Stimmt es wirklich, lieber Wolfgang Münchau, …

dass Anleihekäufe der EZB nicht zu Inflation führen? Es ist mir unangenehm, einen hochgeschätzten Kolumnenkollegen zu korrigieren. Aber was Wolfgang Münchau auf Spiegel Online über die Funktionsweise von Anleihekäufen einer Notenbank schreibt, ist so stark geprägt von irreführenden Lehrbuchkonzepten, dass es einfach nötig ist. Referenzwerk sollte statt der Lehrbücher ein Erklärstück der Bank von England sein, mit dem Titel „Money Creation in the Modern Economy“. Dieses hat über die Lehrbuchdarstellung des Geldsystems, auf die sich Wolfgang

Münchau stützt, folgendes zu sagen hat: „Die Realtiät, wie Geld heute geschaffen wird, unterscheidet sich von der Beschreibung, die man in manchen (lies: allen führenden) Lehrbüchern findet: Anstatt dass Banken von sparenden Haushalten Einlagen bekommen und diese dann weiterverleihen, ist es so, dass Banken durch die Kreditvergabe Einlagen schaffen. Das Zentralbankgeld wird nicht über einen Multiplikator in mehr Kredite und Einlagen verwandelt.“ Ein anderer Referenztext ist das Online-Schulbuch „Geld und Geldpolitik digital“ der Bundesbank: Dort heißt es zur Geld-Entstehung: „Wird einem Kunden ein Kredit über 1.000 Euro gewährt erhöht sich die Sichteinlage des Kunden auf seinem Girokonto um 1.000 Euro. Es wurden 1.000 Euro Buchgeld geschaffen.“

Mit diesen Vorbemerkungen kommen wir nun zu den Fehlern in der Kolumne von Wolfgang Münchau, der durch die Aufklärung von Missverständnissen und Aufdeckung bewusster Irreführung nachweisen will, dass Käufe von Staatsanleihen keine Inflation schaffen.

Wenn Sie 2000 Euro in ihr Sparkonto stecken und die Bank davon 1000 Euro an einen Kreditkunden verleiht, dann wandern die restlichen 1000 Euro auf ein Konto, das die Bank bei der Zentralbank unterhält.“

Wie die Bank von England und die Bundesbank übereinstimmend betonen, verleihen die Banken keine Einlagen von anderen Kunden, wenn sie Kredit geben. Sie schreiben dem Kreditkunden einfach neues Geld gut. Es wandert auch kein Geld von den Einlagen zu EZB.

Ein zentrales Missverständnis hier ist die Vorstellung, Zentralbankgeld (Guthaben der Banken bei der Zentalbank) und Bankengeld (Kundenguthaben bei den Geschäftsbanken) zirkulierten in einem gemeinsamen Kreislauf. Das ist nicht der Fall.

Zentralbankgeld wird in den Büchern bzw. Computern der EZB zwischen Geschäftsbanken hin und her geschoben. Bankengeld oder Giralgeld wird völlig separat in den Büchern der Banken zwischen Bankkunden hin und her geschoben. Wenn die Bankkunden ihre Konten bei verschiedenen Banken haben wandert das Geld von einem Bankbuch in das einer anderen. Im Hintergrund ist so eine Verschiebung von Giralgeld zwischen Banken dann begleitet von einer Umbuchung von Zentralbankgeld in den Büchern der EZB zwischen diesen Banken. Zentralbankgeld kann aber nicht vom Konto einer Bank in das Bankkonto eines Normalsterblichen abfließen.

Wenn ich also von der Bank meines Arbeitgebers bei Bank A 2000 Euro auf mein Lohnkonto bei Bank L überwiesen bekomme, dann bekommt Bank L im Hintergrund von Bank A 2000 Euro Zentralbankgeld übertragen. Bank L ist nämlich nur bereit mir im Auftrag von Bank A 2000 Euro gutzuschreiben, wenn sie dafür von Bank A Zentralbankgeld bekommt. (Das unterscheidet Geschäftsbanken von uns normalen Sterblichen. Sie nehmen die Schulden anderer Geschäftsbanken nicht zur Zahlung an, sondern nur richtiges Geld, Zentralbankgeld.)

Bank L bekommt also 2000 Euro Zentralbankguthaben, anstatt wie im Beispiel von Wolfgang Münchau 1000 Euro bei der Zentralbank zu deponieren. Wenn ich die 2000 Euro von meinem Girokonto auf mein Sparkonto transferiere, ändert sich daran nichts, außer dass Bank L nun relativ sicher sein kann, dass sie die 2000 Euro Zentralbankguthaben in nächster Zeit nicht brauchen wird, um den Abfluss meines Geldes zu einer anderen Bank zu finanzieren.

