4. 02. 2014 Für Leser des Handelsblatts und für Nichtleser, hier meine Einschätzung zur schleppenden Rückholung des Bundesbank-Goldes aus New York, um die sich unsere heutige Titelgeschichte dreht. Das kurze Fazit: das Agieren der Bundesbank macht überdeutlich, dass etwas faul ist. Was genau faul ist, kann man nur vermuten, da die Bundesbank und die anderen Beteiligten Überprüfung durch Dritte hartnäckig verweigern und sich in immer wieder in neue Widersprüche verwickeln.
„Das Thema ist mit vielen Emotionen belegt, wir wollen weiter Vertrauen schaffen„, sagte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thile, als er vor einem Jahr ankündigte, wie viel Gold die Bundesbank bis 2020 aus den umstrittenen ausländischen Lagerstätten in New York und Paris zurückholen will. Damit reagierte die Bundesbank auf den Druck, der vom Rechnungshof und von der Politik ausgeht. Der Rechnungshof hatte moniert, es widerspreche dem Bilanzrecht, dass die Bundesbank seit Jahrzehnten über die Hälfte der 3400 Tonnen deutschen Goldes im Ausland verwahren lässt, ohne es je physisch zu kontrollieren.
Schon ein Jahr später erweckt die Bundesbank bei der Kommunikation über die Goldverwahrung bereits wieder stark den Eindruck, dass sie etwas zu verbergen hat und fühlt sich an alte Zusagen nicht mehr gebunden. Kurz bevor sie im Oktober 2012 im Bundestag Rede und Antwort stehen musste, hatte die Bundesbank angekündigt, sie werde als vertrauensbildende Maßnahme bis 2015 insgesamt 150 Tonnen der 1500 Tonnen des in New York gelagerten Goldes nach Deutschland zurückholen. Außerdem teilte Thiele den Abgeordneten damals mit, die New Yorker Filiale der US-Notenbank, die New York Fed habe ihre Bereitschaft bekundet, mit der Bundesbank zusammenzuarbeiten, um nach Möglichkeiten zu suchen, den Forderungen der Rechnungsprüfer nach einer Revision der dort gelagerten deutschen Goldbestände zu entsprechen. Die Parlamentarier waren seinerzeit zufrieden mit den Erläuterungen Thieles.
Die erste Zusage hat die Bundesbank allerdings stillschweigend einkassiert. Auf Anfrage sagte sie dem Handelsblatt, es gelt nur noch die zweite Zusage, die sich auf die Zeit bis 2020 bezieht und bis dahin insgesamt 300 Tonnen aus New York umfasst.
Auch mit dem angekündigten Entgegenkommen der New York Fed sieht es offenbar nicht gut aus. Thiele hatte im Januar 2013 noch bekräftigt, die Gespräche seien auf gutem Wege. Seither hat man nichts mehr gehört. Auf Anfrage heißt es von der Bundesbank nur: „Die Vereinbarungen mit der Fed New York zu Revisions- und Prüfungsmöglichkeiten unterliegen der Vertraulichkeit.“
Der Bundesbank war ihre schleppend anlaufende Gold-Rückholung offenbar so peinlich, dass sie mit einem Trick versuchte, das Medieninteresse klein zu halten. Das klappte jedoch nur fast. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ließ sich von der Bild-Zeitung mit der Information zitieren, er habe 2013 37 Tonnen Gold aus dem Ausland nach Frankfurt holen lassen. Der Zeitpunkt war strategisch gewählt. Kurz vor Mitternacht zum Heiligabend gab die Bild-Zeitung die Information an die Agenturen, welche an Heiligabend darüber berichteten. Wie zu erwarten, war das den überregionalen Zeitungen, deren Notbestzungen über Weihnachten niemand fanden, den sie hätten fragen können, am 27.12. nur wenige Zeilen wert.
Dummerweise hatte ein externer Kolumnist der Welt aufgepasst und stellte im Januar kritische Fragen. Warum so wenig Gold? Wo kam es her? Warum war in dem Bild-Bericht die Rede davon, dass das Gold vor dem Transport eingeschmolzen wurde? Die Welt am Sonntag fragte bei der Bundesbank nach. Die Bundesbank räumte ein, dass nur fünf der 37 Tonnen aus New York kamen, der Rest aus Paris. Das Gold aus New York sei aber, anders als von der Bild-Zeitung dargestellt, erst in Europa eingeschmolzen worden.
