Warum Migration gut fürs Geschäft ist: Das Weltwirtschaftsforum und die Willkommenskultur

5. 03. 2018 | Kürzlich stieß ich auf ein sehr bemerkenswertes Papier des Weltwirtschaftsforums. Darin wirbt die Großkonzernlobby unter skandalöser Mitwirkung der EU-Kommission für mehr globale Migration und beschreibt, wie sie Politiker und Gesellschaften entsprechend einzunorden gedenkt.

Hier sind einige der Aussagen aus der Publikation „The Business Case for Migration“. (Warum Migration gut fürs Geschäft ist), die der Global Agenda Council on Migration des Weltwirtschaftsforums nach zwei Jahren Beratung – untereinander, mit Regierungen und mit der sogenannten Zivilgesellschaft – 2013 veröffentlichte:

  • Migration ist gut fürs Geschäft.
  • Politische Parteien, die Zuwanderung zu begrenzen und zu kontrollieren versprechen, sind ein Problem. Sie schaden der Wirtschaft.
  • Entwicklungsagenturen fördern Migration.
  • Unternehmen halten sich bei dem Thema zurück, weil sie Angst haben, mit Werbung für Zuwanderung den Groll der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen.
  • Migration sollte man heute nicht mehr als eine Beziehung zwischen Individuum und Staat verstehen, sondern als Beziehung zwischen Individuum und Arbeitgeber, vermittelt über den Staat.
  • Das Weltwirtschaftsforum hat eine öffentlich-private Koalition zur Förderung der Migration gebildet.
  • Staat und Zivilgesellschaft sollen in Partnerschaft mit der Privatwirtschaft (sinngemäß) eine Willkommenskultur etablieren.

Das Thema ist sensibel. Das sah das Forum schon damals so. Heute ist es noch sensibMigration ist gut fürs Geschäft.
Politische Parteien, die Zuwanderung zu begrenzen und zu kontrollieren versprechen, sind ein Problem. Sie schaden der Wirtschaft.
Entwicklungsagenturen fördern Migration.
Unternehmen halten sich bei dem Thema zurück, weil sie Angst haben, mit Werbung für Zuwanderung den Groll der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen.
Migration sollte man heute nicht mehr als eine Beziehung zwischen Individuum und Staat verstehen, sondern als Beziehung zwischen Individuum und Arbeitgeber, vermittelt über den Staat.
Das Weltwirtschaftsforum hat eine öffentlich-private Koalition zur Förderung der Migration gebildet.
Staat und Zivilgesellschaft sollen in Partnerschaft mit der Privatwirtschaft (sinngemäß) eine Willkommenskultur etablieren.ler geworden, denn seither hat die Migration tatsächlich massiv zugenommen, was in Teilen der Bevölkerungen und Teilen der EU begrüßt wurde, in anderen zu beträchtlichem Unmut geführt hat. 2011, als das Migrations-Projekt des Clubs der großen internationalen Konzerne und der Multimilliardäre begann, wanderten zum Beispiel eine Million Menschen nach Deutschland ein. In den Jahren danach bis 2015 nahm diese Zahl um zwei Mal 13 Prozent, 19 Prozent und 46 Prozent auf 2,1 Millionen zu. Weil das Thema starke Emotionen hervorruft, ist es wichtig, keine aus dem Zusammenhang gerissenen Äußerungen verzerrt und effekthascherisch einzusetzen. Daher will ich im Folgenden die Kernpassagen aus der Einführung und den Schlussfolgerungen der besagten Publikation am Stück, in meiner vielleicht unvollkommenen Übersetzung, präsentieren. Weil es erklärter Maßen darum ging, den High-Level Dialog der Vereinten Nationen zur Migration im Oktober 2013 zu beeinflussen, will ich danach auch (unkommentiert) berichten, was dort geschah. Anhänger der Willkommenskultur, Anhänger der Grenzsicherung und diejenigen in der Mitte, so es sie geben sollte, mögen ihre eigenen Schlüsse ziehen. (Fettungen im Text von mir)

„Einleitung: Die privatwirtschaftlichen Argumente für Migration

Khalid Koser, Stellv. Direktor, Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik, Vorsitzender des Global Agenda Council on Migration des Weltwirtschaftsforums.

Die Publikation, die sie in den Händen halten, ist das Ergebnis von zwei Jahren Diskussion und Forschung von einer Gruppe von Menschen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Migrationspolitik weltweit zu verbessern. Sie soll dazu dienen, die Debatte zwischen Nationen und mit der Zivilgesellschaft währende des High-Level Dialogs über Migration und Entwicklung der Vereinten Nationen zu befruchten und zu stimulieren. Dieser stellt einen wichtigen Meilenstein auf diesem Feld dar.

