Aktualisierung 7. 08. | 23. 07. 2023 | Der Industrieländerclub OECD, der vorgibt, DIE Institution zu sein, die die grassierende Steuerflucht der Großkonzerne in Steuerparadiese bekämpft, hat dafür gesorgt, dass ein australisches Gesetz drastisch entschärft wurde. Es sollte in Australien tätige Großkonzerne wie Apple, Microsoft und Alphabet, zwingen, offenzulegen, wo sie wie viel Steuern zahlen. – Mit Aktualisierung zur bisherigen Wirkungslosigkeit der – nicht allzu ernst gemeinten – Bemühungen der OECD, die Steuerflucht einzudämmen.
Mit dem vorgesehenen Gesetz der australischen Labour-Regierung wären steuerflüchtige Konzerne weltweit unter starken Druck der Öffentlichkeit gekommen. Der Wert wertvoller Marken globaler Konzerne, die wenig Steuern zahlen, und das vor allem in Steueroasen, hätte gelitten. Was also tut die OECD, die vermeintlich führende Kämpferin gegen (Steuer-)“Basiserosion und Profitverlagerung“, nach dem englischen Kürzel BEPS genannt? Sie übt Druck auf die Regierung aus, damit diese das Veröffentlichungserfordernis streicht – erfolgreich.
Ich berichte das, obwohl es schon ein paar Wochen her ist, weil zwar die Financial Times darüber geschrieben hat, ich aber in der deutschen Medienlandschaft nichts dazu gefunden habe (was an mir liegen kann).
Weil das Ruchbarwerden des Vorfalls ziemlich peinlich für die OECD ist, war deren Generalsekretär, Mathias Cormann, umgehend mit einem Dementi zur Hand. Pikanterweise war Cormann Finanzminister in der früheren konservativen australischen Regierung.
Cormanns Dementi lautet (übersetzt):
„Medienberichte über das Wochenende, wonach die OECD Australien gedrängt hat, ein geplantes Gesetz gegen multinationale Steuervermeidung zu entschärfen, sind falsch.“
Dieses harte Dementi entlarvt er dann gleich selbst als Lüge, indem er rechtfertigt, warum die OECD genau das getan hat, was er leugnet. Er schreibt, dass ein technisches Team der OECD festgestellt habe, dass die Gefahr bestand, dass das geplante Gesetz zur Multinationalen Steuertransparenz unbeabsichtigterweise die „konzertierten globalen Bemühungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung unterminieren und schwächen würde“. Außerdem habe das Team festgestellt, dass das Gesetz, so wie im Entwurf formuliert, die Umsetzung der globalen Mindeststeuer behindert hätte.
Wie wenig das Herz des wirtschaftsliberalen OECD-Generalsekretärs an der Bekämpfung der Steuerflucht der Konzerne hängt, sieht man daran, dass er unter seinen fünf wichtigsten Zielen, die er bei Amtsantritt verkündete, keines listete, das mit Bekämpfung der Steuerflucht zu tun hatte.
Das ziemlich schwache Argument der OECD ist, dass das geplante australische Vorgehen die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Steuerbehörden stören könnte, auf die die OECD bei der Bekämpfung der Steuerflucht allein setzt.
Dabei liegt nahe, dass die OECD das australische Gesetz gerade deshalb verhindert hat, weil es für alle sichtbar offengelegt hätte, dass man nicht darauf angewiesen ist, dass die Steueroasen und Niedrigsteuerländer mitmachen, von denen einige die größten Industrieländer sind oder von diesen betrieben werden, wie die Britischen Kanalinseln, Delaware, die Niederlande und Irland. Länder, die groß genug sind, um als Absatzmarkt für die Konzerne wichtig zu sein, können einfach Gesetze erlassen, die steuerflüchtige Konzerne unter starken öffentlichen Druck setzen, so die gefährliche Botschaft des australischen Gesetzentwurfs.
