Mit ihrer Verordnung zur löchrigen Annahmepflicht, zeigt die EU-Kommission, dass sie das Bargeld beseitigen will

28. 6. 2023 | Die EU-Kommission hat Verordnungsentwürfe zum Status des gesetzlichen Zahlungsmittels von Euro-Bargeld und vom geplanten digitalen Euro vorgestellt. Bargeldnutzer sollen viel weniger Anspruch auf ihr bevorzugtes Zahlungsmittel bekommen als Nutzer von digitalem Euro-Zentralbankgeld. Es ist offensichtlich, dass die EU-Kommission (zusammen mit der EZB) das Bargeld durch den digitalen Euro nicht ergänzen, sondern verdrängen will.

Der Verordnungsentwurf zum digitalen Euro war bereits vorab öffentlich und von mir kommentiert worden. Meine Erwartung, dass die EU-Kommission dem Euro-Bargeld nicht annähernd den gleichen Schutz gewähren würde wie dem geplanten digitalen Euro, hat sich leider bestätigt.

Verordnung zum digitalen Euro: Mit Zwangsmitteln soll ein Bargeldersatz in den Markt gedrückt werden
16. 06. 2023 | Der Vorschlag der EU-Kommission für die Verordnung zur Einführung des digitalen Euro, der mir vorliegt, enthält eine Vielzahl von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Verbreitung des neuen Zahlungsmittels ohne erkennbaren Mehrwert für die Nutzer. Die einzige erkennbare Funktion des eEuro ist es, Bargeld verdrängen zu helfen, und der digitalen Totalüberwachung näherzukommen.

Des hässlichen Pudels Kern versteckt sich in Artikel 5 Nr. 1 (b) der vorgeschlagenen Bargeldverordnung. Dort steht, dass Geschäfte, abweichend von der grundsätzlichen Annahmepflicht, die Bargeldannahme verweigern dürfen, wenn das vorher zwischen Zahler und Empfänger vereinbart wurde.

Das ist eine sehr weitreichende Ausnahme, da in der Regel davon ausgegangen wird, dass der Kunde implizit dem Bargeldausschluss zugestimmt hat, wenn ein Geschäft seine Ablehnung von Bargeld deutlich kommuniziert hat und der Kunde dennoch das Geschäft anbahnt.

Nicht einmal staatliche Stellen müssen das gesetzliche Zahlungsmittel Euro-Bargeld annehmen, stellt die Kommission in feigem Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (in meinem Verfahren um das Recht auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags) fest, wenn die staatliche Stelle durch Bargeldverweigerung meint, Kosten sparen zu können. Die Kommission hätte das in ihrem Verordnungsvorschlag nun jederzeit anderes regeln können, denn die EU hat die alleinige Kompetenz hierzu, wie das Gericht feststellte.

Der Kontrast zur sehr strengen Ausgestaltung der Eigenschaft des gesetzlichen Zahlungsmittels für den digitalen Euro im Verordnungsentwurf zum digitalen Euro könnte kaum größer sein. Dort gibt es zwar in Artikel 9 Abs. 1 (d) eine entsprechende Ausnahme von der Annahmepflicht im Fall einer vorherigen Vereinbarung einer anderen Zahlungsweise.

Für den digitalen Euro soll diese Ausnahme jedoch entscheidend entkernt werden, indem in Artikel 10 verboten wird, die Annahme des digitalen Euro durch einseitige Erklärung in den Geschäftsbedingungen auszuschließen. Die Annahmepflicht für den digitalen Euro soll auch dann gelten, wenn ein Geschäft die Bargeldannahme ausschließt.

Damit ist die meistgenutzte Rechtsgrundlage zur Verweigerung der Annahme von Bargeld für den digitalen Euro ausgeschlossen.

Weitere Aufweichung der Annahmepflicht möglich

Mit Artikel 6 will sich die EU-Kommission die Kompetenz geben lassen, in Eigenregie weitere Ausnahmen von der Annahmepflicht für Euro-Bargeld einzuführen. Damit kann sie jederzeit die Annahmepflicht noch weiter aufweichen.

Anstelle der detaillierten und strengen Festlegungen in der Verordnung zum digitalen Euro, wer diesen annehmen muss, gibt es für das Euro-Bargeld nur butterweiche Verpflichtungen der Regierungen. Dies müssen „beobachten“, ob Verweigerung der Bargeldannahme schon so weit verbreitet ist, dass sie etwas tun müssen, und ob die Bargeldversorgung der Bevölkerung möglicherweise schon so schlecht ist, dass Gegenmaßnahmen nötig sind, vor allem in ländlichen Gebieten.

Wenn sie dann gehörige Zeit später in ihren Jahresberichten feststellen sollten, dass es ein Problem gibt, und die Kommission, wieder gehörige Zeit später, bei Prüfung dieser Berichte – wider Erwarten – zu dem Schluss kommen sollte, dass eine Regierung nicht genug tut, kann sie der Regierung – wieder gehörige Zeit später – Vorgaben machen, die diese dann – wieder gehörige Zeit später – umsetzen muss. Es sei denn, sie legt Widerspruch ein, sodass erst einmal – gehörige Zeit später – ein Gericht darüber entscheiden muss. Gehörige Zeit früher wird das Bargeld unrettbar verdrängt sein.

Digitaler Euro soll Bargeld verdrängen

Wie ich in einem früheren Beitrag bereits dargelegt habe, soll der digitale Euro so ausgestaltet werden, dass er auch dort mit dem Euro-Bargeld in Konkurrenz treten kann, wo dieses bisher vor allem genutzt wird – bei Transaktionen mit persönlichem Kontakt.

Damit der digitale Euro die Konkurrenz mit dem Bargeld siegreich meistern kann, werden die Banken und Zahlungsdienstleister gezwungen, ihn zu subventionieren und darf er durch Ausnahmen von den Geldwäscheregeln mehr finanzielle Privatsphäre bieten als andere digitale Zahlungen.

Der digitale Euro soll auch so ausgestaltet werden, dass marginalisierte Gruppen, wie Wohnungslose ohne Bankkonto, diesen ebenso nutzen können wie Bargeld. Dadurch entfällt dann das einzige durchschlagende Argument gegen generelle Verweigerung der Bargeldannahme, das der Europäische Gerichtshof in seinem Anti-Bargeld-Urteil (das ganz auf der Linie der Kommission lag) gelten ließ – die „finanzielle Inklusion“ Benachteiligter.

Wenn der digitale Euro erst einmal eingeführt und verbreitet ist, dann ist somit absehbar, dass die rechtlichen Hürden für Bargeldverweigerung und -abschaffung immer niedriger werden. Die Kommission wird mit dem Argument der breiten Verfügbarkeit des digitalen Euro neue Ausnahmen von der Bargeldannahmepflicht schaffen und die Regierungen werden auch dann noch keinen Handlungsbedarf feststellen, wenn man nur noch ausnahmsweise mit Bargeld bezahlen kann und die Bargeldversorgung völlig ausgedünnt ist.

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10. 11. 2020 | Hören | Kaum ein Dokument ist mir so oft zugeschickt worden, wie die jüngsten Überlegungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu einem digitalen Euro. Es besteht offenkundig großer Bedarf an Einschätzungen, ob ein digitaler Euro etwas Gutes oder etwas Schlechtes wäre. Unter anderem Vertreter der Monetative und der Linken drängen die EZB dazu. Das halte ich für einen schweren Fehler.

Mein Dossier zum Krieg gegen das Bargeld

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