Digitale Währungen schaffen gläserne Menschen
Die EU-Kommission und die Bundesregierung wollen Bargeldzahlungen einschränken, um Schwarzarbeit und organisierte Kriminalität zu erschweren. Der GI-Präsidiumsarbeitskreis „Datenschutz und IT-Sicherheit” mahnt, dass das Zurückdrängen des Bargeldes zulasten von Privatsphäre, Sicherheit und Freiheit gehen kann.
Berlin, 22. November 2022 – Mit großem Engagement treibt die Europäische Zentralbank (EZB) die Einführung eines digitalen Euros voran. Derzeit testet sie verschiedene Ansätze und Technologien zur Bereitstellung einer digitalen Währung, darunter auch zentralisierte und dezentralisierte Lösungen wie die Distributed Ledger Technology, auf der auch der Bitcoin basiert. Nach Plänen der Europäischen Kommission sollen zudem Rechnungen grundsätzlich nur noch bis zu 10.000 Euro in bar bezahlt werden dürfen, um Geldwäsche, organisierte Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. Nun hat auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser angekündigt, diese Obergrenze für Bargeldauszahlungen in Deutschland einzuführen.
Prof. Dr. Hartmut Pohl, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI):
„Wir sehen die von Bundesregierung und EU-Institutionen geplante Einschränkung des Bargeldverkehrs äußerst kritisch. Bargeldobergrenzen, Pläne zur Einführung einer rein digitalen Währung und eine etwaige Abschaffung von Bargeld haben weitreichende Folgen für die informationelle Selbstbestimmung und die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger. Sie bergen die große Gefahr, aus jeder und jedem den sprichwörtlichen ‚gläsernen Menschen‘ zu machen. Zudem weisen rein digitale Währungen enorme Sicherheitsrisiken auf. Wie digitale Währungen grundrechtskonform gestaltet werden können, ist ein dramatisch unterbeforschtes Themenfeld. Abgesehen davon ist bis heute unklar, ob durch eine bargeldlose Welt organisierter Kriminalität und Terrorismus tatsächlich beizukommen ist.“
Privatsphäre und Datenschutz müssen gewahrt bleiben
Der GI-Präsidiumsarbeitskreis warnt: Die geplante Begrenzung des Bargeldverkehrs – und noch viel mehr die Einführung einer digitalen Währung, die anstelle des Bargelds treten kann – greife einerseits massiv in die informationelle Selbstbestimmung und das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz ein und andererseits in das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und der EU-Grundrechtecharta garantierte Recht auf Privatsphäre.
Je mehr Zahlungen bargeldlos durchgeführt werden oder in einer digitalen Währung erfolgen, desto mehr Möglichkeiten zur Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ergeben sich. Bei der ebenfalls diskutierten Abschaffung des Bargelds schließlich wird das komplette wirtschaftliche Agieren jeder und jedes Einzelnen lückenlos und personenbezogen nachvollziehbar. So können digitale Finanzstrukturen entstehen, die dem Europäischen Freiheitsverständnis zuwiderlaufen.
Sicherheit und Resilienz des Geldsystems sind schützenswerte Güter
In einem rein digitalen Zahlungssystem sieht der GI-Präsidiumsarbeitskreis zudem Gefahren für Sicherheit und Resilienz unserer Wirtschaftsordnung: Es ist zwar zu begrüßen, dass der elektronische Zahlungsverkehr nicht den internationalen Finanz- und Technologieunternehmen überlassen werde. Derzeit ist allerdings noch nicht absehbar, ob die Sicherheit digitaler Währungen hinreichend garantiert werden kann und die dafür erforderliche Technologiebeherrschung insbesondere gegenüber Angriffen Dritter – beispielsweise durch organisierte Kriminalität, Terrorismus oder Cyberkriminalität – ausreichend gegeben ist.
Zudem würden rein digitale Zahlungssysteme und Währungen Begehrlichkeiten bei den Sicherheitsbehörden nach Zugriff auf die Transaktionsdaten wecken. Auch die Ausfallrisiken im Katastrophenfall oder bei Stromausfall würden steigen. Allein Bargeld bietet demnach eine gewisse Resilienz in Krisensituationen…
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