Fernsehprofessor Harald Lesch und Uni München täuschen Schüler und Lehrer mit einem „Klimakoffer“

22. 05. 2024 | Die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) stellt Lehrkräften einen „Klimakoffer“ zu Verfügung, mit dem verschiedene Schulexperimente durchgeführt werden können, um Schülern „die Dramatik des Klimawandels“ plastisch zu demonstrieren. Wissenschaftler haben ein Experiment aus dem Koffer überprüft und es als pseudowissenschaftliche Täuschung bewertet. Die Beteiligten um Fernsehprofessor Lesch wollen sich partout nicht inhaltlich dazu äußern.

Report 24 berichtet von einer Untersuchung der österreichisch-deutschen Wissenschaftlergruppe Independent Climate Research (ICR), die zu dem Ergebnis kam, dass das Experiment A5 (Wärmeabsorption) aus dem Klimakoffer der Uni München (319€) grob fehlerhaft sei und die Rolle von CO2 bei der Erderwärmung nicht zeige, die es vorgebe zu zeigen.

Die LMU stellt eine „Wissenschaftliche Erläuterung“ des Experiments zur Wärmeabsorption durch CO2 zur Verfügung. Autoren sind

  • Dr. Cecilia Scorza (Astrophysikerin und Koordinatorin für Öffentlichkeitsarbeit der Fakultät für Physik der LMU),
  • Moritz Strähle (Abgeordneter Physiklehrer an der Fakultät für Physik der LMU),
  • Prof. Dr. Bernhard Mayer (Professor für Atmosphärenphysik, Fakultät für Physik der LMU) und
  • Prof. Dr. Harald Lesch (Professor für Astrophysik, Universitäts-Sternwarte, Fakultät für Physik der LMU).

Professor Lesch ist auch im ZDF als Wissenschaftserklärer und Faktenchecker aktiv. Er hat das Wärmeabsorptions-Experiment“ in der ZDF-Serie „Ein Fall für Lesch & Steffens – Die Wahrheit über die Lüge“ vom 18.10.2020 in etwas anderer Form gezeigt. Größter Unterschied war, dass er eine Metallröhre verwendete, statt der Pappröhre im Klimakoffer.

Die ICR-Wissenschaftler führen eine Vielzahl von Mängeln der Versuchsanordnung auf, die dazu führen, dass eine Erhitzung stattfindet, die dann fälschlich der (grundsätzlich unbestrittenen) Wärmeabsorptionsfähigkeit von C02 bei Bestrahlung durch Infrarotlicht zugeschrieben wird. Bei einer korrekten Versuchsanordnung lasse sich der Absorptionseffekt nicht zeigen.

Der gröbste Fehler ist laut ICR, dass das Fleischthermometer, das zur Messung der Temperatur innerhalb der gasgefüllten Röhre benutzt wird, nicht gegenüber der wärmenden Infrarotlampe abgeschirmt ist. Das ist, wie wenn man die Außentemperatur mit einem Thermometer misst, auf das die Sonne scheint. Auch die Erwärmung der Umgebung um die Röhre durch die Lampe werde nicht berücksichtigt, und es werde kein Kontrollexperiment mit einem Gas wie Argon gemacht, das Infrarotstrahlung nicht reflektiert. Bei der früheren Fernsehversion des Experiments mit der Metallröhre kommt noch hinzu, dass sich die Röhre erwärmt und dadurch das Ergebnis verfälscht.

Mit einem nach Ansicht von ICR korrekten Versuchsaufbau gebe es keine nennenswerte zusätzliche Erwärmung von CO2 im Vergleich zu Argon.

Kunstvolle Ausweichmanöver

An die Kontaktadresse von Dr. Scorza, die als Ansprechpartnerin angegeben ist, schickte ich am 29. April eine Bitte um Stellungnahme zur Kritik an dem Klimakoffer, vergeblich. Telefonisch war sie in mehreren Versuchen nicht zu erreichen. Ein Versuch, sie über die Pressestelle der LMU zu erreichen, bestätigte aber immerhin, dass sie ihre Stelle an der LMU noch innehat. Man versprach zu versuchen, sie für mich zu kontaktieren. Ich hörte auch von der Pressestelle danach nichts mehr.

