Das Bildungsministerium lässt Jugendliche zu Kämpfern gegen Verschwörungstheorien ausbilden

16. 05. 2023 | Bezahlt vom FDP-geführten Bundesbildungsministerium und der Zeitbild-Stiftung sollen 50 Jugendliche ab 14 Jahren zu Leitern von Workshops ausgebildet werden, in denen sie Gleichaltrige gegen Verschwörungstheorien impfen. In Anbetracht des meist demagogischen Gebrauchs des Begriffs, muss man das als weitere Eskalationsstufe in einem Propagandafeldzug gegen Oppositionelle betrachten. Es gibt bedenkliche Bezüge zu einer EU-Nato-Kampagne zur Indoktrination von Kindern.

Auf ihrer Netzseite schreibt die Zeit-Stiftung über das bundesweite Projekt „Buch der Demokratie – Verschwörungstheorien aufdecken“ (Link zum Projekt repariert):

„Verschwörungstheorien und Fake News überschwemmen unseren Alltag, besonders medial. Was ist wahr – was ist Fake? Um das herauszufinden und Verschwörungstheorien entschieden entgegen zu treten (…), bietet die Zeitbild-Stiftung mindestens 50 Jugendlichen ab 14 Jahren die Möglichkeit, zu „Peer-Scouts“ gegen Verschwörungstheorien und Fake News ausgebildet zu werden. In einem zweitägigen digitalen Kompaktkurs werden alle Inhalte, Methoden und Praxisbeispiele vermittelt, welche die Jugendlichen im Anschluss in ihren eigenständig angebotenen Workshops mit rund 5.000 weiteren Jugendlichen umsetzen können.“

Peer Scouts lässt sich in etwa übersetzen als Pfadfinder für Gleichaltrige.

Auf einer zentralen Plattform sollen Inhalte und Methoden für die aktive Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien bereitgestellt werden; zielgruppenspezifisch und multimedial aufbereitet. Diese sollen dann der Peer-Scout-Ausbildung ebenso dienen wie der späteren Tätigkeit der Jugendlichen als Workshop-Anbieter.

Hoffen wir, dass das Projekt weniger manipulativ und dilettantisch umgesetzt wird, als das vom Hessischen Innenminister und der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) mit über 700.000 Euro bezahlte Verschwörungstheorie-Aufklärungsprojekt Der Fabulant, für dessen klägliche Inhalte sich so gut wie niemand interessiert. Oder wie das ebenfalls von der bpb beauftragte, gleichermaßen gefloppte Projekt Aris Auftrag zur Impfung von Kindern gegen Verschwörungstheorien.

Immerhin kann man sich ja schon bei den Superhelden des Klimaschutzes der UN konzeptionell bedienen. Dort gibt es das wahrheitswächtersuperheldende Kind, dessen Mission so beschrieben wird:

„Warum brauchen wir Wahrheitswahrer/innen? Das Coronavirus hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir auf die Wissenschaft hören. (…) Von der Wissenschaft haben wir gelernt, dass Menschen den Klimawandel verursachen und unser Verhalten das Leben, die Lebensgrundlagen und die Gesundheit anderer immer mehr beeinträchtigen wird. (…) Hilf mit, Falschinformationen zu bekämpfen. Setz dich gegen Diskriminierung und Mobbing ein, denn dafür darf kein Platz sein.“

Ironie Ende. Im Ernst werden sich die Macher eher an Lernspielen wie „Fake it to Make it“ oder „Get Bad News“ orientieren, welche die East StratCom Task Force für den Einsatz in Schulen empfiehlt. Diese Taskforce in Helsinki ist ein gemeinsamer Dienst von EU und Nato, der gegen vermeintliche Fake-News-Kampagnen aus Russland agiert. Dazu zählt sie (meines Wissens schwer bestreitbare) Feststellungen, wie dass westliche Sanktionen eine Ursache der Inflation sind oder dass die EU-Sanktionen Europa mehr schaden als Russland, dass die USA von der Nordstream-Sabotage profitiert haben, dass die USA und Europa Islamisten in Syrien unterstützt haben, dass die Corona-Impfstoffe nicht gegen neue Virusstämme wirken und viele mehr.

