Im Mai hatte ich Vattenfall darauf hingewiesen, dass laut dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu meiner Klage gegen den Hessischen Rundfunk öffentliche Stellen Menschen ohne Konto eine Möglichkeit bieten müssen, mit Bargeld zu bezahlen. Vattenfall hatte geantwortet, man sei keine öffentliche Stelle, und erfülle die einzig einschlägige Verpflichtung aus der Grundversorgungsordnung, mindestens zwei Bezahlverfahen anzubieten. Das Unternehmen bietet Einzugsermächtigung und Überweisung an. Man wolle aber perspektivisch den Kunden die Möglichkeit anbieten, ihre Rechnung bar im Einzelhandel zu bezahlen.
Damit ließ ich es erst einmal bewenden, auch wenn ich nicht glaube, dass ein Grundversorger vor Gericht damit durchkäme, Menschen ohne Konto abzuklemmen. Da aber nach drei Monaten die Informationen auf der Netzseite von Vattenfall zum Bezahlen immer noch kein für Menschen ohne Konto mögliches Angebot aufführen, fragte ich bei Vattenfall nach, was aus der in Aussicht gestellten Barzahlungsoption geworden ist.
Dabei wies ich das Unternehmen auch auf einen rechtlichen Fehler in seiner Argumentation hin. Denn §16 Abs. 2 StromGVV belässt es nicht dabei, zwei Bezahlverfahren zu verlangen, sondern verweist darauf, dass diese Zahlungsarten §41 Energiewirtschaftsgesetz erfüllen müssen. Dort heißt es:
„Unterschiede bei Zahlungsarten oder Vorauszahlungssystemen müssen objektiv, diskriminierungsfrei und verhältnismäßig sein.“
Wenn ein Mensch ohne Konto auf Barüberweisung bei Banken verwiesen wird, die sehr teuer sind und kaum noch angeboten werden, so ist das weder diskriminierungsfrei, noch verhältnismäßig. Ein Sprecher von Vattenfall ging nicht auf dieses Argument ein, sondern erklärte ohne Begründung, Vattenfall komme seinen gesetzlichen Verpflichtungen nach, und:
„Dass die Menschen in unserem Lande die gleichberechtigte Möglichkeit haben, am Geldverkehr teilzunehmen, ist die sozialpolitische Aufgabe des Gesetzgebers und der Bankenbranche.“
Allerdings fügte er hinzu:
„Aktuell schicken wir in bestimmten Mahnprozessen zusammen mit der Mahnung einen Zahlschein über die Höhe der in der Mahnung ausgewiesenen Forderung an den Kunden. Mit diesem Zahlschein kann der Kunde bei teilnehmenden Einzelhändlern auch die fälligen Energiekosten begleichen. Eine hohe Akzeptanz oder einen ausgeprägten Bedarf für diese Zahlweise sehen wir bei unseren Kund:innen derzeit nicht.“
Es kann einem schon die Galle hochkommen lassen, wenn ein Konzern, der so skrupellos eine kleine benachteiligte Minderheit drangsaliert, mit Doppelpunktinnen seine Tugend und sein Bewusstsein für Diskriminierungen zu signalisieren versucht. Und das, nachdem er gerade gesagt hat: Das geht uns nichts an, darum soll sich die Regierung kümmern.
Die Antwort deutet stark darauf hin, dass Vattenfall einen Vertrag mit einem Dienstleister geschlossen hat, der das Barzahlen von Rechnungen an der Supermarktkasse organisiert. Aber offenbar will man sich die Centbeträge, die das kostet, sparen, außer in Fällen, in denen jemand klagen würde oder in denen man sein Geld auf andere Weise nur mit großem Aufwand bekommen würde. Wie Vattenfall den Bedarf und die Akzeptanz dieses Verfahrens festgestellt haben will, wenn es nur „bei bestimmten Mahnverfahren“ verfügbar gemacht wird, bleibt ein Geheimnis. Außerdem macht es die Diskriminierung einer Minderheit nicht besser, wenn die Minderheit klein ist.
Seine gesetzliche Verpflichtung erfüllt Vattenfall mit dieser auf ein willkürliches Angebot in manchen Mahnfällen beschränkten Lösung jedenfalls nicht. Denn mutmaßlich sind dann schon Mahngebüren angefallen. Und nirgends wird verbindlich über diese Möglichkeit informiert. Eine Zahlungsmöglichkeit anzubieten setzt jedoch voraus, darüber zu informieren.
Bundesnetzagentur auch hier tolerant
Auch bei der zuständigen Regulierungs– und Verbraucherschutzbehörde, der Bundesnetzagentur, habe ich nachgefragt. Ich bekam eine gewohnt unverbindliche Antwort, mit der sie im wesentlichen nur ihre Aufgaben und Kompetenzen beschrieb. Daneben wies die Agentur – unvollständig – auf die Möglichkeit einer Klage oder einer Beschwerde beim Unternehmen mit anschließender Schlichtung hin. Die Möglichkeit eines Missbrauchsverfahrens bei der Bundesnetzagentur erwähnte die Agentur nicht. Das Schlichtungsverfahren nach einer erfolglosen Beschwerde ist kostenlos, das Missbrauchsverfahren bei der Bundesnetzagentur kostet, wenn die Beschwerde abgewiesen wird, zwischen 550 Euro und 185.000 Euro. Ein Gerichtsverfahren ist ebenfalls kostenpflichtig für den Verlierer.
Wenn die Bundesnetzagentur ein Verfahren eingeleitet hätte, hätte sie es mitgeteilt. Auch auf der informellen Ebene hat man nicht erfolgreich versucht, Vattenfall von der Diskriminierung von Menschen ohne Konto abzubringen. Dieses Desinteresse der Verbraucherschutzbehörde, wenn es um Digitalisierungszwang durch regulierte Unternehmen geht, ist typisch für das Verhalten der Behörde unter dem grünen Habeck-Spezi Klaus Müller. Auch beim Digitalzwang durch die Bahn und durch DHL ist die Bundesnetzagentur zuständig und toleriert das mutmaßlich rechtswidrige Gebaren der Beaufsichtigten.
Regelmäßig tut die Bundesnetzagentur so, als könne sie erst tätig werden, wenn Gerichte zweifelsfrei entschieden haben, dass die Unternehmen etwas nicht dürfen, was sie tun. Gerade so, als sei es nicht Aufgabe der Aufsichtsbehörde, das Gesetz zu interpretieren und durchzusetzen. Wenn dann ein Unternehmen mit dieser Interpretation nicht einverstanden ist, kann es vor Gericht ziehen. Der Eindruck drängt sich auf, dass Müller die Digitalzwang-Agenda der Grünen unterstützt und deshalb alle Fünfe gerade sein lässt.
Falls es unter meinen Lesern Menschen ohne Konto gibt, die Vattenfall-Kunden sind, wäre es hilfreich, wenn sie eine Beschwerde bei Vattenfall und ein anschließendes Schlichtungsverfahren führen und auf diesem Blog darüber berichten würden. Eine Anleitung gibt es bei der Bundesnetzagentur.