Ich habe mehrmals gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA Stellung bezogen, insbesondere gegen den Investitionsschutzteil. Daher darf ich mich vom heutigen (Mittwoch) Gastkommentar von Bodo Hombach im Handelsblatt gemeint fühlen.
Man lernt zweierlei aus dem Beitrag des ehemaligen Ministers unter Gerhard Schröder, der später Verlagsmanager, Akademiepräsident und Stiftungsvorstand wurde. Erstens: TTIP stirbt nicht leicht, seine Verteidiger kämpfen bis zum Schluss. Zweitens: Mangels vernünftiger Argumente verlegen sich die Verteidiger zunehmend darauf die Gesinnung, die Motive, die Intelligenz und den Realitätssinn der Kritiker zu thematisieren. Das ist eine gute Nachricht für die Kritiker.
Zuerst zu Hombachs Sachargumenten, denn das geht sehr schnell: Wer gegen TTIP ist, verzichtet auf „die Vorteile des gemeinsamen Marktes“, auf „den Kollateralnutzen stabiler Handelsbeziehungen, in denen sich die besten Standards durchsetzen“. Das war es auch schon. Warum die seit vielen Jahrzehnten stabilen Handelsbeziehungen zu den USA ohne Schiedsgerichte für privilegierte Auslandsinvestoren plötzlich instabil würden und der freie Handel, mit noch vorhandenen Zöllen, zu Ende ginge, müsste irgendwie näher begründet werden. Auch in welcher Weise sich „die besseren Standards“ mit TTIP durchsetzen, aber nicht ohne TTIP, bleibt zumindest mir rätselhaft.
Sehr viel ausführlicher und kreativer ist Hombach bei der Charakterdarstellung der Kritiker wie mir. Antiamerikanisch bin ich, denn ich verweigere „den vielen Amerikanern die Hand, die unter Fehlgriffen der eigenen Regierung leiden.“ Warum tue ich das? Weil ich dagegen bin, dass US-Konzerne in Europa und europäische Konzerne in den USA die Regierungen vor investorenfreundliche Schiedsgerichte zerren dürfen? Herr Hombach. Die Kritiker verstehen im Gegensatz zur Darstellung der TTIP-Lobbyisten sehr wohl, dass es hier nicht um USA gegen Europa geht, sondern um den Gegensatz der Interessen von großen internationalen Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks und der Interessen von Bürgern sowie Steuerzahlern auch auf beiden Seiten des Atlantiks.
Auch das „gigantische Chlorhuhn“, das den Kritikern angeblich den Blick trübt, ist eine Chimäre. In den Kommentaren der TTIP-Befürworter kommt das Wort Chlorhuhn sicher dreimal so oft vor, wie in den Kommentaren der Kritiker, immer mit der intendierten Unterstellung, die Kritik an TTIP lasse sich auf eine solche Petitesse reduzieren. Dabei ist das Chlorhuhn nichts als eine von den Lobbyisten gezielt aufgebauschte Sollbruchstelle des Abkommens, damit man den Kritikern mit einem belanglosen Zugeständnis scheinbar entgegen kommen kann.
„Problematisch wird es, wenn sich niemand mehr um die Einzelheiten des Vertragsentwurfs schert, sondern aus Vorurteilen eine linksschwingende politische Keule geschnitzt wird“, warnt Herr Hombach zu Recht. Deshalb habe ich mich auch immer bemüht, meine Kolumnen mit Fakten zu spicken, was nicht immer leicht war, da die TTIP-Verhandlungen ja im Geheimen laufen. Trotz dieser Schwierigkeiten habe ich keinerlei Texte von TTIP-Kritikern gelesen, die so bar von Sachargumenten und so konzentriert darauf aus waren, die andere Seite in Gesinnungsschubladen zu stecken, wie Hombachs Kommentar mit dem schönen Titel „Kampagne mit Chlorhuhn“.
Ob es hilft, die Reihen hinter dem Abkommen zu schließen, das weite Teile der Politik bereit als hoffnungslosen Fall abgeschrieben haben, ist fraglich.
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