Gunther Schnabl von der Universität Leipzig hat im Wirtschaftsdienst einen interessanten Beitrag mit dem Titel „Negative Umverteilungseffekte und Reallohnrepression durch unkonventionelle Geldpolitik“ veröffentlicht. Darin stellt er dar, auf welchen Wegen vor allem die Finanzinstitute und die Kapitaleinkommensbezieher von der praktizierten Form der lockeren Geldpolitik profitieren, während – und das ist der bisher wenig beleuchtete
Teil – als Pendant dazu die Einkommen der Lohneinkommensbezieher gedrückt werden. Hier einige Auszüge:
Zur Inflationssteuerung:
„Vergeben rational handelnde Finanzinstitute zusätzliche Kredite für Immobilienkäufe, zur Finanzierung von Aktienkäufen oder als Anlagen auf den internationalen Kapitalmärkten – oftmals an andere Finanzinstitute – dann steigen die Vermögenspreise. Weil in den üblichen Konsumentenpreisindizes Vermögenspreise nicht und Immobilienpreise allenfalls indirekt repräsentiert sind, spiegeln sich rasant steigende Vermögenspreise nicht in steigender Konsumentenpreisinflation wider.“
Finanzinstitute leiten das Kapital nicht von selbst zum besten Wirt (gesamtwirtschaftlich betrachtet). Im Gegenteil, sie profitieren von Spekulationsblasen, die sie selbst erzeugen:
„Die Finanzinstitute profitieren von der Umleitung der Kreditströme aus drei Gründen. Erstens wächst bei sinkenden Zinsen das Kreditgeschäft. Zweitens halten Finanzinstitute viele Vermögenswerte in ihren Bilanzen. Es steigt deren Buchwert und damit auch der Wert der Sicherheiten für neue kreditfinanzierte Käufe von Vermögenswerten. Drittens kann die Kreditvergabe übermäßig wachsen, weil die Regel bei geringem Anstieg der Inflation erst sehr spät eine Zinserhöhung erforderlich macht. Der Anreiz für einzelne rational handelnde Finanzmarktakteure, sich nicht an den möglicherweise von Insidern sogar antizipierbaren Spekulationsblasen zu beteiligen, ist gering. Denn die leitenden Manager können beträchtliche Teile der Spekulationsgewinne, z.B. in Form von großzügigen Boni, privatisieren. Die Verluste beim späteren Platzen der Blasen verbleiben hingegen bei den Aktionären des Unternehmens. In der Krise werden durch die inzwischen üblichen geld- und finanzpolitischen Rettungsmaßnahmen die Kosten der Spekulation auf die breite Öffentlichkeit überwälzt.“
Money sticks where it hits:
„Die Ausweitung der Geldbasis wirkt nicht gleichmäßig auf alle Bereiche der Volkswirtschaft. Wer die zusätzliche Liquidität zuerst erhält, profitiert mehr. Umverteilungseffekte, die von den Finanzmärkten ausgehen, ergeben sich daraus, dass die zusätzlich von den Zentralbanken geschaffene Liquidität zunächst den Finanzinstituten zur Verfügung steht. Diese profitieren nicht nur von einer Zunahme des Kreditgeschäfts, sondern sie können auch zu noch niedrigen Preisen Aktien, Immobilien, Wertpapiere etc. erwerben. Wandert die Liquidität weiter in andere Bereiche der Volkswirtschaft, sind durch die zusätzliche Nachfrage der Banken die Immobilien-, Aktien- und Wertpapierpreise bereits gestiegen. Die Wirtschaftssubjekte, die die zusätzliche Liquidität in der zweiten oder dritten Runde erreicht – insbesondere Haushalte -, zahlen einen höheren Preis. Die Finanzinstitute können die ihnen in den Schoß gefallenen Profite (Windfall-Profits oder Q-Gewinne) z.B. an ihre (leitenden) Beschäftigten (mehr als an die Aktionäre) weitergeben. Zudem profitieren Bevölkerungsschichten, die große Vermögenswerte halten. … Der steile Anstieg der Aktienpreise ist seit Beginn der 1990er Jahre mit einem deutlichen Anstieg des Anteils der Top-1%-Einkommensbezieher an den gesamten Einkommen verbunden.“
Die Unter- und Mittelschicht zahlt die Zeche:
„Die Risiken werden über vielfältige Überwälzungskanäle an die unteren und mittleren Einkommensschichten weitergegeben. Unter anderem werden die Renditen von risikoarmen Anlageformen wie Spareinlagen und Staatsanleihen nominal gegen Null und real ins Negative gedrückt (finanzielle Repression).22 Diese Anlageformen werden oft von der risikoaversen Mittelschicht gehalten. Der wichtigste Kanal ist in vielen Ländern jedoch die Reallohnrepression. Da die Finanzkrisen (und von überschwänglichen Boomphasen auf den Finanzmärkten ausgelöste öffentliche Ausgabenabenteuer) die Staatsverschuldung nach oben treiben, sehen sich Regierungen infolge der Krise gezwungen, die Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor gering zu halten. Der öffentlichen Lohnrepression folgt die Lohnrepression im privaten Sektor, weil die Krise die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften untergräbt.Dies ist besonders schmerzhaft, wenn das Wachstum stagniert. Bei einem Wachstum von nahe Null, gegen das viele Industrieländer konvergieren, müssen die Verteilungsgewinne einer Bevölkerungsgruppe mit absoluten Einkommensverlusten anderer Bevölkerungsgruppen verbunden sein. Dieser Prozess wird noch verschärft, sobald das durchschnittliche Lohnniveau sogar sinkt.“
Es lohnt sich, den ganzen Artikel zu lesen. Ich will aber nicht verhehlen, dass ich hier oder da anderer Meinung bin oder andere Schwerpunkte setzen würde. Insbesondere finde ich die wirtschaftspolitische Schlussfolgerung zaghaft und unbefriedigend. Aus Schnabls überzeugend dargelegter Feststellung, dass die Banken das Kapital nicht im Sinner der Volkswirtschaft lenken, würde ich – anders als offenbar Schnabl – den Schluss ziehen, dass der Staat/Regulierer/Zentralbank die Verteilung der Kredite auf Finanzspekulation, Immobilienspekulation, Konsum, Investitionen direkt beeinflussen sollte, und nicht lediglich über einen einheitlichen Leitzins das Volumen der Kredite insgesamt.