Paypals Freibrief zur Kontenplünderung ist in Europa weitgehender als in den USA

3. 11. 2022 | Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Paypal sind nicht nur verwirrend und in sich widersprüchlich, wie ich vor kurzem berichtet habe, sie unterscheiden sich auch erheblich zwischen den USA und Europa, zu Lasten europäischer Kunden. Der pauschale Schadenersatz von 2.500 Dollar gilt in den USA nur für wenige, eng abgegrenzte, in Europa für viele, vage definierte Regelverletzungen.

Vor kurzem hatte ich berichtet, dass Paypals Geschäftsbedingungen dem Unternehmen erlauben, nach eigenem Gutdünken Kontensperrungen und das Einfrieren von Guthaben als Sanktion zu verhängen, wenn Kunden „ungenaue Informationen“ verbreiten. Darüber hinaus kann auch ein pauschaler Schadenersatz von 2.500 Dollar pro Verletzung der „Nutzungsrichtlinie“ von Paypal verhängt werden kann, der direkt vom Konto abgebucht wird.

Dies hatte ich mit den deutschen Nutzungsbedingungen und der deutschen Nutzungsrichtlinie belegt und mit dem britischen User Agreement und der britischen Acceptable Use Policy abgeglichen.

Bei der Übersetzung des Beitrags ins Englische ist mir nun bei genauem Lesen des User Agreement für die USA aufgefallen, dass die Bedingungen für die Kontenplünderung dort durch einen Zusatz viel enger gefasst sind als in Großbritannien und Deutschland, wo dieser Zusatz jeweils fehlt.

In den USA heißt die einschlägige Passage (meine Übersetzung und kursive Hervorhebungen):

„Wenn Sie als Verkäufer Gelder für Transaktionen erhalten, die gegen die Nutzungsrichtlinie verstoßen, und dieser Verstoß mit Betrug oder dem Verkauf von gefälschten Waren oder sonstigen Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte verbunden ist, unterliegen Sie nicht nur den oben genannten Maßnahmen, sondern haften auch für den Schaden, der PayPal durch diesen Verstoß entstanden ist. Sie erkennen an und stimmen zu, dass $2.500,00 U.S. Dollar pro Verstoß derzeit eine angemessene Mindestschätzung des tatsächlichen Schadens von PayPal darstellen – einschließlich, aber nicht beschränkt auf interne Verwaltungskosten, die PayPal für die Überwachung und Verfolgung von Verstößen entstehen, sowie Schäden an der Marke und dem Ruf von PayPal, und Strafen, die PayPal von seinen Geschäftspartnern auferlegt werden, weil der Verstoß, der mit Betrug oder dem Verkauf von gefälschten Waren oder anderweitigem Verstoß gegen geistige Eigentumsrechte verbunden ist – unter Berücksichtigung aller gegenwärtig bestehenden Umstände, einschließlich des Verhältnisses der Summe zum Umfang des Schadens für PayPal, der vernünftigerweise erwartet werden kann, weil aufgrund der Art des Verstoßes die Berechnung des tatsächlichen Schadens nicht praktikabel oder äußerst schwierig wäre. PayPal kann diesen Schadenersatz direkt von einem bestehenden Guthaben auf einem PayPal-Konto abziehen, das Sie kontrollieren.“

Screenshot, Paypal User Agreement US, 2. Nov. 2022

In Deutschland und sehr ähnlich in Großbritannien fehlt bei sonst gleichem oder vergleichbarem Text der einschränkende Zusatz, dass der Verstoß mit Betrug oder Verletzung von Eigentumsrechten zu tun haben muss, um den pauschalen Schadenersatz auslösen zu können. Dass es sich kaum um ein Versehen handeln kann, sieht man daran, dass der Zusatz an zwei Stellen, vorne und hinten im Absatz fehlt und sowohl in den in englisch abgefassten britischen als auch in den in deutsch abgefassten deutschen Geschäftsbedingungen weggelassen wurde.

In den Bedingungen für Großbritannien sieht das so aus:

Screenshot Paypal User Agreement UK; 2. Nov. 2022

Und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Deutschland so:

Screenshot, Paypal AGB, 2. Nov. 2022

Auch die Überschrift ist anders:

Das entsprechende Kapitel heißt für Deutschland: „Verbotene Aktivitäten, Einbehaltungen und pauschaler Schadenersatz„, in den USA dagegen: „Beschränkte Aktivitäten, Einbehaltungen und andere Maßnahmen, die wir ergreifen könnten.“

Europäisches Recht wird ignoriert, US-Recht nicht

Vermutlich ist das Verhängen eines pauschalen Schadenersatzes in den USA, ähnlich wie in Deutschland, rechtlich ein Problem. In Deutschland ist das nicht erlaubt, ohne dem Kunden das Recht zu geben, nachzuweisen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist. Aber in Deutschland verlässt sich Paypal offenbar auf ein Gewohnheitsrecht großer amerikanischer IT-Konzerne, sich nicht um hiesige Gesetze kümmern zu müssen, weil die Behörden alle Augen zudrücken oder weil das Recht hier so ist, dass sich zunächst jeder Kunde einzeln wehren muss und kein Schadenersatzurteil mit hoher Strafkomponente für missbräuchliches Verhalten droht, wie in den USA.

Der Verein Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv, der schon 2014 gerichtlich eine Unterlassungserklärung von Paypal erwirkte, bestimmte Klauseln der AGB, die Kunden unangemessen benachteiligen, nicht mehr zu verwenden, führt aktuell wieder einen Prozess, um Paypal solche Klauseln zu untersagen. Dabei geht es nach Auskunft des Verbands unter anderem darum, dass sich PayPal vorbehält, das Konto jederzeit zu schließen und das darauf befindliche Guthaben (E-Geld) für eine nicht hinreichend bestimmte Zeit einzubehalten. Das gerichtliche Aktenzeichen lautet: 16 O 89/22.

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