Bodenwertsteuer für mehr Gerechtigkeit und Ausgleich

27. 10. 2017 | Schon weil es so selten vorkommt, dass das Arbeitgeberinstitut IW mit dem Gewerkschaftsinstitut IMK und dem Naturschutzbund an einem Strang ziehen, ist die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ bemerkenswert. Sie ist auch in der Sache unterstützenswert. Die Idee ist, den Bodenwert statt Arbeit, Konsum und Investitionen zu besteuern. Aus Anlass des 120. Todestag von Henry George, des zu Unrecht fast vergessenen Theoretikers und Aktivisten für eine Bodenreform, findet am Mittwoch 1. November in Berlin eine Tagung statt. Angesichts der bislang so hilflosen Reaktionen der Politik auf den rapiden Mietpreisanstieg kann man nur hoffen, dass viele Volksvertreter und Abgesandte der einschlägigen Behörden den Weg zu der Tagung finden.

Darüber, wie Boden als Produktionsfaktor von interessierter Seite aus den Produktionsfunktionen und die leistungslose Bodenrente aus dem Blick der Ökonomen genommen wurde, habe ich hier bereits geschrieben: Boden – Wichtig für die Menschen, getilgt aus der ökonomischen Theorie Was man nicht als eigenen Produktionsfaktor sieht, wird auch nicht besteuert.

Folgendermaßen erklärt das IMK die Idee der Initiative:

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung spricht sich in einer neuen Studie „Was tun gegen die Ungleichheit? – Wirtschaftspolitische Vorschläge für eine reduzierte Ungleichheit“, IMK-Report 129/2017, Studie „Wastun gegen die Ungleichheit? – Wirtschaftspolitische Vorschläge für einereduzierte Ungleichheit“, IMK-Report 129/2017, für einen Umbau der bisherigen Grundsteuer in eine reine Bodenwertsteuer aus (Seite 17f.):

„Eine der bedeutsamsten Quellen von Ungleichheit ist der Besitz von Boden (…). Er erlaubt Monopolrenditen, die sich aus dem Umstand ergeben, dass das Angebot an Boden zum einen sehr unelastisch im Hinblick auf Preisbewegungen ist. In einer globalen Betrachtung ist es sogar völlig unelastisch, da der Bestand an Land naturgemäß nicht vermehrt werden kann. Zum zweiten ist Boden ebenfalls gleichmäßig regional verteilt. (…) Im Gegensatz zum Angebot an Boden tritt jedoch die Nachfrage nach dessen Nutzung regional geballt auf. In dieser Konstellation können die in Ballungsregionen per Zufall oder aus Absicht agierenden Bodenbesitzer ohne weitere eigene Anstrengungen markante monopolistische Renditen erzielen.

Das IW hat einen anderen Schwerpunkt. Es legt den Fokus darauf, dass das steuerbefreite Warten auf Bodenwertsteigerungen dazu führt, dass die für Wohnen und Produktion verfügbaren Flächen künstlich verknappt werden.

Zur Tagung, von den Initiatoren

Am 29. Oktober 1897 verstarb der US-amerikanische Ökonom Henry George. Anlässlich seines 120. Todestages veranstaltet die bundesweite Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ am Mittwoch, den 1. November 2017 in Berlin eine Tagung zur Boden- und Gemeingutfrage. Unter dem Titel

„Henry George – Ökonomischer Wegweiser des 21. Jahrhunderts“

widmet sich die Veranstaltung sowohl Reformgedanken zur Bodenpolitik des ausgehenden 19. Jahrhunderts als auch aktuellen Herausforderungen der Miet- und Bodenpreisentwicklung. Henry George zählt zu den bedeutendsten Bodenreform-Theoretikern überhaupt. Die Ausgangsfrage seines Schaffens war, warum gerade in den sich entwickelnden Industriegesellschaften trotz eines enormen Anstiegs der Produktivität die Armut überhandnahm. „Henry George betrachtete Boden und Arbeit als die originären, Kapital lediglich als einen abgeleiteten Produktionsfaktor“, so Prof. Dr. Dirk Löhr, Professor für Steuerlehre und Ökologische Ökonomik an der Hochschule Trier. „Das widerspricht der neoklassischen Lehre, und es ist höchste Zeit, dass sich dieser Ansatz in der Wirtschaftswissenschaft etabliert.“

Henry George schlug vor, die durch öffentliche Leistungen hervorgerufenen Bodenwertsteigerungen durch den Staat abzuschöpfen. Über die Vorzüge solch einer Bodenwertsteuer besteht heute ein breites Einvernehmen. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts machte Henry George die Idee der Bodensteuer auch in anderen Ländern populär. Gegenwärtig gibt es in Teilen Neuseelands und Australiens sowie bspw. auch in Dänemark und Estland eine Bodenwertsteuer.

Anlässlich aktueller, globaler Herausforderungen – nachhaltige Ressourcennutzung, Verteilungs- und Chancengerechtigkeit, Gestaltung der Staatsfinanzen u.a.m. – vermag Henry Georges Theorie auch und gerade heute eine sinnvolle Orientierung zu geben. „Für effektiven Klimaschutz und weniger Verkehrsemissionen werden wir den Boden – vor allem in den Städten – effizienter nutzen müssen“, sagt Prof. Dr. Ottmar Edenhofer, Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin (MCC). „Dafür schafft eine reine Bodensteuer anstatt einer Grundsteuer, die wie in Deutschland Boden und Gebäude besteuert, erhebliche Anreize. Zudem erzeugt sie höhere Einnahmen, die etwa für die Verkehrsinfrastruktur der Elektromobilität genutzt werden können.“

Derzeit besteht in Deutschland die historische Chance, über die anstehende Reform der Grundsteuer Henry Georges Gedankengut konkret umzusetzen und zum Wohle der Gemeinschaft nutzbar zu machen. „Die Grundsteuer als Bodenwertsteuer würde zu einem steigenden Wohnraumangebot führen und hätte eine dämpfende Wirkung auf Bodenpreise und Mieten“, so Dr. Ulrich Kriese, Sprecher für Bau- und Siedlungspolitik des NABU und Mitbegründer des Aufrufs „Grundsteuer: Zeitgemäß!“.

  • Die Tagung „Henry George – Ökonomischer Wegweiser des 21. Jahrhunderts“ findet am 01.11.2017 von 14 bis 18:30 Uhr in Berlin-Wedding statt.
  • Pünktlich zum 120. Todestag von Henry George erscheint die Neuübersetzung seines Hauptwerks „Fortschritt und Armut“, herausgegeben und eingeleitet von Dirk Löhr, im Metropolis-Verlag, Marburg 2017, ISBN 978-3-7316-12490-0
  • Die Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ ist ein 2012 gegründeter bundesweiter, überparteilicher Aufruf zur Reform der Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer. Zu den Unterstützern zählen bislang über 50 Bürgermeister, zahlreiche Verbände und Organisationen, darunter der NABU, das Institut der deutschen Wirtschaft und der Deutsche Mieterbund sowie über 800 Privatpersonen.

 

Die Anmeldeinformationenfinden Sie hier.

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[27.10.2017]

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