Tags darauf, knapp einen Monat nach der verunglückten Nachrichtenversenkung an Weihnachten, kommt die Bundesbank schließlich mit ihrer ersten offiziellen Pressemitteilung. Darin macht sie die meisten Informationen aus der Welt am Sonntag offiziell, ergänzt noch um den Hinweis, ein externer Sachverständiger habe das Umschmelzen der Goldbarren aus New York in die heute übliche Barrenform überwacht.
Was für ein Sachverständiger das war, will die Bundesbank auch auf Nachfrage nicht sagen. „Hierbei handelt es sich um einen Experten, der den Schmelzprozess unabhängig von den beteiligten Adressen überwacht“ lautet die nichtssagende Antwort. Mit dieser Kommunikationspolitik knüpft sie wieder an ihre Strategie bis zur Vertrauensoffensive im Herbst 2012 bis Anfang 2013 an. Mit ständig wechselnden Begründungen erklärte die Bundesbank bis dahin warum das meiste Gold bei den ehemaligen Siegermächten im Ausland lagert. Historischer Zufall, Schutz vor den Russen, kostenlose Lagerung, schnelle Verfügbarkeit von Gold an den Handelsplätzen New York und London.
Als der Rechnungshof Anfang 2012 die dauerhafte Nicht-Inaugenscheinnahme des Goldes durch die Bundesbank monierte, gab es wiederum allerlei windige Begründungen, warum das nicht geht. Es sei viel zu eng dort, hieß es, und es sei ein Affront gegen die Amerikaner, wenn man ihnen offen misstraute. Das widerum passt nicht zu den gleichzeitigen Versicherungen aus den USA – nur im Hintergrund natürlich – man sei völlig schmerzfrei in Sachen Gold und belächle die Diskussion in Deutschland nur. Zuerst wurde versichert, der Bericht des Rechnungshofs solle im Original und nur ergänzt um die Stellungnahme der Bundesbank veröffentlicht werden. Dann dauerte es aber bis Herbst, bis ein in weiten Teilen geschwärzter und überarbeiteter Bericht den Bundestagsabgeordneten zugänglich gemacht wurde.
Mit dem großen logistischen Aufwand begründet die Bundesbank, dass sie 2013 nur so wenig Gold aus New York holte. Dieser Aufwand wurde vor allem durch das Umschmelzen der Goldbarren irgendwo in Europa auf die heute übliche Barrenform verursacht. Aber: keiner hat das Umschmelzen von der Bundesbank gefordert, schon gar nicht das sofortige Umschmelzen bevor es überhaupt in Deutschland ankommt. Im Gegenteil. Dieses Vorgehen nährt das Misstrauen all derer, die glauben, dass etwas faul ist, mit dem Gold in New York.
Das Ergebnis: Die Bundesbank hat also für das wenige erste Gold, das sie aus New York geholt hat, sämtliche physische Evidenz vernichtet, dass es sich um das dort eigelagerte deutsche Gold handelte. Einen externen Wirtschaftsprüfer oder einen der Politiker, die in der Vergangenheit aus ihrem Misstrauen kein Hehl gemacht haben, zog sie – anscheinend – als vertrauensbildende Maßnahme nicht hinzu. Das wäre leicht gewesen. Um den Gerüchten und Spekulationen im Netz zu begegnen, hat sie jetzt nur eine von ihren Revisionsmitarbeitern abgehakte Liste mit Barrennummern und den Verweis auf einen nicht näher bezeichneten Sachverständigen, der beim Einschmelzen dabei gewesen sein soll. Das wird kaum reichen. Aber wenn sie will, kann die Bundesbank ja jederzeit alle Verschwörungstheoretiker Lügen strafen, indem sie bei den nächsten, hoffentlich größeren Lieferungen auf das sofortige Einschmelzen verzichtet und externe Wirtschaftsprüfer und oder Politiker auf die Barrennummern schauen lässt. Damit könnte sie die These kontern, das Gold sei gar nicht mehr da. Mit einer beschleunigten Rückholung könnte sie die These kontern, sie dürfe gar nicht frei über das Gold in New York verfügen.