Nächstes Missverständnis:

„Was passiert jetzt, wenn die EZB italienische Anleihen von einer italienischen Bank kauft? Die italienische Bank schickt der EZB die Anleihen und erhält dafür eine Überweisung auf ihr Konto bei der EZB. Die Geldbasis wächst. Die Geldmenge bleibt aber zunächst einmal unverändert.“

Das ist fast korrekt aber sehr irreführend. Wenn eine Bank der EZB die Anleihe verkauft, erhält sie keine „Überweisung“ auf ihr EZB-Konto. Das Geld wird nicht von irgendwoher überwiesen. Die EZB schafft es einfach, indem sie der Bank den Gegenwert der Anleihe gutschreibt. Das soll jetzt nur der Klarheit dienen. Gemeint war das wohl.

Irreführend ist aber das Beispiel, weil der Kauf einer Anleihe von Banken nicht das passende Beispiel ist, um die Wirkungsweise der Anleihekäufe zu erklären. Wenn die EZB die Anleihe nämlich von einer Nichtbank kauft, zum Beispiel der Allianz, passiert viel mehr. Eine Nichtbank hat, anders als eine Bank, kein Konto bei der EZB. Die Allianz bekommt auf ihr Bankkonto, sagen wir bei der Deutschen Bank, im Auftrag der EZB den Gegenwert der Anleihe gutgeschrieben. Damit die Deutsche Bank das im Auftrag der EZB tut, bekommt sie von der EZB ein gleich hohes zusätzlichen Zentralbankguthaben. Es hat sich also die Summe der Zentralbankguthaben (Geldbasis) erhöht UND die Summe der Bankeinlagen (Geldmenge). Nachzulesen ist das unter anderem in der genannten Broschüre der Bank von England. Wer es lieber auf deutsch möchte, zum Beispiel unter „Über das Geld“ auf dieser Website.

Nächstes Missverständnis:

Warum kaufen Zentralbanken die Wertpapiere dann überhaupt? Sie hoffen auf indirekte Effekte, die am Ende einer langen Kette vielleicht doch auf die Geldmenge wirken. Zum Beispiel könnte die Bank das Geld, das ihr jetzt zur Verfügung steht, von ihrem Konto bei der Zentralbank abheben und als zusätzlichen Kredit vergeben.“

Ganz falsch, wie wir oben gesehen haben.

Die Bank kann ihr Guthaben nicht von ihrem Zentralbankkonto abheben und als Kredit an Bankkunden vergeben. Das ist (fast) unmöglich. Zentralbankgeld als Guthaben zirkuliert nicht in der Wirtschaft. Das fast bei unmöglich resultiert von der winzigen Ausnahme, dass Bargeld auch Zentralbankgeld ist und als solchen in der Wirtschaft zirkuliert. Nur wenn die Geschäftsbank die Millionen, die sie aus Anleihekäufen der Zentralbank auf dem EZB-Konto hat, nutzt um einer Firma einen Millionenkredit in Bar auszuzahlen, dann geht das, was Münchau beschreibt. Aber wenn solche Summen bar abgehoben werden, dann nur in einem Bankrun, wenn alle Kunden ihre Konten leerräumen wollen, solange Bargeld  da ist. In einer solchen Situation wird keine Bank einen hohen Kredit vergeben, den sie in bar auszahlen muss. Münchau schreibt selbst, das Bargeld keine nennenswert Rolle spielt.

Also zurück zum „normalen“ Zentralbankgeld“ als digitales Guthaben. Wenn die Bank eine Kredit gibt, und der Kunde die Millionen nutzt, um Rechnungen zu bezahlen, überweist er das Geld teilweise auf Konten bei anderen Banken. Dann wird die Bank tatsächlich ihr Zentralbankguthaben los, denn sie muss es diesen anderen Banken mitüberweisen. Wichtig ist jedoch: Die Summer der Zentralbankguthaben der Geschäftsbanken bleibt gleich. Das Guthaben ist nur zu einer anderen Bank transferiert worden. Es fließt nicht ab in die produzierende Wirtschaft.

Damit sind wir beim irregeleiteten Schlusswort:

Was Sie sich auf jeden Fall merken sollten ist: Mit den Anleihekäufen erhöht die EZB nicht die Geldmenge, sondern nur die Geldbasis. Eine höhere Geldmenge könnte zu höherer Inflation in der Zukunft führen. Mit einer höheren Geldbasis bekommen Sie das nicht hin, selbst wenn Sie es wollten.

Die Anleihekäufe erhöhen eben doch die Geldmenge und damit die Inflation. In der gegenwärtigen Niedriginflationsphase mit Deflationsgefahr ist das auch gewünscht und nicht das Problem. Das Problem ist ein Anderes. Die Anleihekäufe sollen ihre Wirkung auf die Wirtschaft vor allem über die Finanzmärkte entfalten, indem sie die Kurse und Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien aufblähen. Das ist gefährlich und begünstigt in unangemessener Weise die Reichen und die Finanzbranche. Es gibt viele und viel bessere Alternativen.

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