Über die Heinsberg-Studie kann man auch neutral informieren (mit Nachträgen zu ähnlichen Studien und RKI-Daten als Verschlusssache)

8. 05. 2020 | Wissenschaftler der Uni Bonn haben auf eigene Initiative das getan, was die für die Epidemiebekämpfung Verantwortlichen schon lange in größerem Maßstab hätten tun müssen, sich aber weigerten zu tun: Dafür werden sie jetzt Anfeindungen und Schmähungen aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und anderen Medien ausgesetzt.

Die Wissenschaftler testeten im besonders betroffenen Ort Gangelt im Kreis Heinsberg 919 Bewohner auf das Corona-Virus um hochzurechnen, wie viele Menschen in dem Ort infiziert waren und von dieser Zahl aus eine Sterberate der Infizierten zu berechnen.

Will man einschätzen, wie gefährlich ein Virus ist, zum Beispiel, wie viele Menschen sterben würden, wenn man nichts täte, geht nichts ohne eine Schätzung der Sterberate. Bundesregierung und Robert-Koch-Institut (RKI) berechneten jedoch lediglich (viel höhere) Sterberaten in Bezug auf die positive Getesteten, ohne die hohe Dunkelziffer der nicht getesteten Infizierten zu berücksichtigen. Das ist irgend etwas zwischen Quacksalberei und Irreführung der Öffentlichkeit.

RKI-Chef Wieler gab bis zuletzt fadenscheinige Gründe an, warum er dagegen sei, repräsentative Untersuchungen zur Ermittlung der Durchseuchung durchzuführen. Das ist schwer zu verstehen. Die feindseligen Reaktionen auf die Heinsberg-Studie legen den Verdacht nahe, dass RKI und Regierung nicht an der Veröffentlichung einer niedrigen Sterberate gelegen war, vielleicht weil man fürchtete, dass in einer korrekt informierten Bevölkerung die Bereitschaft zur Hinnahme und Beachtung der für notwendig erachteten Maßnahmen schwächer sein würde als in einer von hohen Zahlen erschreckten.

Langer Rede kurzer Sinn: Hier ein Auszug aus einem ausgewogenen, informativen Bericht zur Heinsberg-Studie im Wissenschaftsmagazin Spektrum:

„Das explizite Ziel der nun als Preprint veröffentlichten Heinsberg-Studie ist es, die so genannte Infektionssterblichkeit für das neue Coronavirus Sars-CoV-2 herauszufinden. Das ist die Zahl der Toten geteilt durch die Zahl der tatsächlich Infizierten, inklusive der Menschen, die zwar das Virus in sich tragen, aber keine Symptome zeigen. Also asymptomatisch sind. Denn nur die Infektionssterblichkeit kann einen genauen Eindruck von der Gefährlichkeit des Coronavirus liefern. Außerdem lässt sich mit Ihrer Hilfe die tatsächliche Verbreitung des Virus in der Bevölkerung abschätzen.“

Und hier der unsägliche Bericht der „investigativen“ Journalisten der ARD unter der grob irreführenden Überschrift „Falsche Rechnung mindert Aussagekraft„.

„Mehrere Wissenschaftler haben auf Anfrage des SWR die fehlerhafte Hochrechnung der Zahlen des Ortes Gangelt auf Deutschland bestätigt. Demnach muss man als Ergebnis der Schätzung eine deutlich weitere Spanne für die Dunkelziffer angeben. Die Zahl der möglichen Infizierten in Deutschland läge dann, so die vom SWR befragten Wissenschaftler, wahrscheinlich mindestens bei knapp einer Million, könne aber auch bis zu fünf Millionen Menschen umfassen.

Und hier immerhin ein Bericht zur Zurückweisung der Kritik von gleicher Quelle unter dem Titel: „Autoren weisen Kritik zurück„.

„Verschiedene Virologen und andere Forscher sind der Meinung: Die Heinsberg-Studie geht von einer zu konkreten Zahl der Corona-Infizierten in Deutschland aus. Falsch, sagt die Uni Bonn. Bei der angezweifelten Zahl von 1,8 Millionen Infizierten handele es sich um eine rein theoretische Beispiel-Hochrechnung. Die sei auch ganz klar als solche gekennzeichnet. Auch werde in der Studie deutlich gesagt, dass sich die Todesrate bei Infektionen auf den Ort Gangelt in Heinsberg beziehe und nicht auf ganz Deutschland.

Nachträge (9. 05. 2020): Hier ein Link zu einer Übersicht von internationalen Studien zur Durchseuchung von Populationen und der sich ergebenden Todesrate. Die Ergebnisse für die Todesrate scheint sich recht gleichmäßig zwischen Werten von 0,1 und 1,0 Prozent (norditalienische Stadt) zu verteilen.

Dass das RKI nun einen Gutteil seiner Daten wie eine Geheimsache behandelt, mit fadenscheinigen Rechtfertigungen, wie der NDR schreibt, ist auch nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme.

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