Bargeldbranche entlarvt Scheinheiligkeit der EZB-Arbeitsgruppe zur Bewahrung des Bargelds

15. 06. 2021 | Die Heuchlei einer von der Europäischen Zentralbank (EZB) geleiteten Arbeitsgruppe zur Bargelderhaltung, die von Banken dominiert wird, welche parallel ihren Krieg gegen das Bargeld fortsetzen, hat der Verband der Bargeldbranche ESTA in einem Bericht offengelegt. Der Bargeld-Verband schickte den Bericht an die besagte Arbeitsgruppe – nachdem er diese kürzlich aus Protest verlassen hatte.

Als Teil ihrer Bargeldstrategie, die der EZB-Rat im vergangenen September stillschweigend verabschiedet und in den Tiefen der EZB-Website versteckt, hat die EZB eine Arbeitsgruppe des European Retail Payments Board (ERPB) (Europäischer Rat für Massenzahlungen) beauftragt, einen Bericht über die Sicherung des Zugangs zu und der Akzeptanz von Bargeld zu erstellen. Das ERPB ist ein von der EZB geleitetes Beratungsgremium. Mitglieder sind Vertreter von Banken und anderen Verbänden, die am Zahlungsverkehr beteiligt sind, sei es als Anbieter, Händler oder Verbraucher.

Diese Gruppe mit der Aufgabe zu betrauen, zum Erhalt des Bargeldes beizutragen – eine Gruppe, deren eigene Definition des Zahlungsverkehrs seltsamerweise Bargeld ausschließt – hat bald zu einem Eklat geführt. ESTA, der Verband der europäischen Bargeldbranche, der als Nicht-Mitglied des EPRB zur Teilnahme an der Arbeitsgruppe eingeladen worden war, zog sich unter Protest daraus zurück.

Nun hat ESTA einen Bericht an die Arbeitsgruppe geschickt, von dem sie sagt, dass er „den ERPB-Bericht in Bereichen sinnvoll ergänzen wird, in die sich die Arbeitsgruppe wahrscheinlich nicht vorwagen wird.“ Ich gebe hier die Zusammenfassung dieses Berichts (leicht gekürzt) wieder, durchsetzt mit einigen Zitaten aus dem Bericht:

ESTA: Bericht an die ERPB-Arbeitsgruppe über Zugang zu und Akzeptanz von Bargeld

10. Juni 2021

Als Mitglied der ERPB-Arbeitsgruppe für ca. 8 Wochen hat ESTA, unterstützt von anderen Organisationen, versucht, Debatten über eine Reihe von möglichen Themen zu fördern, die für „Hindernisse bei der Bargeldakzeptanz“ relevant sind. Der starke Widerstand einiger Organisationen des ERPB aus dem Banken- und PSP-Sektor [Zahlungsdienstleister; N.H.] verhinderte dies.

Dieser Bericht behandelt daher eine Reihe von kritischen Themen, die aus Sicht der ESTA im Bericht über den Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld, wie im Mandat der ERPB-Arbeitsgruppe definiert, berücksichtigt werden müssen. Ein Ignorieren dieser Themen würde die Aussagekraft und die Glaubwürdigkeit des Endberichts gefährden.

„Einlagen sind eine gesetzliche Schuld, die eine Bank ihren Kunden schuldet – sicherlich sollte ein Kreditgeber keinen Aufschlag für das Eintreiben von Schulden zahlen müssen.“
Tuomas Välimäki, Bank of Finland

Der erste kritische Aspekt ist: Der Rückgang des Bargelds geschieht nicht nur zufällig. Wenn man sich ansieht, was eine Reihe von Zentralbanken zu diesem Thema sagen, scheint es durch den Interessenkonflikt provoziert zu werden, der bei den Akteuren besteht, die in erster Linie für die Bereitstellung von Bargeld für die Öffentlichkeit verantwortlich sind. Da die Banken ihre eigenen, profitableren Zahlungsinstrumente ihren Kunden anbieten können, haben sie, wenn überhaupt, nur ein geringes Interesse an Bargeld und agieren öffentlich und immer wieder dagegen.

