Migrationsabkommen Teil II: Was das Weltwirtschaftsforum mit dem UN-Migrationsabkommen zu tun hat

21. 07. 2018 | Der Club der globalen Großkonzerne und Milliardäre, Weltwirtschaftsforum, der jährlich in Davos zu Stelldichein ruft, hat enormen politischen Einfluss. Diesen hat er intensiv, planmäßig und erfolgreich genutzt, um bei den Vereinten Nationen und den Regierungen für mehr Migration, niedrigere Löhne und weniger Sozialstaat zu werben. Der UN-Migrationspakt, den die Bundesregierung im Dezember mit unterschreiben will, ist eine Frucht dieser Arbeit.

Die Bundesregierung ist nicht nur eine von 190 vorgesehenen Unterzeichnern des UN-Migrationsabkommens. Sie hat es maßgeblich mit der Reife zugeführt. Seit Anfang 2017 und noch bis Ende des Jahres hat sie zusammen mit Marokko den Vorsitz des Global Forum on Migration and Development (GFMD) inne. „Während dieser zwei Jahre liegt der Fokus der Vorsitzenden auf dem Beitrag des Forums zum UN-Migrationsabkommen“, heißt es auf der einschlägigen Website. Für Deutschland übt diesen Co-Vorsitz ein Karrierediplomat aus dem Hause des Außenministers Heiko Maas  aus. Das ist der SPD-Politiker, der auch schon das Netz(zensur)durchsetzungsgesetz auf den Weg gebracht hat, ein sehr gutes Instrument zur Durchsetzung der Ziele des Migrationsabkommens. Denn, wie wir im vorherigen Blogbeitrag gelernt haben, sind laut Migrationsabkommen alle, die nicht einsehen wollen, dass Arbeitszuwanderung gut und förderungswürdig ist, Rassisten oder Fremdenfeinde, deren Hassbotschaften stummgeschaltet werden müssen.

Hier nun die versprochene Fortsetzung zur Entstehungsgeschichte. Sie konzentriert sich auf die Rolle des Weltwirtschaftsforums.

Zur politischen Bedeutung des Forums reicht eine Aufzählung, wer beim letzten Treffen in Davos im Februar 2018 den Konzernmanagern und Superreichen seine Aufwartung machte: Donald Trump, Angela Merkel, Narendra Modi, Emmanuel Macron, Theresa May und weitere rund 70 Regierungschefs.

Das UN Migrationsabkommen wurde von dem Global Forum on Migration and Development vorbereitet, dem die Bundesregierung derzeit vorsitzt. Dieser Konsultationsprozess zur Migration begann schon 2007. Zunächst waren hier Regierungen unter sich. 2011 begann das Weltwirtschafsforum sich hineinzudrängen und dafür zu werben, die Förderung von Wanderungsbewegungen von Arbeitskräften zu einem der vorrangigen Ziele zu machen. Man schuf einen Global Agenda Council on Migration beim Weltwirtschaftsforum und richtete im September ein ”Thematisches Treffen über Märkte für Migration und Entwicklung” aus. Bereits m Dezember 2011 beschloss das GFMD-Forum, „den Privatsektor“ als wichtigen Partner in die Konsultationen einzubinden. 2015 dann beschloss das Forum einen GFMD Business Mechanism als fest angebundenes Beratungsorgan des Global Forum on Migration and Development der UN einzurichten (Quelle).

Organisiert wird dieser „Unternehmensmechanismus“  des GFMD gemeinsam vom Global Agenda Council on Migration des Weltwirtschaftsforums und von der globalen Arbeitgeberorganisation International Organisation of Employers (Quelle).

Das Weltwirtschaftsforum nahm seine, den Regierungen aufgedrängte Beratungsaufgabe sehr ernst. Zwei Jahre lang beriet man untereinander, mit der „Zivilgesellschaft“ und mit Regierungen über die Migrationspolitik. Die EU-Kommission war Partnerin in diesem Unterfangen. Das Ergebnis war 2013 ein Bericht Namens „The Business Case for Migration“(Warum Migration gut fürs Geschäft ist).

In der Einleitung wird klargestellt, dass es um die Beinflussung der UN-Agenda zur Migration geht:

„Diese Publikation soll dazu dienen, die Debatte zwischen Nationen und mit der Zivilgesellschaft währende des High-Level Dialogs über Migration und Entwicklung der Vereinten Nationen zu befruchten und zu stimulieren.“

Darin werben die Vertreter der Multis und der ihnen nahen Stiftungen der Megareichen für mehr globale Migration und beschreiben, wie man Politiker und Gesellschaften entsprechend einzunorden gedenkt. Schon dieser allererste Text der Konzernlobby zur Migrationspolitik ähnelt dem, was im nun vereinbarten UN Migrationsabkommen steht. Man ist nur hier und da deutlicher in der Ausdrucksweise.