(Punkte 1 und 2 zu Migrationsstatistiken hier ausgelassen) Drittens ist internationale Migration ein wahrhaft globales Phänomen. 2010 lebten etwa 74 Millionen internationale Migranten aus dem Süden im Norden. Das sind mehr als die internationalen Migranten aus dem Süden, die im Süden leben (73 Millionen)

Schließlich repräsentieren Migranten ein breites Spektrum von Ausbildungs- und Fähigkeitsnvieaus, von ungelernter Arbeit bis zu hochqualifizierten Arbeitskräften. Auf verschiedene Weisen sind Wanderarbeiter aus dem ganzen Fähigkeitspektrum wichtige Treibkräfte für Wirtschaftswachstum und Entwicklung auf der ganzen Welt geworden.

Auf nationaler, regionaler und globaler Ebene werden die Migrationspolitiken immer inkonsistenter und widersprüchlicher. Auf der einen Seite akzeptieren die meisten Experten, dass Migration zunehmen wird, weil es mächtige globale Kräfte in dieser Richtung gibt: Unterschiede in Art und Ausmaß von Entwicklung, Demographie, Demokratie; die Anziehung durch segmentierte Arbeitsmärkte: Revolutionen im Zugang zu Information und Transport, die Dynamik der Migrationsbranche; und künftig noch die Auswirkungen des Klimawandels. Andererseits machen auf der ganzen Welt –von Australien bis Zimbabwe – politische Parteien Wahlversprechen, die Zuwanderung zu begrenzen und zu kontrollieren.

Politische Positionen zur Zuwanderung widersprechen auch den wirtschaftlichen Realitäten – es ist klar erwiesen, dass gut-gemanagte Zuwanderung zum Wirtschaftswachstum beitragen kann, dass sie Arbeitsplätze und Innovation hervorbringt, die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und hilft, den Auswirkungen der Alterung und des Bevölkerungsrückgangs zu begegnen. Mit anderen Worten, immer mehr Länder brauchen Zuwanderung. Aber immer weniger sind bereit, diese zuzulassen.

Ein Mangel an Führung in Sachen Migration kann auch dazu führen, dass öffentliche Fehleinschätzungen befördert werden, was zu Fremdenfeindlichkeit und möglicherweise zu Gewalt in einer Reihe von Ländern führen kann. Während einige wenige Migranten vielleicht tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstellen, Verbrechen begehen oder gar die nationale Sicherheit gefährden, bezahlt die übergroße Mehrheit Steuern, schafft Arbeitsplätze und trägt zur Vielfalt der Gesellschaften rund um die Welt bei.

Sich verhärtende Einstellungen gegenüber Zuwanderern in Zielländern könnten außerdem Spannungen mit den Herkunftsländern verstärken, für die die Migration ihrer Bürger wichtig ist, als Ventil für Druck auf den Arbeitsmarkt und um zum Wirtschaftswachstum beizutragen, zum Beispiel durch Heimüberweisungen, Investitionen aus der Diaspora und der Rückkehr von Migranten mit neuen Fähigkeiten. Es braucht bessere Mechanismen um das globale Angebot an Arbeit mit der globalen Nachfrage in Einklang zu bringen.

Schließlich haben sich sogar in den Zielländern Widersprüche aufgetan. Entwicklungsagenturen fördern Migration als wichtige Quelle für Wirtschaftswachstum in armen Ländern, während Innenminister sich auf Grenzkontrollen und Zuwanderungsbeschränkungen konzentrieren Der Konflikt zwischen Regierungen und Zivilgesellschaft rund um die Sorge für die Rechte der Migranten und Maßnahmen zur Förderung der Integration nimmt zu. Es ist sehr bedeutsam in diesem Zusammenhang, dass der Privatsektor sich oft an den Konsultationen zur Migrationspolitik nicht beteiligt hat.

2005 hat die Internationale Organisation für Migration (IOM) ein Business Advisory Board eingerichtet; ein runder Tisch, um mit dem Privatsektor zu beraten wurde 2013 organisiert, als Teil einer umfassenden Konsultation über die Rolle der Bevölkerungsdynamiken im Nach-2015-Entwicklungsrahmen; und eine Serie von Konsultationen sind gegenwärtig als Teil des Globalen Forums über Migration und Entwicklung (GFMD) geplant, den die schwedische Regierung 2014 ausrichtet.

Es hat sich oft als schwierig herausgestellt, den Privatsektor effektiv in die Migrationsdebatte einzubeziehen. Dafür wurden eine Reihe von Gründen vorgebracht, darunter die Sorge der Unternehmensführer, dass sie den Zorn der Bevölkerung auf sich ziehen, wenn sie sich für Migration aussprechen, dass ihnen vielleicht auch der Einfluss auf die Politik fehlt, und dass Politiker nicht gewillt sein könnten, ihren Empfehlungen nachzukommen, insbesondere, wenn diese beinhalten, die Dämme gegenüber der Migration abzusenken. Ein anderes Hindernis könnten unterschiedliche Zeithorizonte der Entscheidungsfindung und unterschiedliche Rechenschaftserfordernisse zwischen Politikern und Unternehmen sein.