Vermeintlich mehr Erfolg hatte ich bei Professor Harald Lesch, der seit August 2020 mit Dr. Scorza verheiratet ist. Er antwortete umgehend auf meine Anfrage vom 10. Mai:

„Das hatten wir alles schon einmal (und zwar als wir das Experiment im ZDF Terra X vorgeführt haben, ist schon ein paar Jahre her), der Koffer und seine Experimente sind deshalb mehrfach überprüft worden und zwar insbesondere das Experiment mit dem einströmenden CO2 und der anschließenden gemessenen Erwärmung und zwar im Rahmen einer Arbeit bei Prof. Dr. Bernhard Mayer am Institut für Meteorologie der LMU – Fazit: die Vorwürfe sind haltlos und falsch.“

Geprüft hat also ein LMU-Kollege von Lesch, mit dem zusammen Lesch dann den Klimakoffer mit eben diesem Experiment herausgab. Wobei, wie erwähnt, die Metallröhre, deren Verwendung wohl doch ein Problem war, durch eine Pappröhre ersetzt wurde.

Lesch weiter:

„Im Übrigen muss ich mich doch immer wieder sehr wundern und zwar darüber, dass ein Effekt, der bereits 1856 entdeckt worden ist, immer noch bezweifelt wird.“

Allerdings ist es nicht der Effekt, der bezweifelt wird. Vielmehr wird hinterfragt, wie stark er ist, und ob er sich mit dem geprüften Experiment zeigen lässt. Das Peinliche aber ist: Am Ende des von Professor Lesch verlinkten Artikels erfahren wir, dass das Experiment, mit dem die Hauptperson des Artikels 1856 meinte, die Wärmeabsorption von CO2 bewiesen zu haben, fehlerhaft war und das gar nicht zeigen konnte.

Ich bat Professor Lesch, mir einen Link zu dem Papier von Professor Mayer mit dem Nachweis zu senden, dass das Experiment in Ordnung war. Er versprach, Professor Mayer zu bitten, mir das Papier zu schicken.

Doch nun tauchte seine Ehefrau, die Kommunikationskoordinatorin Dr. Scorza, die den Mailwechsel erhalten hatte, aus der Versenkung auf und intervenierte: Report 24 sei eine politisch rechte Nachrichten-Website von umstrittener Seriosität. Aus diesem Grund ziehe das Team es vor, „die Auseinandersetzung mit solchen Gruppen zu ignorieren und sich stattdessen auf die Klimaschutzarbeit zu konzentrieren“.

Ich wandte ein, dass Report 24 nur ein (von mir verlinkter) Berichterstatter über die Kritik sei. Die Kritik selbst kann man auch direkt in einem dort eingebetteten und auf Youtube verfügbaren Video des ICR vom 22. März verfolgen. Ich schrieb auch, dass ich enttäuscht wäre, wenn Dr. Scorzas Antwort bedeuten würde, dass ich den von Professor Lesch versprochenen Aufsatz mit den Prüfergebnissen nun doch nicht bekommen soll. Alles in höflichem Ton. Die Antwort fiel gleichzeitig unverblümt und grob fehlerhaft aus:

„Was Sie als Laie vielleicht nicht wissen, ist, wie oft unser Experiment von unabhängigen Gruppen von Wissenschaftlern getestet wurde, darunter von der DPG und vier Didaktikgruppen aus anderen Universitäten. Denn so funktioniert Wissenschaft: Jedes Experiment muss reproduzierbar und in seinem Zusammenhang verständlich sein.

Wir benötigen keine externe Online-Plattformen oder fremde Blogs, um Stellung zum Report 24 zu beziehen. Wir beabsichtigen sowieso – sobald wir die Zeit inmitten des Semesters dafür finden – die Gruppe der Wissenschaftler, die Report 24 zitiert, direkt zu kontaktieren und mit ihnen – unter Fachleuten – die angeblichen Unstimmigkeiten direkt zu klären. U.a. hat diese Gruppe das Experiment mit einer Metalldose durchgeführt, wir machen es mit einer Pappdose, mit reduzierter Wärmeleitung. Wir haben eine Antwort auf jeden Ihrer (ihrer?; N.H.) Kommentare und Kritikpunkte. In Zeiten von Fake News sollten wir als Wissenschaftler solche Debatten zuerst intern unter uns führen. Unsere Kommentare und Erklärungen zum CO2-Wärmeabsorptions-Experiment des Klimakoffers werden wir anschließend direkt auf unserer Website veröffentlichen, für jeden zugänglich.“Hintergründe, wissenschaftliche Details und Modellkriti

Die Behauptung, dass ICR das Experiment (nur) mit einer Metalldose durchgeführt habe ist falsch. Vielmehr haben sie das Experiment sowohl mit Metalldose als auch mit Pappdose durchgeführt und damit gezeigt, dass die Metallvariante, die Professor Lesch im Fernsehen gezeigt hatte, untauglich war. Danach führten Sie die Untersuchung nur noch mit der Pappröhre durch.