Die Ähnlichkeit ist kein Zufall. Im Oktober 2013 veranstaltete die UN einen High Level Dialog on Migration  unter dem Motto: „Making Migration Work for All“. Das ist das gleiche Motto, das der Generalsekretär der UN-Vollversammlung vier Jahre später, 2017, für seinen Bericht zur Vorbereitung des UN-Migrationspakts wählte. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) der UN war aufgefordert worden, diesen High Level Dialog der UN vorzubereiten. Die IOM ist im Global Agenda Council on Migration des Weltwirtschaftsforums vertreten (wie auch Repräsentanten von EU-Kommission und der Weltbank).

Ihre Empfehlungen lieferte die IOM im Februar 2013 ab, unmittelbar nach dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums, und nicht ohne Konsultation mit diesem. Die beiden ersten Empfehlungen waren, (1) die öffentliche Wahrnehmung und Diskussion dahingehend zu drehen, dass Zuwanderung für Zielländer kein Problem, sondern ein Gewinn ist, und (2) Migration in die Entwicklungsplanung einzubeziehen.

Wenn man die Einlassungen der Konzernlobbyisten zum Thema Migration liest, versteht man etwas besser, was das Migrationsabkommen mit seiner ziemlich wolkigen Sprache eigentlich bezweckt:

Von der Website des GFMD Business Mechanism:

„Ein übergreifendes Ziel befeuert unser Engagement: Ein regulatorisches Umfeld, in dem Arbeitsmigration den Unternehmen hilft.“

GFMD Business Mechanism 2017: Mexico Statement:

„Wir ermutigen Regierungen, reguläre Wege für Migration und Mobilität zu schaffen. Unser Ziel ist ein regulatorisches Umfeld, in dem Arbeitsmigrationspolitik den Unternehmen hilft. Wir wollen ein Gleichgewicht zwischen den Qualifikationsanforderungen und der Verfügbarkeit relevanter Qualifikationen erreichen.“

Informelles Multi-Stakeholder Hearing für das Migrationsabkommen, 2017. Statement von Stephanie Winet für den GFMD Business Mechanism:

„In Herkunftsländern ist der Wunsch nach einem besseren Leben durch größere wirtschaftliche Chancen ein starker Anreiz [zu wandern N.H.]. Die gegenwärtige Realität demonstriert (…) die Inkonsistenz von Förderung des internationalen Handels, nicht aber der entsprechenden Mobilität des Humankapitals. Das Migrationsabkommen wird versuchen das zu verbreitern, indem Kanäle für Arbeitsmobilität geschaffen werden. (…) Unternehmen verlieren Gelegenheiten, wenn es keine klaren Wege gibt, Arbeiter aus anderen Ländern anzuheuern. Das Wichtigste ist, dass Mitgliedsstaaten Wanderungsprogramme auflegen, die es Zielländern ermöglichen, Wanderarbeiter aufzunehmen, wenn sie im Arbeitsmarkt gebraucht werden.“

Weltwirtschaftsforum: “The Business Case for Migration” 2013 (teils sinngemäß zusammengefasst):

  • Das Weltwirtschaftsforum hat eine öffentlich-private Koalition zur Förderung der Migration gebildet.
  • Politische Parteien, die Zuwanderung zu begrenzen und zu kontrollieren versprechen, sind ein Problem. Sie schaden der Wirtschaft.
  • Migration sollte man heute nicht mehr als eine Beziehung zwischen Individuum und Staat verstehen, sondern als Beziehung zwischen Individuum und Arbeitgeber, vermittelt über den Staat.
  • Staat und Zivilgesellschaft sollen in Partnerschaft mit der Privatwirtschaft (sinngemäß) eine Willkommenskultur etablieren.
  • „ Auf verschiedene Weisen sind Wanderarbeiter aus dem ganzen Fähigkeitsspektrum wichtige Treibkräfte für Wirtschaftswachstum und Entwicklung.“
  • „Es braucht bessere Mechanismen um das globale Angebot an Arbeit mit der globalen Nachfrage in Einklang zu bringen.“

Weiß man, wie das UN-Migrationsabkommen entstanden ist, wundert man sich nicht mehr so sehr über den Inhalt.

[21.7.2018]

Nachtrag (In Reaktion auf Tweet- und Mailkommentare): Wer in Zusammenhang mit der Migrationsdebatte von „linker Meinungsdiktatur“ oder Ähnlichem spricht, ist herzlich eingeladen zu hinterfragen, ob man wirklich plausibel davon ausgehen kann, dass Organisationen wie die Internationale Arbeitgeberorganisation und das Weltwirtschaftsforum mit derartigem Eifer ein „linkes“ Projekt vorantreiben.

Kleines Dossier:

Teil I: Wozu sich Deutschland mit dem UN-Migrationsabkommen wirklich verpflichtet

Rolle der Medien: Nach Jakob Augstein jetzt auch Rainer Hank: Sozialstaat ist voll Nazi

Weltwirtschaftsforum: Warum Migration gut fürs Geschäft ist: Das Weltwirtschaftsforum und die Willkommenskultur

Ein Microsoft-Mann zur Migration: Politico veröffentlicht Plädoyer für Wiedereinführung der Sklaverei

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