Der Global Agenda Council zur Migration [des Weltwirtschaftsforums] stellt eine Anstrengung dar, systematischere und effektivere Konsultation mit dem Privatsektor zu internationaler Migration und Migrationspolitik zu ermöglichen. Einer seiner Vorzüge ist die Zusammensetzung: der Rat bringt hochrangige Vertreter des Privatsektors aus einer breiten Palette von Unternehmen, hochrangige Regierungsvertreter und Mitglieder der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der internationalen Gemeinschaft zusammen. Als einer von 86 Räten des Weltwirtschaftsforums (…) hat dieser Rat die Gelegenheit, Synergien zu relevanten politischen Themen über eine große Bandbreite globaler Kontexte und identifizieren und zu entwickeln. Schließlich ist der Global Agenda Council im Gegensatz zu den meisten anderen Konsultationsmechanismen ein laufender Prozess – er trifft sich physisch einmal im Jahr, unterhält aber einen konstanten virtuellen Austausch.

Warum Migration gut fürs Geschäft ist (The Business Case for Migration): Aufbauend auf seinen komparativen Vorteil hat der Rat 2011 begonnen, die Vorteile der Migration für Unternehmen zu erkunden. Dabei stützte man sich auf Erfahrungen von Branchen, die von der Informations- und Kommunikationstechnologie bis zu Medien und Rohstoffwirtschaft reichen. Die Publikation, die sich daraus entwickelte, zeigt, wie die Anerkennung und Wertschätzung der Fähigkeiten von Migranten direkt zum Wirtschaftswachstum in den Ländern, in die sie zum Arbeiten ziehen, beitragen kann, und auch in ihren Heimatländern, wenn sie zurückkehren. Sie zeigt, wie Einwanderung direkt die Wettbewerbsfähigkeit erhöht, egal ob in Sub-Sahara-Afrika oder in den Vereinigten Staaten. Sie illustriert auch den enormen Markt, der von Migranten als Konsumenten geschaffen wird, ein Potential, das oft nicht genutzt wird.

Schlussfolgerungen (ohne Autor)

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass gut gemanagte Migrationspolitik zum nationalen, regionalen und globalen Wirtschaftswachstum beitragen kann. Migranten an beiden Extremen des Fähigkeitenspektrums können eine Rolle spielen – indem sie die Arbeit tun, die Einheimische nicht tun wollen (sogar in einer Rezession) und indem sie die Arbeit tun, die Einheimische mangels Fähigkeiten nicht tun können.

Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, von der die meisten modernen Volkswirtschaften abhängen, kann durch Migranten und Migration eindeutig verbessert werden. Restriktive und unflexible Politiken der Regierungen bringen die Unternehmen in Gefahr, im globalen Wettbewerb um knappe Fähigkeiten zu unterliegen und können ihre allgemeine Wettbewerbsfähigkeit untergraben. Außerdem sind Migranten ein großes Geschäft (Big Business) – sowohl als Unternehmer, die Arbeitsplätze schaffen, als auch als Konsumenten, die Nachfrage schaffen.

Aber der Wert dieser Publikation liegt nicht nur darin, die Argumente zu entwickeln, warum Migration gut fürs Geschäft ist. Sie betont auch die Wichtigkeit, mit dem Privatsektor in Sachen Migrationspolitik zusammenzuarbeiten. Migration wurde früher verstanden als eine Beziehung zwischen einem Individuum und dem Staat. Heute versteht man sie besser als Beziehung zwischen einem Individuum und einem Arbeitgeber, vermittelt über den Staat. Der Privatsektor beschäftigt Migranten in Unternehmen (und beutet sie vielleicht aus)[Klammerzusatz im Original! Siehe dazu auch den Beitrag eines Microsoft-Forschers zur großangelegten Nutzung und Förderung von Schuldknechtschaft für Arbeitsmigranten]; er fördert globale Migration innerhalb von Konzernen; er bildet Migranten aus; kauft von Migranten und verkauft an sie; und er versteht Migranten als Arbeiter und Konsumenten besser als jeder andere Akteur in der Volkswirtschaft. Das soll nicht heißen, dass der Privatsektor die nationale Migrationspolitik bestimmen sollte, oder auch nur eine wichtiger Stimme als andere Betroffene, wie etwa die Zivilgesellschaft, haben sollte, aber er sollte sicherlich konsultiert werden.

Der Global Agenda Council des Weltwirtschaftsforums stellt einen Mikrokosmos dafür dar, wie eine Koalition zur Förderung der Migration gebildet werden kann. Der Privatsektor hat ein Interesse daran, auf Talente aus der ganzen Welt zuzugreifen und neue Märkte zu entwickeln. Regierungen müssen, im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und des Wirtschaftswachstums, den Ton der Debatte verändern und sich für Migration einsetzen. Die Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft, als Wächter über anständige Arbeitsbedingungen und die Rechte der Migranten, müssen sich als Partner des Privatsektors sehen. Diese Parteien, neben den Migranten selbst, für eine ehrliche und objektive Debatte zusammenzubringen, ist ungemein wichtig, um eine effektive Migrationspolitik zu etablieren.“

Fortsetzung … (Mitglieder des Rats und mehr zum  UN-High Level Dialog zur Migration)

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