Der VRR ist nach eigenen Angaben der einwohnerstärkste Verkehrsverbund Deutschlands. Nach einem Bericht der Rheinischen Post (nur für Abonnenten) geht das Verbundunternehmen Rheinbahn voran und will „zeitnah“ Papierfahrkarten abschaffen, sodass man nur noch mit einer Smartphone-App oder einer aufladbaren Guthabenkarte bezahlen und seine Mitfahrberechtigung nachweisen kann.
Die Guthabenkarten soll man „im Kundenzentrum“ auch mit Bargeld bezahlen können. Das deutet nicht darauf hin, dass ein halbwegs engmaschiges Vertriebsnetz für die Alternative zum Smartphone geplant ist. Das würde bedeuten, dass Barzahler, vor allem, wenn sie von außerhalb kommen, und Nicht-Smartphonenutzer, kaum eine Möglichkeit haben würden, legal den öffentlichen Nahverkehr in diesen Regionen zu nutzen. Das betrifft vor allem Kinder, alte Menschen, körperlich Eingeschränkte und Menschen, die das Überwachungsgerät Smartphone ablehnen.
Ein Skandal ist das Vorhaben auch deshalb, weil dadurch alle Möglichkeiten beseitigt werden, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ohne Datenspuren zu erzeugen, die zu einem Bewegungsprofil zusammengefügt werden können und auch werden. Das widerspräche dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Der VRR spricht dem Bericht zufolge von einer „Tarif- und Vertriebsstrategie 2030“. Die Rheinbahn gehe als Pilotunternehmen voran, sagte eine Sprecherin des VRR RP-Online: „Der konkrete Ablauf beziehungsweise Prozess ist für das Pilotvorhaben noch zu definieren.“ Interessierte Unternehmen konnten sich bis Ende November bei der Rheinbahn bewerben, um das sogenannte „Calo“-System einzuführen. Calo steht für das denglische Kunstwort „cashlos“ (bargeldlos). Schon zu Jahresbeginn hat der VRR eine Preisdiskriminierung gegen Nutzer von Papierfahrkarten eingeführt. Deren Preise steigen, während die Preise für Smartphone-Tickets unverändert bleiben.
Digital-, Verkehrs- und Justizminister Volker Wissing (parteilos) hat jüngst explizit gemacht, dass es Teil der Digitalstrategie der Bundesregierung ist, analoge Alternativen zu digitalen Prozessen zu beseitigen. Dazu nutzt sie staatseigene oder teilstaatliche Unternehmen wie die Bahn und DHL und fördert die Umstellung der Fahrscheinsysteme von Verkehrsbetrieben und -verbünden, wenn dabei die Barzahlungsmöglichkeit eingeschränkt wird. Proteste von Verbraucher-, Behinderten-, Senioren- und weiteren Verbänden und von Datenschützern haben sie bisher nicht beeindruckt.
Fazit
Es ist wichtig, dass Interessenverbände, Datenschützer, Parteien und Bürger sich nicht von der Zermürbungsstrategie der Regierung klein kriegen lassen, sondern weiter protestieren. Das hat schon bewirkt, dass die Bahncard weiterhin auch ohne Smartphone genutzt werden kann und dass die Pläne aufgegeben wurden, Ankunftspläne am Bahnhof abzuschaffen und Sparpreise nur noch gegen Angabe einer Mailadresse oder Handynummer zu verkaufen. Damit DHL die Aushändigung von Paketen nicht von einem Smartphone abhängig machen darf, wurde extra das Postgesetz geändert. (Allerdings ignoriert das Unternehmen einfach das Gesetz, wohl nicht zuletzt, weil der Hauptverantwortliche nun auch noch Justizminister ist.) Der Protest dagegen und, dass man das Deutschlandticket fast nur noch für das Smartphone bekommt, muss weitergehen und stärker werden. Auch über der Rheinbahn und dem VRR sollte ein großer Proteststurm niedergehen. Letztlich dringend nötig ist ein Gesetz, dass es öffentlichen Stellen und Verkehrsunternehmen verbietet, die Bargeldannahme zu verweigern und die Einführung eines Rechts auf analoge Teilhabe am sozialen Leben.
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