfte.

Update 17.11.

Der Focus-Bericht wurde zwar bis 11:19 Uhr am 16.11. mehrmals mit einem neuen Zeitstempel versehen, aber nicht entscheidend korrigiert oder aktualisiert. Konnte man es bis gestern Vormittag als irrtümliche Irreführung der Öffentlichkeit buchen, sieht es nun sehr nach Absicht aus.

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