Um Missverständnisse zu vermeiden, will ich vorab klarstellen, dass ich mich über jede Stimme freue, die FPÖ und AfD nicht bekommen. Denn ich halte sie für Parteien mit teilweise sehr problematischem Personal und teilweise problematischem Programm. Aber die selbstgerechte, kontraproduktive Art, wie mit den rechten Parteien umgegangen wird, stört mich gewaltig. Willacker scheint sie eher zu amüsieren. Denn für FPÖ und AfD gibt es kaum etwas Besseres. Wer in Erwägung zieht, für diese Parteien zu stimmen, erkennt das Pharisäertum leicht und wählt sie dann erst recht.
Die ehemalige AfD-Politikerin Frauke Petry war Verteidigerin der FPÖ des vom Schweizer Theaterregisseur Milo Rau im Wiener Odeon inszenierten Festwochen-„Prozess“. In der von ihr hochgeladenen Rede (Youtube) sagt Zeuge Willacker:
„Braucht man Parteien wie FPÖ oder AfD? Braucht man Rechte?, lautete die Leitfrage, die mir von Seiten des Veranstalters mitgegeben wurde. Ich unterstelle einmal, wir haben das auch schon gehört, dass in diesem Saal gar nicht wenige sitzen, die diese Frage mit einem klaren Nein beantworten würden. (…) Sie meine Damen und Herren, brauchen die FPÖ wie den Bissen Brot. (…) Warum brauchen Sie, liebe Studienräte und solche, die es noch werden wollen, die AfD und die FPÖ? Sie brauchen diese Parteien, um Ihre Schuld kompensieren zu können. Wo wir hier in der Geburtsstadt der Psychoanalyse sind (…) Sie brauchen diese Partei, denn Ihr Ich ist nicht in der Lage, den Konflikt zwischen Ihrem Es und Ihrem Über-Ich zu kalmieren und konstruktiv zu kanalisieren.
Sie sind zu weiß, Sie sind zu reich, Sie sind zu heterosexuell. Sie fahren zu viel Auto, Sie essen zu viel Fleisch und Sie heizen falsch. Und dann hatten Sie auch noch diesen Großvater, über den in Ihrer Familie seit jeher deutlich mehr geschwiegen als gesprochen wird. Und genau hier, am Gipfel Ihres schlechten Gewissens, kommen die Rechten ins Spiel.
Nicht nur, dass diese schlimmer sind als Sie: Sie fahren noch mehr Auto, essen noch mehr Fleisch und sind noch heterosexueller. Die besitzen auch noch die Unverfrorenheit, sich nicht einmal ansatzweise für ihr Tun und ihr Sein zu schämen. Und damit haben Sie, meine Damen und Herren, endlich das ausgelagerte Feindbild, das Sie brauchen, um sich nicht länger dem Konflikt mit Ihrem eigenen Selbst stellen zu müssen.
Die eigenen Kinder nicht mit faktisch unbeschulbaren Migranten aus prekären Verhältnissen in dieselbe Klasse schicken zu wollen, macht sie nicht zu einem schlechten Menschen, weil es ja dort noch diejenigen gibt, die die Migranten samt und sonders abschieben wollen. Und besser als die sind Sie allemal. Wären die nicht rechts, wären Sie nicht links. Wären die nicht schlecht, wären Sie nicht gut. Und weil dieser Selbstbetrug das einzige Erlösungsversprechen ist, was Ihnen seit Ihrem Austritt aus der katholischen Kirche geblieben ist, haben sie ihn unter dem Schlagwort Kampf gegen Rechts sogar institutionalisiert. (…)
Der moralische Ablasshandel im Kampf gegen Rechts ist längst zu einer gigantischen Selbstbestätigungsmaschinerie geworden, die sich kilometerweit von den Interessen derjenigen entfernt hat, die zu protegieren sie vorgibt.“
Bei 1h:58min:40s geht seine Rede weiter und bleibt hörenswert.
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