Ein neues Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts schlägt dem Fass vollends den Boden aus. Bargeld annehmen zu müssen, wie es §14 Bundesbankgesetz vorschreibt, kann für Behörden und solche die sich dafür halten, lästig sein. Für Finanzämter hat der zuständige Gesetzgeber deshalb Ausnahmen definiert. Einige Verwaltungsrichter meinen, er hätte das auch für Rundfunkanstalten tun sollen. Weil er es nicht getan hat, betätigen sie sich als Über-Gesetzgeber. Ihre Manöver, diese rechtsbeugende Anmaßung zu verbergen, werden immer abenteuerlicher.
Der Kläger wollte unter Berufung auf §14 Abs.1 Satz 2 des Bundesbankgesetzes, das Euro-Bargeld zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt, seinen Rundfunkbeitrag bar bezahlen. Mit Urteil 4 A 14/16 hat ein Einzelrichter des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts die Klage abgewiesen. Die Begründung im Kern:
„Nach §14 Abs. 1 S.2 BbankG sind auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. Hiermit soll sichergestellt werden, dass auf Euro lautenden Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind und grundsätzlich – anders als Münzen (…) in unbeschränkter Höhe anzunehmen sind. Die Regelung von Zahlungsmodalitäten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung in Massenverwaltungsverfahren wird damit in keiner Weise berührt (VG München, Urteil vom 13.10.2016, M 6 K 15.3467).“ (Fehler bei „lautenden“ im Original. Im Urteil aus München aus dem der Satz abgeschrieben ist, findet er sich nicht.)
Die Begründung lautet also: ‚Das Bundesbankgesetz gilt für die Rundfunkanstalten nicht, weil ich sage, dass es für die Rundfunkanstalten nicht gilt.‘
Es bedürfe deshalb nicht einmal der teleologischen Reduktion des §14 BbankG, wie sie das VG Frankfurt in meinem Verfahren gegen den Hessischen Rundfunk erfunden hat. Zur Erinnerung: Teleologische Reduktion bedeutet, dass man den Anwendungsbereich eine Vorschrift über den Wortlaut hinaus eingrenzt, weil eine breitere Anwendung dem Zweck der Vorschrift entgegenstünde und insofern klar ist, dass der Gesetzgeber eine Anwendung auf diesen Sachverhalt nicht gewollt haben kann.
Die verquere Logik des Richters aus dem hohen Norden lautet damit:
‚Man braucht die allgemeine Annahmepflicht für das gesetzliche Zahlungsmittel nicht so (teleologisch) einschränken, dass Massenzahlungsverfahren davon ausgenommen sind, weil ich als Richter kraft meiner mir selbst erteilten Rechtsetzungskompetenz sage, dass sie ohnehin überall da nicht gilt, wo Nichtgeltung das Leben für die Verwaltung einfacher macht.‘
Dazu verweist er noch auf einschränkende Regelungen des BUNDESgesetzgebers in Hinblick auf Barzahlungen bei Finanzämtern und Barzahlung der Kraftfahrzeugsteuer. Das wird gleich noch wichtig.
Vielleicht findet sich die Begründung ja in dem Urteil aus München, auf das verwiesen wird:
„Soweit der Kläger eine Verletzung von § 14 Absatz 1 Satz 2 BBankG – und damit einen Verstoß gegen das in Art. 31 GG normierte Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ geltend macht, kann er damit nicht durchdringen. Denn Zweck des § 14 Absatz 1 Satz 2 BBankG ist es nicht, die Regelung von Zahlungsmodalitäten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung in Massenverwaltungsverfahren zu beschränken, sondern klarzustellen, dass auf Euro lautende Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind, also grundsätzlich anders als Münzen (…) in unbeschränkter Höhe anzunehmen sind. Die gesetzliche Regelung von Ausnahmen – wie in § 9 Abs. 2 RBStV in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Rundfunkbeitragssatzung – soll hingegen nicht ausgeschlossen werden.“
Kommentar und Folgerungen:
Wenn das VG München damit Recht hat, dass es Zweck von §14 BbankG ist klarzustellen, dass auf Euro lautende Banknoten grundsätzlich in unbeschränkter Höhe anzunehmen sind (und ich zweifle nicht daran), dann hat das VG Frankfurt mit seiner teleologischen Reduzierung Unrecht. Denn es ist abseitig zu argumentieren, dass dieser Zweck dadurch beeinträchtigt würde, dass Verwaltungen Banknoten annehmen müssen, wenn kein gültiges Gesetz sie davon ausnimmt.
