Erwiderung zur Gegenrede von Emanuel Wyler in Sachen „Desaster Impfstoffzulassung“

27. 02. 2023 | Wie berichtet hatte die Berliner Zeitung einen Gastbeitrag von sechs Juristen zum „Zulassungsdesaster“ bei mRNA-Impfstoffen veröffentlicht, dann gelöscht und erst sechs Tage später mit einer Gegenrede von Emanuel Wyler wieder veröffentlicht. Da die Zeitung den von Wyler Kritisierten keine Erwiderung ermöglichte und trotz Feedback-Aufforderung Leserbriefe von Dritten dazu nicht veröffentlicht, stelle ich meine Plattform für diese notwendige Diskussion zur Verfügung.

In meinem Beitrag zu dieser Zensurposse vom 23.2. hatte ich bereits eine kurze Erwiderung der sechs Professoren auf die Gegenrede von Emanuel Wyler  veröffentlicht. Hier nun eine weitere Erwiderung von Dr. Matthias Gockel aus Basel zu anderen Aspekten der Gegenrede.

Anmerkungen zu Emanuel Wylers «Gegenrede», Berliner Zeitung, 16.02.2023

Emanuel Wylers Replik auf den Artikel der sechs Juristen erlaubt sich einen fahrlässigen Umgang mit Zahlen und Daten, der auch für Leserinnen und Leser, die nicht in einem naturwissenschaftlichen Fachbereich arbeiten, erkennbar ist. Wyler behauptet, die schnelle Zulassung der mRNA-Wirkstoffe sei wegen eines akuten Notstands richtig gewesen. Zitat:

«Im Corona-Winter 2020/21 waren bis Ende Januar 2021 ungefähr 48.000 Menschen in Deutschland gestorben. Mit den schnellen Impfungen gerade der vulnerabelsten, älteren Menschen ab Januar 2021 starben bis zum Ende des Winterhalbjahres „nur“ noch 33.000 mehr. Die meisten davon waren ungeimpft. Hätten die RNA-Impfstoffe dank dieser Regelung nicht so schnell zugelassen werden können, hätte diese schlimmste Phase der Pandemie deutlich länger gedauert.»

Dazu drei Anmerkungen:

1.) Wyler behauptet hier eine Kausalität, wo höchstens Korrelationen existieren. Zudem gibt es weitere Faktoren, die für die Prüfung der Effektivität der Impfkampagne herangezogen werden müssten, etwa der R-Wert.

2.) Zu den Zahlen: Wyler spricht von «ungefähr 48,000» Todesfällen im Winter 2020/21 bis Ende Januar und belegt dies mit einer Grafik von ourworldindata.org. Nehmen wir als Stichtag den 31.01.2021. Die Grafik notiert an diesem Tag 56,945. Um zu erfahren, wo Wylers Zeitrechnung «ungefähr» beginnt, subtrahieren wir seine Zahl 48,000. Das ergibt 8,945. Die entsprechende Zahl in der Grafik findet sich am 26.06.2020 – lange vor dem Winter 2020/21.

Nehmen wir die nächste Zahl, 33,000, und addieren sie zu der Zahl vom Stichtag 31.01.21.

56,945 + 33,000 = 89,945.

Die entsprechende Zahl finden wir am 15.06.2021 – lange nach dem Winter 2020/21.

Fazit: Wylers Argumentation ist nebulös.

Zudem stieg die Zahl der Todesfälle zwischen Juni und Oktober 2020, also während immerhin vier Monaten, nur minimal an – ohne jede Impfung. Die von Wyler behauptete Kausalität (Weniger Tote gibt es nur mit mehr Impfungen) galt dort also nicht.

3.) Absurd wird es bei der Behauptung, dass es sich bei den meisten Todesfällen ab Januar 2021 um «Ungeimpfte» gehandelt habe. Hier fehlt die notwendige Einordnung, insbesondere im Bezug zur Impfquote. Zudem geht es um die Situation in Deutschland. Doch als Beleg verweist Wyler auf Daten aus England. Das ist schlicht unseriös.

Resümee: Die Redaktion der Berliner Zeitung spricht von «starken Argumenten» gegen den Artikel der sechs Juristen. Das Zahlendisaster von Wyler liefert solche Argumente nicht.

Dr. Matthias Gockel, Basel, 27.02.2023

Hinweis: In Punkt 3.) geht dieser Text etwas über den am 23.2. bei der Berliner Zeitung eingereichten Leserbrief hinaus.

Änderungshinweis: Im Vorspann stand versehentlich „Cheimieprofessoren“. Dies wurde korrigiert in „Juristen“.

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