Keine von ihnen hat sich tatsächlich dazu entschlossen, vollständig bargeldlos zu werden. Würden sie das tun, würden sie einen Großteil ihrer Privatkunden verlieren. Wie in einer konzertierten Aktion, die von ihrem gemeinsamen Interesse angetrieben wird, reduzieren sie jedoch die Bargelddienstleistungen für die Öffentlichkeit und sponsern manchmal sogar Einzelhändler, die bargeldlos werden, um die Abschaffung des Bargelds zu beschleunigen. Ihre kurzfristigen Kosten für solche Aktionen werden durch die Erhöhung der Gebühren ausgeglichen, sobald Bargeld nicht mehr konkurrenzfähig ist, was solche Praktiken in ihrem Wesen zu einem missbräuchlichen Verdrängungswettbewerb macht. Wenn es um ein anderes Produkt oder eine andere Dienstleistung als Bargeld ginge, würden solche Praktiken zweifelsohne als Verstoß gegen die Regeln der Fairness und des Wettbewerbs erklärt werden.

„Die Banken sollten den Tag fürchten, an dem die Öffentlichkeit der Meinung sein wird, dass Bargeld so knapp wird, dass sie das Vertrauen in ihre Fähigkeit verliert, ihre Einlagen von der Bank abheben zu können.“
ESTA

Die Rolle der Banken beim Rückgang des Bargelds wird von den Zentralbanken dreier Länder, Schweden, Finnland und Norwegen, hervorgehoben, die alle auf unterschiedliche Weise deren Rolle bei der Verringerung des Stellenwerts von Bargeld in der Wirtschaft betonen.

In diesem Beitrag werden die Folgen der Reduzierung von Bargelddienstleistungen durch die Banken untersucht und wie dies darauf hinausläuft, die Kosten für Bargeld an die Bargeldnutzer weiterzugeben – ein Thema, das zu diskutieren einige Mitglieder des ERPB kategorisch ablehnten, obwohl es für das Verständnis der Entwicklung des Bargelds in der EU entscheidend ist.

Der zweite Teil des Papiers befasst sich mit den Auswirkungen von COVID und damit, wie die Pandemie die Nichtakzeptanz von Bargeld beschleunigt hat, befördert durch das falsche Argument des Risikos einer Ansteckung mit COVID. Obwohl eine Reihe von Zentralbanken prompt auf diese Behauptungen reagierte und sie widerlegte, ist der Schaden angerichtet und Bargeld hat sich stark zurückentwickelt, sogar in sehr bargeldfreundlichen Ländern wie Deutschland.

Trotz des Versprechens, dass „kontaktlos die sicherste Zahlungsmethode“ sei, die bei der Eindämmung der Verseuchung helfen soll, hat der starke Anstieg der kontaktlosen Zahlungen nicht zur Eindämmung der Pandemien beigetragen, sondern lediglich den Kartenbetreibern neue Marktanteile, insbesondere im Bereich Kleinstzahlungen, und zusätzliche Einnahmen in Abhängigkeit vom Volumen der kontaktlosen Zahlungen beschert. Mit anderen Worten: kein öffentliches Interesse, aber viele private Vorteile in Bezug auf die Zunahme von kontaktlosen Zahlungen.

Die Erhöhung der Betrags-Obergrenzen für das kontaktlose Bezahlen ist jedoch nicht ohne Folgen für die Karteninhaber. In diesem Bericht wird die Frage aufgeworfen, ob die Verbraucher und Karteninhaber richtig informiert sind und insbesondere, ob sich die Verbraucher ihrer erhöhten Haftung infolge der Erhöhung der Zahlungslimits bewusst sind. Auch hier führt die Entwicklung des kontaktlosen Zahlungsverkehrs dazu, dass ein Teil der Haftung für Betrug von den Banken und Zahlungsdienstleistern auf die Karteninhaber abgewälzt wird, und zwar auf eine Weise, die den meisten Karteninhabern wahrscheinlich unbekannt ist.

„Die Leute wissen nicht, dass es uns mehr kostet, wenn sie elektronisch bezahlen und noch mehr, wenn sie per Telefon bezahlen.“
Ein Einzelhändler in Schottland

Im dritten und letzten Teil des Beitrags werden einige wesentliche Bedingungen für die Zukunft des Bargelds erörtert, ausgehend von der Notwendigkeit, zu bestätigen, dass gesetzliches Zahlungsmittel „zwingend“ die Annahme von Bargeld bedeutet.

Im Mittelpunkt steht dabei das Ergebnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen C-422/19 und C-423/19 [Häring vs. Hessischer Rundfunk; N.H.], eine Diskussion, die im Rahmen des WS3 des Arbeitskreises leider nicht möglich war. Es scheint ziemlich offensichtlich, dass diese Diskussion für die Frage der Bargeldannahme von entscheidender Bedeutung ist, zumindest um klarzustellen, was ein Einzelhändler darunter verstehen sollte.

