„Richtigstellung!“ von Michael Ballweg

3. 01. 2204 | Michael Ballweg hat Querdenken 711 gegründet und damit eine deutschlandweite außerparlamentarische Opposition ins Leben gerufen. Er saß neun Monate aufgrund wechselnder Vorwürfe in Untersuchungshaft. Im Gespräch mit Mathias Bröckers erzählen er und sein Rechtsbeistand und Mitstreiter Ralf Ludwig, was ihn aus seiner apolitischen Haltung holte, wofür er eintritt und wie es ihm mit der Staatsmacht erging. Das Buch ist ein wichtiges, kurzweiliges und schockierendes Zeitdokument. Ballwegs konstruktive Haltung zur Digitalisierung hat mich zum Widerspruch gereizt.

Michael Ballweg, Ralf Ludwig: „Richtigstellung! Es war noch nie falsch, quer zu denken!“. TigerPress. 187 S. 24€

Der erfolgreiche IT-Unternehmer Michael Ballweg sagt von sich, dass er schon immer ein unangepasster Querdenker war, allerdings eher unpolitisch und zu schüchtern, um ein Anführer zu sein. Von großen Unternehmen wurde er dafür bezahlt, quer zu denken, als das noch ein positiv besetzter Begriff war. Dann kam der Virus und die Regierungen machten sich sofort mit Eifer daran, drastische Einschränkungen der Grundrechte zu verfügen.

Da nahm der Geschäftsmann, der bis dahin noch nie auf einer Demonstration gewesen war, sein Geld und sein IT-Know-How, gründete Querdenken 711, organisierte riesige Demonstrationen und half bei der Gründung und Vernetzung weiterer lokaler Querdenken-Gruppen.

Ballweg und die Bewegung, die er gegründet hatte, spielten Katz und Maus mit der Staatsmacht, trieben sie zu immer absurderen Maßnahmen und Begründungen, um die Proteste einzuhegen. In seiner schwäbischen Heimatregion ging das sogar so weit, dass den „Spaziergängern“ per Allgemeinverfügung der Einsatz von Waffengewalt angedroht wurde.

Drohung mit Waffengewalt scheint eine (verbreitete) schwäbische Spezialität zu sein
4. 02. 2022 | Ostfildern und Ulm mussten klarstellen, dass sie entgegen der Androhungen in ihren Allgemeinverfügungen nicht mit Waffengewalt gegen Spaziergänger und Unmaskierte vorgehen wollen. Weitere württembergische Städte, darunter Stuttgart, lassen ihre Drohungen bisher unkorrigiert. Stichproben in badischen und anderen deutschen Städten zeigen, dass es auch ein bisschen anders oder ganz anders geht.

Diese Demaskierung staatlicher Willkür war ein wichtiges Ziel der Bewegung, schreibt Ballweg in dem Buch.

Wenn man weiß, wie sehr Querdenker zu einem Schimpfwort geworden ist, glaubt man kaum, wie harmlos sich das Manifest liest, das Ballweg und seine Mitstreiter zur Bedingung für die Nutzung der Marke Querdenken machten. Dort heißt es:

„Grundrechte sind nicht verhandelbar. Wir sind eine friedliche Bewegung, in der Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut keinen Platz hat. Die Idee und Ideale von Querdenken sind: Wir reden mit allen, die friedlich und gewaltfrei agieren, egal wie sie von Dritten bezeichnet werden. Wir eröffnen einen freien und demokratischen Debattenraum. Wir stehen für Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Wir fordern: 1. Die sofortige Aufhebung der Einschränkungen der Grundrechte durch die Corona-Verordnung, 2. Volksabstimmungen auf Bundesebene, 3. Verfassungsänderungen nur mit Zustimmung der Bevölkerung.“

Viel mehr steht da nicht.

