Es ist unerwartet schwierig aus EU-Archiven etwas zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu bekommen

17. 03. 2020 | Der Europäische Gerichtshof muss entscheiden, ob Rundfunkanstalten Bargeld ablehnen dürfen. Eine große Rolle in den Stellungnahmen der angehörten Institutionen spielt ein „Erwägungsgrund 19“. Es ist bemerkenswert schwierig, dazu etwas aus den EU-Archiven zu erfahren.

Am 6. Dezember 2019 schrieb ich an die Archivverwaltung der Europäischen Zentralbank und bat, das Archiv besuchen zu dürfen, um Dokumente zu studieren, die etwas über Zustandekommen, Sinn und Zweck dieses ebenso obskuren wie wichtigen Erwägungsgrund 19 zu erfahren.

Unter Verweis auf diesen Erwägungsgrund hatte die Europäische Zentralbank (EZB) bis 2016, als sie noch bargeldfeindlich eingestellt war, standardmäßig Barzahlungsobergrenzen und ähnliche Bargeldbeschränkungen in EU-Mitgliedsländern gutgeheißen.

In diesem Erwägungsgrund (19) der Verordnung (EG) Nr. 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro heißt es:

Von den Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung eingeführte Begrenzungen für Zahlungen in Banknoten und Münzen sind mit der den Euro-Banknoten und Euro-Münzen zukommenden Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels nicht unvereinbar, sofern andere rechtliche Mittel für die Begleichung von Geldschulden bestehen.

Mein Anwalt, Carlos A. Gebauer, und ich sind der Ansicht, dass damit nur gemeint ist, dass Obergrenzen in Mitgliedsländern für die Annahmepflicht von Münzen okay sind, weil es ja noch Euro-Scheine als alternatives gesetzliches Zahlungsmittel gibt. Ebenso sind Begrenzungen für die Größe der Scheine, die man für kleine Beträge akzeptieren muss, in Ordnung, weil es kleinere Scheine und Münzen als Alternative gibt. Nicht gedeckt ist durch diesen Erwägungsgrund, der keine eigenständige Rechtskraft hat, nach unserer Interpretation Ausschlüsse der Bargeldannahme oder des Rechts auf Barzahlung unter Verweis auf die Nutzung von Giralgeld.

Unsere Stellungnahme im Verfahren um Barzahlung des Rundfunkbeitrags beim Europäischen Gerichtshof

Die Europäische Zentralbank und die EU-Kommission interpretieren den Erwägungsgrund weiter. Wir halten das für ziemlich fahrlässig. Denn wenn zum Beispiel die italienische Regierung mit früheren Plänen ernst machen und eine staatliche Parallelwährung zum Euro einführen würde, dann würde sie zur Begründung der Rechtmäßigkeit genau die Argumente anführen, die EZB und EU-Kommission anführen, um Begrenzungen des Barzahlens zu rechtfertigen. Schließlich ist Giralgeld der Banken rechtlich nichts weiter als eine Schuld der Banken gegenüber dem Inhaber. Es ist kein gesetzliches Zahlungsmittel. Wenn der Staat verlangen dürfte, dass man damit bezahlt, anstatt mit Bargeld, dann dürfte er auch verlangen oder zumindest erlauben, dass man mit Schuldscheinen des Staates bezahlt, die dieser als Parallelwährung in Umlauf gebracht hat.

Meine Hoffnung ist, dass in den EU-Archiven Dokumente über die Entstehung des Erwägungsgrunds 19 und der ganzen Verordnung zur Euro-Einführung schlummern, die aufklären können, was gemeint ist.

Erst Funkstille, dann Ebbe im EZB-Archiv

Zwei Monate lang hörte ich nichts von der EZB. Als ich sie an mein Begehren erinnerte, bekam ich weitere zwei Wochen später die Auskunft, man habe nichts. Die entsprechenden Dokumente befänden sich in den Archiven der EU-Kommission und des EU-Rates.

Das wunderte mich zwar, und meine Bekannten bei der EZB ebenfalls, aber wenn die EZB das so sagt, dann wird es stimmen. Denn jeder hat ein Recht, die Dokumente in den Archiven der EU-Behörden einzusehen, soweit diese nicht als vertraulich klassifiziert sind.

Also wandte ich mich an das Archiv der EU-Kommission. Von dieser bekam ich immerhin innerhalb eines Tage die Antwort, man habe nichts. Ich müsste mich an den EU-Rat wenden.

Das habe ich jetzt getan. Ich bin gespannt, ob der Rat die Dokumente tatsächlich hat, und ob ich sie schließlich und rechtzeitig zu sehen bekommen werde.

Fortsetzung folgt …

Print Friendly, PDF & Email