Das könnte peinlich werden: Multipolar verklagt das RKI auf Auskunft über den Krisenstab und dessen Entscheidungsfindung

9. 11. 2020 | Nach Monaten vergeblicher Versuche per Presseanfragen vom Robert Koch Institut (RKI) Aufklärung darüber zu erhalten, wer für die Behörde nach welchen Kriterien die in vieler Hinsicht überaus wichtige Gefährdungsbeurteilung festlegt, zieht das Internet-Magazin Multipolar nun vor Gericht.

Regierung und Gerichte in Deutschland rechtfertigen die anhaltenden Grundrechtsbeschränkungen seit Monaten mit einer vom RKI diagnostizierten „hohen Gefährdung“ der Bevölkerung durch das Coronavirus. Mehrfache Versuche von Multipolar, vom RKI die konkreten Kriterien für diese Einschätzung zu erfahren, blieben dem Magazin zufolge erfolglos. Zur Durchsetzung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs hat das Magazin daher am 5. November beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das RKI eingereicht.

Auf seine vielfachen Anfragen darüber, wer die Gefährdungslage nach welchen Kriterien einschätzt, erfuhr Multipolar vom RKI bisher lediglich, dass ein Krisenstab, der dem Gesundheitsministerium unterstellten Behörde die Entscheidungen treffe. Wer Mitglied in diesem Krisenstab ist, und ob es ein festes oder wechselndes Gremium ist, weigert sich das RKI, der Darstellung von Multipolar zufolge, mitzuteilen. Es gebe auch keine Protokolle, sondern lediglich Notizen der Sitzungen des Gremiums, die aber nicht zur Veröffentlichung vorgesehen seien.

Das RKI wollte sich auf meine Anfrage hin nicht zu dem laufenden Verfahren äußern.

Multipolar macht geltend, dass die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Bedingungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche gegeben sind, nämlich ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung.

Wenn zutrifft, dass beim RKI tatsächlich derart schwerwiegende Entscheidungen in Sitzungen eines offenbar ziemlich lose definierten Gremiums ohne Protokolle getroffen werden, und dies gerichtsamtlich wird, müssen sich das RKI und das Gesundheitsministerium auf einige sehr unangenehme Fragen der Lockdown-geplagten Öffentlichkeit gefasst machen.

Bei Gerichtsverfahren gegen Anti-Corona-Einschränkungen würde es bei den zuständigen Gerichten vermutlich auch nicht gut ankommen, wenn die zugrundeliegende Gefahreneinschätzung normalen Standards hoheitlicher Entscheidungsfindung in eklatanter Weise nicht genügt.

Positiv und nach vorne gewendet, wird dann wahrscheinlich endlich Schluss sein damit, dass das RKI die Kriterien für die Lagebeurteilung öfter wechselt als manche Leute ihre Unterwäsche.

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