Auf Twitter schrieb Christian Lindern am 7. November:
„Die Einführung eines digitalen Euro sollten wir für einen großen Innovationssprung nutzen: Digitales Bargeld kann unseren Alltag leichter machen & ein Wachstumsmotor für die Wirtschaft sein. Ein Selbstläufer ist das aber nicht, wie ich eben in Brüssel deutlich gemacht habe.“
Zu welchem Anlass er in Brüssel war und das sagte, schrieb er nicht. Es war die Digital Euro Conference organisiert von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank.
Hinweis: Letztere Information habe ich am 9.11. nachgetragen.
Die Europäische Zentralbank arbeitet an der Einführung eines digitalen Euro. Im Unterschied zu digitalem Geschäftsbankengeld – unseren Guthaben bei der Bank -, die rechtlich nur Ansprüche auf Auszahlung von echten (Barged-)Euro darstellen, wäre ein digitaler Euro Geld, das wie Bargeld von der Zentralbank ausgegeben wird. Man hätte ihn entweder auf einem Konto bei der Zentralbank, oder – wahrscheinlicher – auf einem Treuhandkonto bei einer Geschäftsbank. Anders als normale Bankguthaben wäre das keine bloße Verbindlichkeit der Bank uns gegenüber, sondern ein Treuhandvermögen, ähnlich wie Aktien in einem Bankdepot.
Der FDP-Chef weiter:
„Zum einen wird digitales Cash nur dann in der Breite als Ergänzung oder gleichwertiger Ersatz für Scheine und Münzen akzeptiert werden, wenn die Privatsphäre geschützt ist. Personen- und Transaktionsdaten bei alltäglichen Transaktionen dürfen also nicht gespeichert werden. Die Bekämpfung von Geldwäsche sollte risikoorientiert erfolgen, aber nicht mit Generalverdacht in der Breite.“
Ersatz für Bargeld
Man beachte: Lindner kann sich digitales Zentralbankgeld als „gleichwertiger Ersatz“ für Bargeld vorstellen und würde das akzeptieren. So viel zum Thema: Digitales Zentralbankgeld soll Bargeld nur ergänzen, nicht ersetzen, wie uns Europäische Zentralbank und EU-Kommission immer wieder, wenig glaubwürdig, versichern.
Wie ich verschiedentlich dargelegt habe, deutet sehr vieles darauf hin, dass sich die Bargeldbeseitigung mit Einführung eines digitalen Euro stark beschleunigen würde, und dass das durchaus beabsichtigt ist.
Geschützte Privatsphäre
Die Privatsphäre müsse geschützt sein, schrieb Lindner treuherzig, als wäre er nicht Finanzminister und wisse von nichts. Der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, bei der die Pläne der Zentralbanken koordiniert werden, Augustin Carstens, hat nicht nur deutlich gemacht, dass es nach Einführung von digitalem Zentralbankgeld kein Bargeld mehr geben soll, sondern auch, dass man genau überwachen könne und wolle (Youtube), wer was mit dem Geld macht, und dass man auch bestimmen könne, wer etwas damit bezahlen kann.
Auch Vertreter der Europäischen Zentralbank haben in Reden und Berichten darauf verwiesen, dass die seit langem etablierten Regeln für die Vermeidung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung kaum nennenswerte Freiräume für die Bewahrung von finanzieller Privatsphäre lassen. Die EU-Kommission hat mit Komplizenschaft der Regierungen und Abnicken des Parlaments die Möglichkeiten im Internet, wenigstens kleinere Beträge ohne Nachverfolgung zu bezahlen, zum Beispiel mit anonymen Bezahlkarten, fast vollständig beseitigt und Bargeldnutzung immer weiter beschränkt und kriminalisiert.
Lindner kann nicht ernsthaft glauben, dass sein freiheitlich anmutendes Bekenntnis zur Privatsphäre sich als mehr erweist als ein Lippenbekenntnis. Dass alltägliche Transaktionen jenseits von Kleinstbeträgen nicht aufgezeichnet würden, ist völlig illusorisch. Wo Bezahlkarten für digitales Zentralbankgeld in Betracht gezogen werden, da sind Beträge bis 20 Euro im Gespräch, die man damit anonym bezahlen können soll.
Programmierbares Schönes neues Geld
Und schließlich schrieb Lindner auch noch:
„Zum anderen kann „digitales Bargeld“ dann Fortschritt bringen, wenn es programmierbar ist und mit innovativen Anwendungen privater Anbieter verbunden wird. Wenn der digitale Euro also eine Art Plattform darstellt, wird es zum Beispiel viel Startups geben, die zusätzlichen Nutzwert entwickeln, den wir heute noch gar nicht bedenken können. Es muss dafür gelingen, dass Europa einmal technologisch „cutting edge“ ist. CL“
Programmierbarkeit in Zusammenhang mit eindeutiger Identifikation aller Nutzer, an der in der EU parallel gearbeitet wird, macht möglich, wonach sich Augustin Carstens ganz öffentlich die Finger leckt – totale Kontrolle. Eine zentrale Instanz, ob Zentralbank, Regierung, EU-Kommission oder sonstige Behörden, kann entscheiden, wer mit dem digitalen Euro was machen darf.
Was in Australien schon seit Jahren praktiziert wird, dass Sozialhilfeempfänger mit ihrer digitalen Sozialhilfe bestimmte Dinge nicht kaufen können, kann dann auf die ganze Bevölkerung ausgerollt werden. Damit kann man zum Beispiel sehr gut individuelle Obergrenzen für den CO2-Fußabdruck umsetzen, wie sie das Weltwirtschaftsforum propagiert. Initiativen in dieser Richtung gibt es bereits jede Menge.
Auch Vorgaben für eine gesunde Lebensweise lassen sich so sehr schön durchsetzen, eine Richtung, in die Norwegen bereits zu marschieren scheint.
Und das Sanktionsregime, das derzeit vor allem die USA über die ganze dollarnutzende Welt ausbreiten, lässt sich damit beliebig verfeinern. Wer nicht gut tut, der kann nichts mehr bezahlen und mit dem darf niemand mehr Geschäfte machen oder ihnen Geld geben.
Auf seinen Tweet hin erhielt Lindner Unmengen fast nur kritischer Kommentare von seiner freiheitlich gesinnten Leserschaft. Lindner reagierte darauf ein paar Stunden später mit einem weiteren Tweet, in dem er versicherte:
„Es ist keine Rede davon, das #Bargeld abzuschaffen. Im Gegenteil, wir arbeiten daran, dass der geplante digitale Euro in Sachen Privatheit dieselben Eigenschaften hat wie der gedruckte und geprägte Euro. CL“
Dummerweise hatte Lindner sich allerdings auch sehr deutlich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen und diese dann später trotzdem unterstützt. Viele Leser erinnerten sich und ihn in den Kommentaren hieran. Man glaubt ihm Versprechen und gute Vorsätze nicht mehr.
Radiohinweis
Meine Argumente gegen den digitalen Euro und die Argumente von Befürworter Cyrus de la Rubia sind auf Kontrafunk-Kontrovers nachzuhören (Sendung vom 14.11., 55 min).