Das Peter-Prinzip lebt und gedeiht

Das Peter-Prinzip besagt, dass Mitarbeiter, die sich in ihrem Job bewähren, ohne Rücksicht darauf befördert werden, ob sie ihre Fähigkeiten auf der höheren Ebene auch brauchen können. „In einer Hierarchie gibt es die Tendenz, dass jeder Beschäftigte bis zu der Ebene aufsteigt, auf der er inkompetent ist“, so der Namensgeber, der kanadische Lehrer Laurence Peter. Ein Ökonomenteam hat nun eine orginelle und überzeugende Methode gefunden, die These zu überprüfen.

Peters These, die er vor fünf Jahrzehnten mit dem Buch The Peter Principle berühmt machte, basiert auf Beobachtungen im öffentlichen Schuldienst. Dort sind die Bedingungen für das Prinzip sehr günstig. Der Staat muss nach objektiven Maßstäben befördern, um den Anschein von Nepotismus zu vermeiden. Dazu bietet sich die Leistung in der ausgeübten Funktion an. Ein extrovertierter Lehrer, der seine Schüler mitreißen kann und sich in seinem Fach gut auskennt, ist aber nicht unbedingt besser als Schulleiter geeignet als eine organisationsstarke Kollegin, die ihre Schüler langweilt.

Doch gilt das Peter-Prinzip ebenso in privaten Unternehmen? Diese sind bei der Frage, wen sie befördern, weniger rechtlich eingeschränkt und auch in der Gehaltspolitik freier. Wenn jemand gut in seinem Job ist, aber nicht das Zeug zu einem Vorgesetzten hat, können sie ihn mit Geld statt Beförderung belohnen.

Die amerikanischen Management-Professoren Alan Benson, Danielle Li und Kelly Shue haben in Promotions and the Peter Principle getestet, wie das in der Realität funktioniert, und zwar im Vertrieb. Das Grundproblem ist dort ähnlich wie bei Lehrern. Ein Spitzenverkäufer muss keine gute Führungskraft sein. Für Vertriebler ist der persönliche Erfolg das Maß der Dinge. Eine Führungskraft muss sich darum kümmern, dass andere erfolgreich sind.

Die Forscher bekamen von einem Unternehmen, das Software zur Messung von Vertriebsleistung anbietet, die Leistungsdaten von über 50.000 Mitarbeitern aus 214 Unternehmen. Von diesen wurden im siebenjährigen Untersuchungszeitraum gut 1.500 befördert.

Wie gut sich die Beförderten in ihrem neuen Führungsjob schlugen, machen die Ökonomen an der Erhöhung oder Senkung der Leistung der Mitarbeiter ihres Teams fest. Für Mitarbeiter, die vorher oder nachher einen anderen Chef hatten, messen sie die Differenz zur Leistung unter der neuen Führungskraft. Diese positiven oder negativen Differenzen werden aufsummiert und als Führungsleistung des Beförderten gewertet.

Die Ergebnisse sind deutlich. Den Daten zufolge werden bevorzugt erfolgreiche Verkäufer befördert. Und das, obwohl sich gleichzeitig herausstellte, dass die besseren Verkäufer im Durchschnitt die schlechteren Chefs sind.

Das Trunier-Prinzip

Ein Grund für diese auf den ersten Blick unvernünftige Personalpolitik ist leicht zu finden. Beförderungen funktionieren nach vorherrschender Einschätzung der Management-Literatur nach dem Turnier-Prinzip. Alle strengen sich an, weil immer wieder ein Sieger gekürt wird, der den großen Preis der Beförderung bekommt. Wenn der große Preis auf andere Weise verteilt wird als nach Leistung im Job, könnte dieser wichtige Leistungsanreiz beschädigt werden. „Finanzielle Leistungsprämien können das mit einer Beförderung verbundene Prestige offenbar nicht wettmachen. Die Leistungsanreize allein mit Geld herzustellen könnte zu teuer sein“, schlussfolgern die Autoren.

Dabei scheint den Personalverantwortlichen durchaus bewusst, dass Verkaufstalent nicht unbedingt für Führungsaufgaben qualifiziert. In Unternehmen mit größeren Gehaltsunterschieden auf gleicher Ebene und bei wichtigeren Führungspositionen – gemessen an der Anzahl der unterstellten Mitarbeiter – hat der Erfolg im gegenwärtigen Job eine geringere Bedeutung als Auswahlkriterium.

Alternativen sind rar

Eine Rolle spielt sicher auch, dass es keine einfachen und offenkundigen Alternativen gibt. Wenn es nach dem Bauchgefühl der Entscheider ginge, wären Vetternwirtschaft Tür und Tor geöffnet. Dass Vetternwirtschaft verheerend für den Unternehmenserfolg sein kann, hat die Managementliteratur hinlänglich festgestellt. Selbst Beförderungskriterien, die nichts taugen, könnten daher sinnvoll sein, solange sie plausibel erscheinen und objektiv sind. Wenn sie dann noch positive Leistungsanreize setzen, werden offenbar sogar objektive Auswahlkriterien attraktiv, die schlechter sind als das Los.

Aus den verfügbaren Daten der Vertriebler konnten die Wirtschaftsforscher immerhin ein Merkmal herausfiltern, das eine positive Beziehung zum Erfolg im späteren Führungsjob aufweist: Vertriebsmitarbeiter, die häufiger in Kooperation mit anderen tätig waren, sind als Führungskräfte erfolgreicher. Dieses objektive Merkmal wird jedoch in der Breite nicht als Kriterium für Beförderungen verwendet – aus einem einleuchtenden Grund: Es wäre leicht zu manipulieren, wenn es für die Auswahl genutzt würde. Wenn sich herumspräche, dass Verkaufskooperation mit Kollegen die Beförderungschancen erhöht, wäre es ein Leichtes für die Mitarbeiter, sich pro forma gegenseitig Verkaufserfolge als Teamleistung zuzurechnen, auch wenn sie in Einzelarbeit entstanden sind.

Die Kosten, die Unternehmen durch Anwendung des Peter-Prinzips in Kauf nehmen, scheinen beträchtlich zu sein. Die drei Ökonomen haben errechnet, dass die Performance der Teams der Beförderten um 30 Prozent höher wäre, wenn die Beförderungen sich nach dem richten würden, was sich aus den Daten über die wahrscheinliche Eignung als Führungskraft ablesen lässt. Es lohnt sich also durchaus, über Alternativen der Objektivierung nachzudenken, auch wenn diese aufwendig sind. Betriebsinterne Assessment-Center oder Führungsseminare für Kandidaten, möglicherweise auch mit externer Expertise, könnten so eine Alternative sein.

[26.4.2018]

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