Der EU-Gesetzgeber sollte bestätigen, dass der {vom EuGH verwendete; N.H.] Begriff der „nicht-absoluten“ Annahmepflicht immer noch bedeutet, dass der Grad der Verpflichtung zur Annahme von Bargeld sehr hoch ist, basierend auf der Tatsache, dass das gesetzliche Zahlungsmittel im Primärrecht verankert ist und, da es im Sekundärrecht genau definiert wurde, unmittelbare Wirkung erlangt hat. Die Angelegenheit ist im Kern eher politisch als rechtlich.

Auch andere Schritte sind kritisch für die Zukunft des Bargeldes, darunter die Verabschiedung spezifischer Maßnahmen für den Einzelhandel, wie die Gewährleistung der Verfügbarkeit von Wechselgeld – das Fehlen von Wechselgeld ist die perfekte Tarnkappenwaffe des Krieges gegen das Bargeld. Dies impliziert auch die Notwendigkeit, ein „Recht auf Barzahlung“ zu definieren, basierend auf der Tatsache, dass der Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels ein hohes Maß an Sicherheit für Bargeldnutzer implizieren muss, dass Bargeld als Zahlungsmittel akzeptiert wird.

Der letzte Abschnitt in diesem dritten Teil befasst sich mit dem, was möglicherweise als die kritischste Bedrohung für die Bargeldbranche angesehen werden kann, nämlich wenn die Banken ihre eigenen Versorgungsunternehmen für die Bargeldbearbeitung organisieren, wodurch ein bedeutender Teil des Marktes geschlossen wird und die Preise auf ein unhaltbares Niveau für eine Reihe von Bargeldmanagement-Unternehmen gedrückt werden. Dieser Teil ist in der ökonomischen Literatur über Bargeld bisher nicht behandelt worden, muss aber die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger und der Wettbewerbsbehörden auf sich ziehen.

„Ich war erstaunt, als ich entdeckte, wie viel vom Sammelteller einer Kirche in den Servicegebühren einer Bank verschwinden kann.“
Tuomas Välimäki, 28. November 2018

Eine bargeldlose Umgebung wäre ein Transparenz-Albtraum. Denn die Bank wird u.a. wissen, welche ihrer Kunden wie oft zu kirchlichen Stellen gehen (und welcher Religion) und wie viel sie jedes Mal spenden, wenn sie gehen. Und natürlich, weil dies auch das Ziel einer bargeldlosen Gesellschaft ist, werden Banken und Zahlungsdienstleister auch ihre Provision auf jede der Spenden kassieren.

Schlussfolgerungen

Dieser Bericht führt zu einer geradlinigen Schlussfolgerung und einer einfachen Lösung für alle im Mandat der ERPB-Arbeitsgruppe aufgeworfenen Fragen: Um ein weiteres Fortschreiten der Reduzierung des Bargeldumlaufs zu verhindern, sollten die für die Verdrängung des Bargelds Verantwortlichen sofort aufhören, es zu bekämpfen. Ihre eigenen kommerziellen Interessen werden darunter nicht sonderlich leiden.

Die ESTA hofft, dass dieser Bericht den ERPB-Bericht in Bereichen sinnvoll ergänzt, in die sich die Arbeitsgruppe aufgrund ihrer Zusammensetzung und Struktur wahrscheinlich nicht vorwagen wird. ESTA steht dem ERPB oder der EZB weiterhin zur Verfügung, um jeden in diesem Bericht behandelten Punkt zu klären.

Kontaktlos bedeutet weniger Sicherheit. Karteninhaber haften voll für betrügerische Zahlungen mit der NFC-Funktion ihrer Karten. Sie wissen es nur nicht.“
ESTA

Anmerkung von Norbert Häring

Neben der neuen Bargeldstrategie hat die EZB eine (aktualisierte) Strategie für den Massenzahlungsverkehr (Retail Payments Strategy). Sie zielt darauf ab, eine tragfähige europäische Konkurrenz für die US-Kartensysteme und die neuen Fintechs zu schaffen, die den europäischen Markt für digitale Zahlungen dominieren. Dieses Ziel ist lobenswert. Aber es ist bemerkenswert, dass Bargeld in dieser Strategie nicht als Teil des Massenzahlungsverkehrssystems behandelt wird und somit keine Worte darauf verwendet werden, seine Rolle neben den Kartensystemen- und Fintechs abzugrenzen. Die Massenzahlungsstrategie der EZB kann als eine Strategie zur Digitalisierung des Massenzahlungsverkehrs zulasten des Bargelds beschrieben werden.

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Link zum kompletten Bericht auf der ESTA-Webseite

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