Wie die EU und die Nato gemeinsam unsere Kinder gegen Fake-News und Verschwörungstheorien imprägnieren wollen, hat Johannes Mosmann im November in einem Gastbeitrag offengelegt. Die ebenfalls vom Bundesbildungsministerium geförderte Organisation Wissenschaft im Dialog hat eine entschärfte Version von „Get Bad News“ für unter 15-Jährige bereitgestellt, und das britische Außenministerium finanziert Übersetzungen in 12 Sprachen.

Psychologische Impfung: Wie NATO und EU Kinder gegen unerwünschte Gedanken imprägnieren
25. 11. 2022 | Die EU-Kommission drängt in die Schulen, um die kommende Generation „resistent“ gegen vermeintliche „Unwahrheiten“ zu machen. Per „psychologischer Impfung“ sollen die Gehirne widerstandsfähig gegenüber unerwünschten Überzeugungsversuchen werden. Gastautor Johannes Mosmann beschreibt die Strategie der „psychologischen Impfung“ und analysiert anhand einer Prüfungsaufgabe aus den EU-Leitlinien für Lehrkräfte die pervertierte „Medienkompetenz“, die dabei vermittelt wird.

Die Ausbilder der Peer-Scouts können sich auch auf „Leitlinien für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte zur Bekämpfung von Desinformation und zur Förderung der digitalen Kompetenz durch allgemeine und berufliche Bildung“ stützen. Diese hat laut Mosmann eine „Expertengruppe“ für Medienpädagogik im Auftrag des EU-Parlaments erstellt, nachdem der Autor einer einschlägigen Nato-Studie dies dem zuständigen Ausschuss des Parlaments nahegelegt hat. Die beispielhaft vorgeschlagenen Prüfungsfragen in den Leitlinien machen deutlich, dass es dabei darum geht, dass die Schüler die offizielle Version des Weltgeschehens als Wahrheit wahrnehmen und alles davon Abweichende als Fake News oder Verschwörungstheorie identifizieren.

Das ist typisch für derartigen Projekte zur „Aufklärung über Verschwörungstheorien“ und damit auch bei der Ausbildung der Peer Scouts nicht anders zu erwarten. Wie im grassierenden Faktencheckerunwesen oder in einschlägigen Büchern, wird auf Teufel komm raus manipuliert. Es wird so getan, als rede man von absurden Thesen, wie dass wir von Reptilien regiert werden, um dann aber viel realistischere Thesen über denselben Kamm zu scheren. Es wird so getan, als gingen Verschwörungsthesen immer damit einher, dass irgendwelche dunklen Mächte einen monströsen Plan verfolgen, ganz vielen Menschen ganz großen Schaden zuzufügen. Gern wird deshalb auch alles, was man Verschwörungsthese nennen kann, in den Ruch des Antisemitischen gebracht. Was öffentliche Stellen sagen, wird unhinterfragt als die Wahrheit betrachtet, was davon abweicht, als Fake News oder Verschwörungstheorie.

Weil die verwendete Definition der Verschwörungstheorie meist extrem diffus und dehnbar ist, kann jegliche (noch) unbewiesene These von Regierungskritikern, wonach bestimmte Maßnahmen (auch) andere Ziele oder Folgen haben als die erklärten, pauschal als Verschwörungstheorie gebrandmarkt werden.

Auf diese Weise wurde etwa die These, dass Covid-19 eine schlimme Infektionskrankheit ist, zu deren Eindämmung der Reiseverkehr eingeschränkt werden sollte, zu Anfang als Verschwörungstheorie bezeichnet, ebenso die Warnung, dass eine drastisch Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten bevorstünde (Lockdown), dass es einen Ausschluss Nichtgeimpfter vom öffentlichen Leben, dass es Privilegien für Geimpfte, eine Impfpflicht oder ein „Impfabo“ geben werde. Alles „Verschwörungstheorien“, die von der Regierung und ihren Alliierten in Wissenschaft und Medien als solche bekämpft wurden, bis sie sich als die Wahrheit herausstellten.