Warum die OECD so konzernfreundlich agiert, ist leicht zu verstehen. Sie ist ein Club der Industrieländer und als solcher Interessenvertreter der Industrieländer. Noch stärker als diese leiden die Entwicklungsländer unter entgangenen Steuern. Anders als die Industrieländer, in denen die Konzerne in der Regel ihren Sitz haben, gibt es bei ihnen nicht die Kompensation dadurch, dass die heimischen Konzerne aufgrund der minimalen Steuerlast global erfolgreich sein können und ihren Heimatländern hochbezahlte Arbeitsplätze, Know How und Aufträge sichern. Im Gegenteil: der Steuervorteil der Konzerne aus den Industrieländern sorgt dafür, dass sie die lokale Konkurrenz in den Entwicklungsländern dauerhaft klein halten können.
Ein weiterer Grund ist sicherlich, dass die Delegierten in der OECD Ziel massivem Lobbyings durch die Konzerne und deren Interessenvertreter sind. Da diese Konzerne sehr viel Geld haben und sehr lukrative persönliche Vorteile für Politiker oder Vorteile für ein Land versprechen können, ist dieses Lobbying in der Regel erfolgreich.
Das zeigt eindrucksvoll die Leiterin des OECD-Zentrums für Steuerpolitik und -verwaltung, Manal Corwin. Sie war vorher Partnerin im Bereich internationale Steuern der Beratungsfirma KPMG und Leiterin des KPMG BEPS Network. Sie beriet also auf einem sehr hochdotierten Job multinationale Konzerne in Sachen Einhaltung der Vorschriften zu BEPS bei gleichzeitiger Zahlung möglichst niedriger Steuern, nachdem sie vorher für das US-Finanzministerium hochrangig an der Entwicklung und Verhandlung der BEPS-Vereinbarung beteiligt gewesen war.
Aktualisierung: BEPS-Prozess nach zehn Jahren ohne Wirkung
Der OECD-Chef gibt vor, seine Sabotage des australischen Gesetzes diene der Eindämmung der Steuerflucht, indem sie das Vertrauen unter den Steuerbehörden und damit den BEPS-Prozess und den globalen Kampf gegen die Steuerflucht schützt. Das Problem ist nur: BEPS hat bisher keine Wirkung gezeitigt und dürfte es nach vorherrschender Meinung selbst globalistischer Organisationen auch in nächster Zeit nicht tun.
Tax Justice Network (Netzwerk für Steuergerechtigkeit) schreibt (übersetzt):
„Die OECD, ein Club reicher Länder, der seit sechzig Jahren die globalen Steuerregeln festlegt, führte seinen ersten Reformprozess, den BEPS-Prozess, von 2013 bis 2015 durch. Der Prozess führte nicht zu einer signifikanten Verringerung des weltweiten Steuermissbrauchs und machte einen zweiten Reformprozess, BEPS 2.0, erforderlich, der kurz darauf begann und bisher nur Entwürfe für politische Vorschläge hervorgebracht hat. Seit Beginn der OECD-Bemühungen um eine globale Steuerreform vor 10 Jahren ist es nicht gelungen, die Steuerausfälle der Länder durch globalen Steuermissbrauch deutlich zu reduzieren. Mit Blick auf die nächsten 10 Jahre kommen Studien mehrerer Gremien, darunter der IWF und die BEPS-Überwachungsgruppe, zu dem Schluss, dass die aktuellen Vorschlagsentwürfe, die die OECD im Rahmen von BEPS 2.0 ausgearbeitet hat, wenig bis gar keine Auswirkungen auf das Ausmaß der Steuerverluste haben werden. (4)“
Die Quellen sind u.a. eine Studie des Internationalen Währungsfonds, die unabhängige BEPS Monitoring Group, und ein Bericht des EU Tex Observatory, der zum Ergebnis kommt, dass die Länder des Südens sogar Steuereinnahmen verlieren würden.