Leser M. Mosebach informierte mich dankenswerterweise darüber, dass Facebook einen Beitrag „heruntergestuft“ hat, mit dem er meinen Bericht über ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterverbreiten wollte. Dieses hatte geurteilt, dass Kritik an den Regierenden in besonderem Maße durch die Meinungsfreiheit geschützt ist:
„Heruntergestuft“ bedeutet, dass Facebook dafür sorgt, dass nur wenige Follower den betreffenden Beitrag zu Gesicht bekommen. Die abseitige Begründung: Verdacht auf Gewaltdarstellungen oder drastische Inhalte. Dass Herr Mosebach ohnehin nur wenige Dutzend Follower hat, scheint den Zensur-Algorithmus nicht abzuhalten.
Zuvor traf das einen anderen harmlosen Beitrag von mir, bzw. den Facebook Beitrag, mit dem dieser weiterverbreitet werden sollte. Darin ging es um einen 2020 von der taz nachträglich gelöschten Gastbeitrag zu Corona, der sich im nachhinein als sehr hellsichtig herausgestellt hat:
Außerdem wurde ich auf einen Beitrag von Multipolar aufmerksam, dessen Verbreitung Facebook mit der gleichen absurden Begründung unterbunden hat. Darin setzte sich das Magazin mit Unterstellungen auseinander, es sei „rechts“ und „verschwörungstheoretisch“. Diese Klassifizierung hatten ideologisch gefestigte Medien bei der Berichterstattung über die von Multipolar freigeklagten RKI-Protokolle gemeint, einflechten zu müssen:
Dieselbe völlig unpassende Begründung gab Facebook für das Ausbremsen eines Beitrags eines Lesers dieses Blogs, in dem dieser sich über eine Zeitungsmeldung mit der Überschrift „Der Wahl von Putin fehlte alles, was eine demokratische Wahl ausmacht“ mokierte. Über Fotos von Putin und von der Leyen setzte er die ironische Feststellung: „Also wirklich! Das geht gar nicht! Das soll eine demokratische Wahl sein? Der Sieger steht von vorneherein fest.“
Auch in diesem textarmen Beitrag keine Spur von Gewalt oder Extremismus.
Was die Beiträge gemeinsam haben
Es ist jeweils offenkundig, das es für einen verständigen Menschen oder eine auch nur halbwegs funktionierende Software keinerlei Grund gibt, in diesen Beiträgen Gewaltdarstellungen oder drastische Inhalte zu vermuten. Das tut das Facebook-Zensurprogramm aber, wenn auch auf indirekte Weise. Der Hinweis lautet wörtlich:
„Unsere Technologie hat gezeigt, dass dieser Beitrag anderen Beiträgen ähnelt, die gegen unsere Gemeinschaftsstandards zu „Gewaltdarstellende und drastische Inhalte“ verstoßen. Auf Facebook ist es nicht erlaubt, Inhalte zu teilen, die drastische Gewalt zeigen.“
Facebooks-Zensurprogramm vergleicht also angeblich neue Beiträge mit solchen, die wegen Gewaltdarstellungen oder drastischen Inhalten gesperrt wurden. Wenn Gemeinsamkeiten ein gewisses Maß überschreiten, unterstellt das Programm, dass vermutlich auch in den aktuellen Beiträgen Gewaltdarstellungen oder drastische Inhalte zu finden sind.
Das Problem ist, dass es so gut wie nichts gibt, was dafür spricht, dass in den zensierten Beiträgen Gewaltdarstellungen zu finden sind. Entsprechend kann es auch kaum relevante Gemeinsamkeiten mit Beiträgen geben, die zu Recht wegen Gewaltdarstellungen ausgebremst oder gelöscht wurden.
Es gibt aber eine Gemeinsamkeit der ausgebremsten Beiträge. Sie sind jeweils regierungskritisch und handeln von Zensur und anderen Formen von intransparentem oder manipulativem Regierungshandeln.
Daher ist davon auszugehen, dass die Begründung „Gewaltdarstellung oder drastische Inhalte“ vorgeschoben ist, weil die wahre Begründung „Regierungskritik“ nicht offengelegt werden soll. Besonders bemerkenswert ist daher, dass Facebook ausgerechnet einen Beitrag zensiert, in dem es darum geht, dass das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass auch drastische Kritik an der Regierung von der Meinungsfreiheit geschützt ist.
Das dürfte nicht auf Facebooks Eigeninitiative hin geschehen, sondern Ergebnis des Drucks der Regierungen u.a. in Washington, Brüssel und Berlin sein, „schädliche“ Inhalte, die gesellschaftliche Konflikte anheizen und das Vertrauen in staatliche Institutionen untergraben, an der Verbreitung zu hindern. Der Digital Services Act der EU verlangt das ausdrücklich, wobei „schädlich“ nicht voraussetzt, dass ein Inhalt gesetzwidrig ist. Im Zweifel darf man auch davon ausgehen, dass geheimdienstliche und Nato-nahe Institute mitwirken, unter dem Rubrum „Abwehr ausländischer hybrider Kriegsführung“. Denn wenn im Netz konfliktträchtige Thesen verbreitet werden, wird gern unterstellt, dass der Russe die Finger im Spiel hat.
Schlussfolgerung
Der Schleier über der öffentlich-privaten Zensurpartnerschaft gegen regierungskritische Inhalte wird immer dünner und löchriger. Für weite Teile der Bevölkerung ist, Umfragen zufolge, bereits deutlich sichtbar, dass der Bevölkerung weit entfremdete Regierungen zu autokratischen Mitteln greifen, um ihre Macht zu erhalten. Eine Grundvoraussetzung für grundlegenden Wandel ist damit zunehmend erfüllt. Hochproblematisch ist allerdings, dass gerade bei denjenigen, die sich für progressiv und links halten, dieser Erkenntnisprozess in der Breite noch nicht in Gang gekommen ist. Das weckt Sorgen hinsichtlich der Richtung des bevorstehenden, grundlegenden Wandels.
Nachtrag (21.4.): Meta hat Ausbremsen von politischen Inhalten angekündigt
Meta, die Muttergesellschaft von Facebook, Instagram und Threads hat, wie ich nun festgestellt habe, Ende Februar angekündigt, die Verbreitung politischer Inhalte auf seinen Plattformen einzuschränken, weil die Nutzer das so möchten. Tatsächlich geht es ziemlich offenkundig darum, dem Druck von der Politik wegen des Vorwurfs von politischer Verzerrung und der Verbreitung von Desinformation auszuweichen.
Definiert sind „politische Inhalte“ dabei sehr vage als „möglicherweise Dinge wie Gesetze, Wahlen oder soziale Themen betreffend“. Das öffnet manipulativer Willkür Tür und Tor. Meta hat kaum Informationen darüber gegeben, wie diese extrem breite Definition durch die Auswahlalgorithmen angewendet wird und künftig werden soll.
Angekündigt ist lediglich, dass die Auswahlalgorithmen, die entscheiden, wer welche Beiträge zu sehen bekommt, politische Inhalte reduzieren, außer bei Kanälen denen man bereits folgt. Das Ausbremsen von regierungskritischen Inhalten auf Facebook mit dem zumeist völlig unpassenden Vorwurf des Verdachts auf Darstellungen extremer Gewalt, passt dazu, hat aber natürlich nochmals eine andere Qualität.