EZB kann nicht sagen, wer ihre Troika-Beteiligung beschlossen hat

20. 01. 2014 | Nach den Ausflüchten zu urteilen, mit denen die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, sich um eine klare Antwort auf eine klare Frage des EU-Parlaments zu drücken, hat sie sich ohne formellen Beschluss ihres Entscheidungsgremiums an der umstrittenen Troika beteiligt (Fragebogen des Parlaments mit EZB-Antworten hier). Andernfalls fiele es schwer zu verstehen, warum sie die präzise Frage der Parlamentarier: „Wer hat für Ihre Institution über eine Beteiligung entschieden?“ nicht einfach mit der Nennung eines Datums und eines Beschlusses beantwortet.

Doch die Notenbank reagierte mit lavierenden Bemerkungen. Die EZB sei vorher kontaktiert worden, und das Direktorium habe seine Bereitschaft signalisiert, heißt es.

Die Arbeit der Troika ist sehr umstritten. Sie besteht aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds. Sie verhandelt mit Regierungen Programme zur Sanierung des Staatshaushalts und zur Umstrukturierung der Wirtschaft als Bedingungen für Hilfsprogramme und überwacht deren Einhaltung. Einerseits wird der Troika vorgeworfen, mit ihren Sparauflagen die Krise verschärft, statt entschärft zu haben. Andererseits bewegt sich die EZB mit ihrem Engagement weit weg von ihrem eigentlichen Mandat, der Sicherung von Preisstabilität. Alle drei an der Troika beteiligten Organisationen sind nicht direkt vom Volk gewählt und können kaum für Misserfolge ihrer Politik verantwortlich gemacht werden. Deshalb arbeiten die EU-Abgeordneten an einem Bericht zur Arbeit der Troika. Sie haben dafür der EZB und weiteren EU-Organen kritische Fragen zugeschickt. Um die klare Beantwortung dieser Fragen drückt sich die EZB.

Zuständig gewesen wäre nicht das Direktorium, sondern der EZB-Rat. Nach Artikel 12 der Satzung der EZB ist der EZB-Rat für Entscheidungen über die Beteiligung an Internationalen Organisationen ebenso zuständig wie für beratende Tätigkeiten der EZB gegenüber anderen EU-Organen. Im EZB-Rat sitzen neben den sechs Mitgliedern des Direktoriums alle Präsidenten der nationalen Zentralbanken des Euro-Raums.

Die EZB betonte auf Anfrage des Handelsblatts, ihre Vertreter in den Troika-Missionen hätten von Anfang an das volle Mandat der EZB-Entscheidungsgremien genossen. Als die Frage einer Mission zu einem Mitgliedstaat erstmals aufkam, habe der EZB-Rat die Rolle der EZB „diskutiert“. Auf die Rückfrage, ob das bedeute, dass der EZB-Rat einen Beschluss gemäß Geschäftsordnung gefasst habe, verwies der Sprecher darauf, dass der EZB-Rat am 2. Mai 2010, einem Sonntag, in einer Telefonkonferenz die Beteiligung der EZB einstimmig beschlossen habe. Dazu habe die EZB eine Pressemitteilung herausgegeben, die vom EZB-Rat genehmigt worden sei. In dieser Pressemitteilung begrüßt die EZB ein Anpassungsprogramm, das die griechische Regierung an diesem Tag beschlossen habe, und zwar nach erfolgreichem Abschluss von Verhandlungen der Regierung mit der Kommission in Kooperation („in liaison“) mit der EZB. Das sei, so der Sprecher, Beweis, dass der EZB-Rat die Beteiligung der EZB an dem, was heute Troika heißt, gebilligt habe.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie der EZB-Rat am 2. Mai 2010 eine Beteiligung der EZB an den Verhandlungen mit der griechischen Regierung beschließen konnte, die an diesem Tag schon abgeschlossen wurden. Zumindest in der Pressemitteilung wird ausdrücklich nur das Programm der Regierung begrüßt. Die Beteiligung der EZB am Zustandekommen des Programms wird in der Pressemitteilung lediglich erwähnt. Schaut man sich die Zeit der Troika-Einführung im Spiegel der Presse an, sieht man, warum die EZB sich so bedeckt hält.

Die Troika wurde heimlich eingeführt, die Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt. Am 25. März 2010 beschlossen die EU-Regierungschefs in enger Konsultation mit dem EZB-Chef Jean-Claude Trichet, Euro-Ländern bei Bedarf zusammen mit dem IWF mit Hilfskrediten beizuspringen. Voraussetzung sollte sein, dass EU-Kommission und EZB den Ausschluss des Landes vom Finanzmarkt feststellen. Davon, ob der EZB-Rat, der nach Artikel 12 der EZB-Statuten, für solche Kooperationen zuständig ist, einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, ist nichts bekannt. Davon, dass die EZB nicht nur den Notfall feststellen, sondern auch ein Wirtschaftsprogramm als Bedingung für Hilfen aushandeln und überwachen sollte, war nie die Rede, auch nicht als am 11. April die Regierungschefs zusammen mit dem IWF und der EZB das Rettungseventualprogramm für Griechenland konkretisierten und mit konkreten Beträgen unterlegten. Bis zum 13. April 2010 war immer nur von wirtschaftspolitischen Auflagen des IWF die Rede.

Nur in einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 13.04.2010 deuten nicht genannte Brüsseler Quellen an, dass man in Sachen Durchsetzung von Auflagen eine „enge Kooperation der beiden Seiten“, also IWF und Europäer, anstrebe. Trotz dieser sehr diffusen Ankündigung wusste der griechische Finanzminister tags darauf genau, wer für diese Bedingungen zuständig sein würde. In einem Brief an die EU-Spitze bat er um „Beratung“ durch IWF, EU-Kommission und EZB für ein Reformprogramm. Das wurde seinerzeit korrekt als Vorbereitung eines Hilfsantrags Griechenlands interpretiert.

Am 2. Mai wurde das erste Hilfsprogramm der EU-Länder für Griechenland beschlossen. Die EZB gab dazu eine Pressemitteilung heraus, in der sie erstmals von ihrer Rolle bei der Aushandlung der wirtschaftspolitischen Bedingungen für die Hilfen sprach und sich dabei als beratender Juniorpartner der Kommission darstellte. Tags darauf verkündete die EZB, dass griechische Anleihen auch mit Ramschstatus noch als gute Sicherheiten für Notenbankgeschäfte gelten würden. Offenkundig hatte sie mit der griechischen Regierung nicht nur Bedingungen für Finanzhilfen der anderen Regierungen und des IWF verinbart, sondern auch für eigene Unterstützungsleistungen. Alles in allem: eine sehr, sehr enge Verquickung von Notenbank und staatlicher Finanzpolitik. Und das anscheinend ohne dass das zuständige Entscheidungsgremium der Notenbank je einen Beschluss gefasst hat, genau so zu verfahren. Man scheute wohl Selbstfestlegung und Transparenz, damit EZB-Chef Jean-Claude Trichet und sein Direktorium flexibel mit der Politik mauscheln konnten. Es sieht so aus, als hätten die Notenbanker, die aus ihrem Widerwillen gegen die Rolle des IWF in Europa keinen Hehl machten, sich in die Troika gedrängt, um ein Gegengewicht gegen den IWF zu bilden. Der EU-Kommission traute sie wohl diese Rolle allein nicht zu. Das sonst so hoch gehaltene Prinzip der politischen Unabhängigkeit der Notenbank opferten sie dafür.

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