Dazu aus dem Corona-Neusprech-Kompendium der Eintrag zur Verschwörungstheorie:

„Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist einer der älteren Neusprech-Begriffe, der durch Corona zu neuer Blüte gelangte. Er wurde von der CIA zwar nicht erfunden, aber der Geheimdienst propagierte seine Nutzung um all jene abzuqualifizieren, die die offizielle These anzweifelten, dass John F. Kennedy von einem Einzeltäter mit einer einzigen Kugel von hinten durch die Brust in den Kopf erschossen wurde, und die stattdessen die Möglichkeit ins Spiel brachten, dass die CIA, für die der Täter Oswald gearbeitet hatte, etwas mit dem Mord zu tun haben könnte. Seither wird der Begriff von staatstragenden Medien und Institutionen zur Diskreditierung so ziemlich jeder wirkmächtigen Kritik an den Regierenden oder ähnlich mächtiger Personen oder Institutionen verwendet.(…)“

Man wird dieses Projekt genau verfolgen und darauf abprüfen müssen, ob es einen Verstoß gegen den „Beutelsbacher Konsens“ darstellt, dessen Prinzipien laut bpb als didaktische Leitgedanken politischer Bildung etabliert sind und von der Kultusministerkonferenz übernommen wurden, darunter:

„Das Überwältigungsverbot, das es nicht erlaubt, Schüler*innen „im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der ‚Gewinnung eines selbstständigen Urteils‘ zu hindern“,
das Kontroversitätsgebot, nach dem auch im Unterricht kontrovers erscheinen muss, was „in Wissenschaft und Politik kontrovers ist“.

Weil die Reichsbürger derzeit so ein großes Thema für die Bekämpfer der Verschwörungstheorien sind, will ich den Projektträgern als kleiner Service etwas Material zu diesem Thema mitgeben:

Reichsbürger Wolfgang Schäuble
5. 12. 2016 | Gastautorin Andrea Drescher hinterfragt die plötzliche Reichsbürgerhysterie und sorgt sich, dass diese zur Einschränkung der Meinungsfreiheit dienen könnte. Dabei kann man die Thesen, die Reichsbürgern zugeschrieben und als demokratiefeindlich gebrandmarkt werden, durchaus auch von Menschen und Instanzen wie Wolfgang Schäuble, Gregor Gysi, der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht hören.

Änderungshinweis: In der Nacht zum 17.5. hatte im Vorschautext noch gestanden, das Bundesbildungsministerium sei grün geführt. 

Nachtrag vom 19.5.: Video seit 17.5. nicht mehr verfügbar

Ein Leser schreibt mir:

„In Ihrem Beitrag vom 16.05.2023 „Das Bildungsministerium lässt Jugendliche zu Kämpfern gegen Verschwörungstheorien ausbilden“ hatten
Sie auf einen älteren Beitrag „Reichsbürger Wolfgang Schäuble“ vom 5.12.20216 verwiesen. In diesem wiederum war ein youtube-Link
https://www.youtube.com/watch?v=NNj7rrFTwVM mit dem Zitat von Gregor Gysi: „Ich muss ihnen mal ganz ernsthaft sagen, dass das
Besatzungsstatut immer noch gilt…“ Am 16.05.2023 konnte ich dieses Video noch sehen. Nun wollte ich es lokal sichern, aber das Wahrheitsministerium war schneller: „Video nicht verfügbar. Dieses Video ist nicht mehr verfügbar, weil das mit diesem Video verknüpfte YouTube-Konto gekündigt wurde.“

Meine Anmerkung: Google hat zwar Mitte Mai angekündigt, Videos, und andere Inhalte, die mit lange inaktiven Accounts verbunden sind, mit diesen Accounts zu löschen. Das soll aber laut Medienberichten behutsam und erst ab Dezember 2023 geschehen. Es sollte also nicht der Grund für diese Löschung sein. Das ist natürlich ausgesprochen bedauerlich und auch kritikwürdig, sofern es auch wichtige, viel frequentierte Videos betrifft. Denkbar ist leider, dass Google diese ruppige neue Vorgehensweise angekündigt hat, um selektiv Videos löschen zu können, ohne sich den Zensurvorwurf einzuhandeln. In Anbetracht der Tatsache, dass Google ansonsten keinen Speicherplatzbedarf scheut, um alles zu sammeln und zu archivieren, wessen es habhaft werden kann, ist die angekündigte Vorgehensweise immerhin untypisch.

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