Wir lernen also: Laien und Medienvertreter sollen sich gefälligst nicht einmischen, wenn Wissenschaftler streiten. Sie sollen warten, bis die Kritisierten Zeit gefunden haben, die Sache mit den Kritikern zu diskutieren und danach, bis sie die Sache aus ihrer Sicht auf ihrer Website darstellen. Bis dahin sollen die Lehrer und Schüler erst einmal weiter den Klimakoffer für ihre Experimente zum Klimawandel nutzen und der Wissenschaft vertrauen, dass das alles seine Richtigkeit hat. Also der richtigen Wissenschaft natürlich, also Professor Lesch, Dr. Scorza und Co.

Medienvertreter brauchen auch keinen Einblick in irgendwelche Prüfergebnisse. Das würde sie als Laien nur verwirren. Sie sollen einfach der Wissenschaft glauben. Also der richtigen Wissenschaft.

Die Protagonisten im Videovergleich

Jeder kann sich selbst ein Bild davon machen, wie seriös oder unseriös die Protagonisten in dem Streit auftreten. In einem auf Video abrufbaren Vortrag erklärt ICR-Sprecher Dr. Martin Steiner, ein Physiker, dass es den CO2-Wärmeeffekt gibt und die Zunahme von CO2 teilweise menschengemacht sei. Der Effekt sei aber begrenzt. Ich kann die Stichhaltigkeit seiner Ausführungen als Laie nicht abschließend beurteilen, aber sie wirken auf mich recht überzeugend.

Professor Lesch macht dagegen in einem als Video verfügbaren Vortrag vor Lehrern schon ab min 1:40 ein äußerst fragwürdiges Wissenschafts- und Demokratieverständnis deutlich. Er poltert „zum Thema Neutralitätsgebot“ in der Lehre, bei Physik und Klima sei kein Platz für Ideologie. Er fordert Einigkeit ein, dass gelte: „Warm ist warm und kalt ist kalt“ und dass ein Verbrennermotor eine sehr viel schlechtere Maschine sei als ein Elektromotor, mit einem sehr viel schlechteren Wirkungsgrad. Jeder, der je etwas über Maschinen gelernt habe, wisse das.

Mit anderen Worten: jeder, der anderer Meinung ist als Professor Lesch, ist ein unwissenschaftlicher Scharlatan. Im weiteren Verlauf des Vortrags trägt er einige diskreditierte oder mindestens bei seriösen Wissenschaftlern sehr umstrittene Thesen als unumstößliche Wahrheiten vor, etwa die Hockey-Stick-Theorie. Und jede Menge in drastischen Worten ausgemalte Horrorszenarien. Diese hält er erklärtermaßen für notwendig, um den Lehrern zu helfen, ihre Schüler so zu schocken, dass diese aktiv werden und wenigstens eine kleine Überlebenschance bekommen. Denn: „Wenn es zu warm wird, sind wir tot. Punkt.“

Noch eine Kostprobe ab min 14:50:

„Im Unterricht muss komplett klar werden, hammerhart, die moderne Erwärmung ist komplett menschengemacht. UHintergründe, wissenschaftliche Details und Modellkritind da gibt es überhaupt nichts zu diskutieren. Und wenn dann einer rumnölt und meint, das sei gar nicht so klar, dann zeigt man ihm das, ha, ha. [Zeigt eine Text-Präsentation] Spätestens beim Wort Isotop ist meistens Feierabend.“

Das ist eine zynische Anleitung zur Missachtung des Überwältigungsverbots im Unterricht. Er propagiert das Ausnutzen des Wissensvorsprungs von Lehrern, um Schüler zu nötigen, in einer wissenschaftlich und gesellschaftlich umstrittenen Frage eine bestimmte Position zu akzeptieren. Hier und an vielen anderen Stellen propagiert Lesch, dass den Schülern jegliches Hinterfragen seiner Klimawahrheiten ausgetrieben werden soll. Durchgängig hat er für solches Hinterfragen nur Hohn und Spott übrig.

