Es tut gut, hin und wieder auch gute Nachrichten gehäuft verkünden zu können. Nach dem Urteil zum Recht auf ein Sparkassenkonto nun die Nachricht, dass die Bahn auch bei den Sparpreistickets Menschen nicht diskriminieren darf, die nicht online sind oder keine digitale Datenspur hinter sich herziehen wollen. Nachdem die Bahn schon vor einigen Monaten ihr diskriminierendes Vorhaben aufgeben musste, die Bahncard nur noch für Smartphone-Inhaber und Nutzer der Datenkraken-App der Bahn verfügbar zu machen, und kürzlich das nicht minder diskriminierende Vorhaben, gedruckte Ankunftspläne an Bahnhöfen durch QR-Codes für Smartphones zu ersetzen, musste sie nun auch bei den Sparpreisen einlenken.
Seit einem Jahr gibt es Sparpreise nicht mehr (anonym) am Automaten zu kaufen. Kauft man sie im Reisezentrum, muss man eine Mobilnummer oder eine E-Mailadresse angeben. Dagegen ist nach sehr vielen Beschwerden der hessische Datenschutzbeauftragte vorgegangen und hat die Bahn zum Einlenken gebracht. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa sagte ein Bahnsprecher: „Wir werden unseren Verkaufsprozess für Sparpreistickets im Reisezentrum und DB Agenturen zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember ändern.“ Ab dann werde es möglich sein, beim Ticketkauf auf die Angabe einer Mailadresse zu verzichten.
Bahn-Aufseher der FDP und der Grünen bloßgestellt
Es lohnt sich, daran zu erinnern, mit welchen Falschbehauptungen maßgebliche Politiker abgewiegelt haben, als ich das Thema aufbrachte und skandalisierte.
Stefan Gelbhaar, grüner Abgeordneter und Bahn-Aufsichtsrat schrieb:
„Eine analoge Alternative in Form eines Ausdrucks auf Papier gibt es auch beim Kauf eines Sparpreises als digitales Ticket im Reisezentrum. Die Kund:innen der DB erhalten auf Wunsch eine ausgedruckte Fahrkarte, die im Zug anerkannt wird. Weder Smartphone noch E-Mail-Adresse sind erforderlich.“
Bernd Reuther, ebenfalls Bahnaufseher und Abgeordneter der FDP, wiegelte gleichermaßen irreführend ab, indem er schrieb:
„(Es ist) laut Vertretern der Deutschen Bahn auch weiterhin möglich, Spartickets bzw. Online-Tickets im Reisezentrum zu kaufen und sich diese dann vor Ort auf Papier ausdrucken zu lassen. Dafür ist kein Smartphone und keine E-Mail-Adresse erforderlich.“
Dagegen war es zur gleichen Zeit für mich als bahnfernen Zeitgenossen und andere, wie die grüne Wirtschafts-Staatssekretärin Anja Hajduk, kein Problem, die Wahrheit herauszufinden, auch von der Bahn, die auf Anfrage schrieb:
„Bei der Buchung von (Super) Sparpreis-Tickets in unseren Reisezentren ist die Angabe einer E-Mail-Adresse erforderlich, hier erhalten Sie auf Wunsch auch einen Papierausdruck des Tickets.“
Man kann kaum anders als zu schließen, dass Gelbhaar und Reuther Komplizen von Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing sind bei dessen erklärter Agenda, die Digitalisierung zwangsweise voranzubringen, indem er den Bürgern analoge Alternativen wegnimmt.
Medienversagen wird offenbar
Der Vorgang offenbart auch ein Versagen, vielleicht auch Komplizenschaft, der etablierten Medien in der Behandlung der Digitalzwangsagenda. Diese interessierten sich praktisch nicht für die skandalösen Vorhaben des Digitalministers und der Bahn, mit denen millionenfach alte und datenschutzaffine Menschen diskriminiert werden sollten und noch werden. Nachdem ich das Thema im September 2023 und verstärkt in einer Artikelreihe ab Februar 2024 aufgebracht hatte, dauerte es mangels Berichterstattung der etablierten Medien noch Monate, bis die Interessenvertretungen der Behinderten, Alten, Verbraucher und anderen Gruppen gemeinsam und öffentlich gegen die Bahn-Pläne protestierten. Dass es sich durchaus um ein wichtiges Thema handelt, ist durch die Rückzieher der Bahn offenbar geworden.
Es gibt noch eine große Baustelle
Auf Vorgabe des zwangsaffinen Digitalministers Wissing gibt es das Deutschlandticket bei vielen Verkehrsunternehmen und -verbünden, die es vertreiben, einschließlich der Deutschen Bahn, nur noch für die Smartphone-App. Nur bei manchen ist auch eine Plastik-Karte im Angebot. Das hat für Kunden ohne Smartphone, die nicht herausfinden, wo sie eine Plastikkarte bekommen können, zur Folge, dass sie von dem steuerfinanzierten Angebot ausgeschlossen werden. Studenten, deren mit den Semesterbeiträgen bezahltes Semesterticket auf Basis des Deutschlandtickets ausgestellt wird, haben gar keine Alternative und brauchen ein hinreichend modernes Smartphone. Derselbe Smartphone-Zwang trifft sogar Kinder bei der Schülerbeförderung.
Hier tut weiter Druck auf die Bahn und vor allem auf die Regierung not, um diesen Datenmissbrauchs- und Diskriminierungs-Skandal abzustellen. Da Minister Wissing aus der FDP ausgetreten ist, um von Olaf Scholzens Gnaden Digitalminister bleiben zu können, ist der Hauptverantwortliche und damit der richtige Adressat für Kritik inzwischen der Bundeskanzler von der SPD geworden, und natürlich seine Partei. Neben der FDP haben sich aber auch das grün-geführte Wirtschaftsministerium und grüne Politiker als eifrige Förderer der Digitalzwangsagenda hervorgetan.
Die Zwangsdigitalsierung über die staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen wie Bahn und DHL findet ja nicht im luftleeren Raum statt. Die Bundesregierung unter Scholz hat eine Digitalstrategie beschlossen, in der Freiwilligkeit keine und Datenschutz fast keine Rolle spielen. Auch einen Globalen Digitalpakt, den man getrost als Digitalzwangspakt bezeichnen kann, hat diese Regierung jüngst mit beschlossen.
Für diejenigen, die die Mühe scheuen, Druck auf die Abgeordneten zu machen, die darauf hoffen, im Februar ihre Mandate nicht zu verlieren, ist eine einfache und vielleicht auch wirkungsvolle Maßnahme, die Petition von Digitalcourage für ein Recht auf analoges Leben zu unterzeichnen. Der Schweizer Kanton Neuenburg hat dieses Recht vor kurzem in seine Verfassung geschrieben.
Dass Protest und Widerstand helfen, haben wird ja gerade wieder gesehen.
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Meine wichtigsten Beiträge zum Digitalzwang