Die Feststellung „Die gesetzliche Regelung von Ausnahmen soll nicht ausgeschlossen werden“, ist wohl korrekt. Mit keinem Wort wird aber begründet, woher ein Satzungsgeber oder Landesgesetzgeber die Kompetenz haben soll, Ausnahmen zu einem Bundesgesetz festzulegen – zumal der Richter ausdrücklich das Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ nennt. Ohne es so klar zu sagen, lautet die Begründung also: ‚Wenn der Gesetzgeber daran gedacht hätte, dass es Massenzahlungsverfahren der Verwaltung nicht nur auf Bundesebene, sondern auch auf Landesebene und darunter gibt, wäre er sicherlich so verständig gewesen und hätte den Landesgesetzgebern die Kompetenz gegeben, Ausnahmen zur Pflicht zur Annahme des gesetzlichen Zahlungsmittels zu regeln. Weil er das aber über die letzten fünf Jahrzehnte, in denen Banküberweisungen schon die Norm sind, hartnäckig versäumt hat, kommt hiermit von mir kraft der Rechtssetzungsbefugnis, die ich mir hiermit selbst gewähre, die Ersatzvornahme. Ich verfüge: §14 Abs.1 S.2 gilt nicht für alle Massenzahlungsverfahren der Verwaltung.‘
Beide Verwaltungsgerichte nehmen also für sich in Anspruch, Recht zu setzen, das sie für richtig halten, das der zuständige Gesetzgeber aber nicht gesetzt hat.
Der Richter aus Schleswig-Holstein widerspricht sich und München sogar noch dadurch selbst, dass er auf die zwei gesetzlich geregelten Ausnahmen zur Bargeldannahmepflicht verweist. Wenn es stimmen würde, dass §14 BBankG „die Regelung von Zahlungsmodalitäten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung in Massenverwaltungsverfahren in keiner Weise berührt“, und der Gesetzgeber das auch so sähe, dann hätte er es kaum für nötig befunden, derartige Ausnahmen für bestimmte Massenverfahren gesetzlich zu regeln. Wenn aber eine gesetzliche Regelung dieser Ausnahmen nötig war, dann ist auch klar, dass diese Regelung von Ausnahmen auf der richtigen gesetzgeberischen Ebene erfolgen muss, um gültig zu sein. Die richtige Ebene, um ein Bundesgesetz einzuschränken, ist der Bundesgesetzgeber.
Mir fällt es zunehmend schwer anzunehmen, dass dieses routinemäßige Außerkraftsetzen elementarer Gesetze der Logik durch Verwaltungsrichter im Zusammenhang mit dem Rundfunkbeitrag noch durch unschuldige Inkompetenz zu erklären ist. Immerhin sind Volljuristen Leute, die viele Jahre lang auch in logischem Denken und schlüssigem Argumentieren geschult wurden, und nur Volljuristen mit hervorragenden Abschlüssen werden Richter.
Mein Anwalt Carlos Gebauer hat das Dilemma der Richter, die solche widersprüchlichen und anmaßenden Urteile fällen, in der Berufungsbegründung für den Hessischen Verwaltungsgerichtshof so beschrieben:
„Die Richter standen vor der schwierigen Entscheidung, entweder in faktischer Staatsräson die einmal gegebene Verwaltungsstruktur des Rundfunkbeitrages irgendwie gutzuheißen oder aber das etablierte juristische Handwerk unserer Rechtsordnung widerspruchsfrei und prinzipientreu anzuwenden. Ein jeder Richter muß also entscheiden, welche Bindung für ihn die stärkere ist; die zu staatspraktischer Faktizität oder die zu unserer Gesamtrechtordnung mit ihrer gesamten Dogmatik. Die Bindung an das Recht mag in solchen Fällen mit persönlichen Überzeugungen oder allgemeinen Anschauungen kollidieren; sie aber ist es, auf der die nachhaltige Funktionsfähigkeit einer Rechtsordnung und die der sie schützenden dritten Gewalt unausweichlich fußen. Gerade der Verwaltungsgerichtsbarkeit und ihren Richtern ist diesbezüglich eine tragende Verantwortung auferlegt.“
Ich fürchte, viele bemühen sich nicht allzu sehr, dieser Verantwortung gerecht zu werden.