Andere Zeiten, andere Überzeugungen

Es gibt übrigens auch das Video einer Fernsehsendung von Harald Lesch aus dem Jahr 2001. Damals klang er ziemlich ähnlich wie Martin Steiner heute. Er betont, dass wir uns in einer Eiszeit befinden, weil es Eis auf der Erde gibt, sogar an beiden Polen, was die Ausnahme sei. Während der Eiszeiten sei das Klima regelmäßig deutlich instabiler als während der eisfreien Zeiten. Er muss einen beeindruckenden Erkenntnispfad gegangen sein bis zu seiner heutigen 100-prozentigen Überzeugung, dass die Veränderung des Klimas zu 100-Prozent vom Menschen verursacht ist.

Zu diesem alten Video und der Frage, ob der junge Lesch ganz anders dachte als der heutige redet, gibt es sogar einen „Faktencheck“ von Correctiv aus dem Jahr 2020 mit der irreführenden Schlussfolgerung, dem sei nicht so. Wenn man nicht schon bei den argumentativen Pirouetten von Correctiv merkt, dass etwas an deren These nicht stimmt, braucht man sich nur das dort verlinkte Originalvideo anzuschauen.

Der Lesch des Jahres 2020 wurde von Correctiv zitiert mit der Feststellung, niemand bestreite, dass der Klimawandel auch natürliche Ursachen hat. Das passt so gar nicht zu „komplett menschengemacht, da gibt es nichts zu diskutieren“.

Sehen Sie dazu auch: Videocollage von Gunnar Kaiser: „Harald Lesch vs. Harald Lesch über den Klimawandel – Wer gewinnt?“

Fazit

Auf mich wirkt die Liste der mutmaßlichen Fehler in dem Experiment aus dem Münchner Klimakoffer eindrucksvoll, die Reaktion der Klimakoffer-Autoren dagegen alles andere als vertrauenerweckend. Sie weichen aus, ermöglichen keine Überprüfung ihrer Behauptungen und die einzige überprüfbare inhaltliche Erwiderung ist falsch.

Der Vortrag von Harald Lesch über Klimawandel im Unterricht, zeugt von einem schockierendem Ausmaß an Unwillen, von seiner Extremmeinung abweichende Meinungen und Wissenschaftler mit abweichenden Erkenntnissen zuzulassen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Außerdem zeugt er von einer wilden Entschlossenheit, Lehrern und Schülern mit allen Mitteln seine Wahrheiten aufzunötigen. Die finale Replik von Dr. Scorza auf meine Anfrage offenbart eine bedenkliche Arroganz gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit. Diese wäre akzeptabel für Wissenschaftler, die sich nur im akademischen Elfenbeinturm bewegen, aber nicht für Wissenschaftler, die in Massenmedien und Schulen offensiv ihre Wahrheiten verbreiten.

Änderungshinweis: Die Information, dass Prof. Lesch und Dr. Scorza miteinander verheiratet sind, habe ich am 23. Mai nachgetragen, ebenso den direkten Link zum Klimakoffer und dessen Preis und den Link zu „Harald Lesch vs. Harald Lesch“.

Hintergründe, wissenschaftliche Details und ModellkritiNachtrag (3.6.): Autoren des Klimakoffers veröffentlichen erläuternde Erwiderung

Dr. Scorza hat mich per Mail darauf hingewiesen, dass das Team wissenschaftliche Erklärungen zum Experiment des Klimakofferts veröffentlicht hat. Darin gehen sie teils ausdrücklich, teils implizit auf die von mir referierte Kritik von Independent Climate Research ein. Zur Problematik der nicht abgeschatteten Thermometer etwa erklären sie, dass das für den Vergleich der Temperatur mit Luftfüllung und mit CO2-Füllung keine Rolle spiele.

Dr. Scorza hat mir auch mitgeteilt, dass sie meinen Bericht ausgesprochen problematisch fand und dass Verleumdung eine Straftat darstellt. Auf das Angebot, ihre Kritik an meinem Beitrag hier als Erwiderung zu veröffentlichen, ging sie (bisher) nicht ein.

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