Grundsteuerreform: Das bayerische Modell widerspricht der bayerischen Verfassung

31. 01. 2021 | Bayerns Regierung hat sich für das Reformmodell der reinen Flächenbesteuerung entschieden, ohne jede Berücksichtigung des Grundstückswerts. Weitläufige Villengrundstücke bekommen sogar noch Rabatt. Mit dem, was die bayerische Verfassung zu Grund und Boden, Steuern und Wohnungspolitik zu sagen hat, harmoniert das ganz und gar nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Reform der Grundsteuer verlangt, weil das alte Modell mit seinen völlig veralteten Einheitswerten zu ungerecht war. Die Bundesregierung hat sich nach langem Streit auf eine komplizierte Reform geeinigt, es den Ländern aber freigestellt, andere Modelle zu wählen. Baden-Württemberg hat sich für eine Besteuerung des reinen Grundstückswerts entschieden, unabhängig davon, wie ein Grundstück bebaut ist. Es kommt allein darauf an, wie man es bebauen kann und darf, und wie viel es bei einer solchen Nutzung wert ist.

Bayern dagegen hat sich entschieden, nur auf die Grundstücksfläche und die Gebäudefläche abzustellen, völlig unabhängig vom Wert. Ulrich Kriese hat in einem Gastbeitrag erläutert, warum das baden-württembergische Modell für mehr und billigeren Wohnraum sorgt, fairer und effizienter ist, während das bayerische Modell die Reichen schont, die weniger Reichen und die Mieter stark belastet und die Einnahmemöglichkeiten der Gemeinden reduziert.

Ulrich Kriese: Die Grundsteuerreform ist wichtig für die Lösung des Wohnungsproblems

Die bayerische Verfassung

Schauen wir mal, was die Verfassung Bayerns zu dem Thema Grund und Boden zu sagen hat, etwa in Artikel 161:

„Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“

Das ist ziemlich genau das Gegenteil dessen, was das bayerische Grundsteuermodell beabsichtigt und bewirkt.

In der Nachbarschaft dieser Vorschrift gibt es in der Verfassung auch noch: „Eigentum verpflichtet gegenüber der Gesamtheit“ (Artikel 158) oder „Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung“ und „Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden“ (Artikel 106).

Der Artikel zu Erbschaftsteuer nennt eine Grundidee der Steuerpolitik laut bayerischer Verfassung (Artikel 123): „Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern.“

Die Bayerische Verfassung existiert seit der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sie wurde auf Veranlassung der US-Besatzungsmacht durch den vorbereitenden Verfassungsausschuss ausgearbeitet. Beim Volksentscheid am 01.12.1946 stimmten 70,6% der teilnehmenden bayerischen Bürger der Verfassung zu. Auch die CSU war übrigens dafür. Bisher gab es nur sieben meist kleinere Änderungen der Verfassung, die alle durch Volksentscheid bestätigt wurden.

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