Mit seinen Aktivitäten hat es Ballweg zu so etwas wie Staatsfeind Nr. 1 geschafft. Im Juni 2022 wurde er mit fingierten und wechselnden Vorwürfen für neun Monate im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim weggesperrt. Von Spendenbetrug änderte die Staatsanwaltschaft den Vorwurf in Etappen bis hin zum untauglichen Versuch des Spendenbetrugs. Die Konstruktion des Vorwurfs ist Ballweg und seinem Anwalt zufolge so absurd, dass man sich kaum traut, ihn wiederzugeben. Es geht etwa so: Ballweg habe irrtümlich angenommen, dass die ihm zugeflossenen Schenkungen zweckgebunden seien und habe versucht, diese in Wahrheit gar nicht existierende Zweckbindung zu umgehen. Er wollte also Spendenbetrug begehen, konnte es aber nicht, weil er mit dem Geld rechtlich gesehen machen durfte, was er wollte.

Ein Steuerstrafverfahren wurde während seiner Haftzeit noch draufgesattelt, unter anderem, weil der nur mit Bleistift und Papier in Haft sitzende Ballweg einen Termin für die Steuererklärung seiner Firmen verpasste. Das Finanzamt habe das Verfahren bereits eingestellt gehabt, und es nur auf Drängen der Staatsanwaltschaft wieder aufgenommen, liest man im Buch.

Ballweg und Ludwig berichten, sie seien vor allem deshalb durch alle Instanzen gegangen und hätten sich nicht auf einen Deal mit Schuldeingeständnis und Freilassung eingelassen, um diesen Justizskandal im Detail aktenkundig zu machen.

Erst im April 2023 wurde die Untersuchungshaft vom Gericht aufgehoben, trotz des schon länger zur Petitesse herabgestuften Vorwurfs. Im Oktober 2023 lehnt das Landgericht eine Verfahrenseröffnung wegen nicht hinreichenden Tatverdachts ab und blamierte damit die Staatsanwaltschaft bis auf die Knochen. Eigentlich, denn wenn die Medien das nicht so schreiben, dann wird es auch nicht so wahrgenommen.

Ballwegs Haupt-Verteidiger, der Stuttgarter CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler kritisierte in einer Pressemitteilung das Verhalten der Staatsanwaltschaft scharf und kündigte eine Beschwerde beim Justizministerium an. Er folgerte aus der gerichtlichen Ablehnung einer Verfahrenseröffnung, dass ein Haftbefehl niemals hätte ausgestellt, geschweige denn neun Monate aufrecht erhalten werden dürfen. Im Buch wird er noch deftiger mit einem Vergleich mit Nordkorea zitiert. Man sieht: nicht nur Querdenkern gibt zu denken, wie sich hier die Justiz gegen einen Regierungsgegner hat einspannen lassen.

Das Buch ist vermutlich keine objektive Erzählung. Es mag schöngefärbt und unvollständig sein. Wer die Sicht von Ballwegs Gegnern fast unverdünnt lesen will, braucht nur bei Wikipedia nachzuschauen. Schon bei flüchtigem Lesen fällt auf, dass in dem Beitrag über Ballweg, der wie alle Beiträge über wichtige Personen von den Wikipedia-Moderatoren genau beobachtet und kontrolliert wird, voller ehrenrühriger Vorwürfe ist, die gar nicht oder nur summarisch mit sehr einseitigen Berichten und Meinungen aus einschlägigen Medien belegt werden, wie den Belltower News der Amadeu-Antonio-Stiftung der Ex-Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane.

Ballweg scheint sich getreu seinem erklärten Motto, mit allen zu reden, auch mit einigen entweder abgedrehten oder unappetitlichen Leuten getroffen zu haben. Mindestens von einigen hat er sich danach öffentlich distanziert. Ich bin überfordert, nachzuvollziehen, was an all den oft schlecht belegten Vorwürfen dran ist. Wegen dieser Schwierigkeit ist es um so wichtiger, für alle, die sich eine eigene Meinung über Ballweg und Querdenken bilden wollen, seine Sicht der Dinge auch wahrzunehmen. In den etablierten Medien oder bei Wikipedia findet man davon so gut wie nichts.

Jetzt ist diese Buchbesprechung doch deutlich über die Kurzrezension hinausgewachsen, die ich im Sinn hatte. Weil mein Einspruch und die Gegenrede von Michael Ballweg auch nicht kurz sind, gibt es diese morgen in einem zweiten Teil.

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