Ein prominenter Wirtschaftswissenschaftler täuscht mit seinen Veröffentlichungen die Leser und bricht in offenkundiger Weise den Ethikkodex des Verbands der deutschsprachigen Volkswirte. Die Reaktion Vereins für Socialpolitik (VfS): Er verleiht dem Ertappten einen Preis für die Beeinflussung der wirtschaftspolitischen Diskussion mit wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Ungünstiger hätte das Timing kaum sein können. Christoph Schmidt, der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen und Präsident des Forschungsinstituts RWI wurde sicherlich als Empfänger des diesjährigen Gustav-Stolper-Preises des VfS auserkoren, lange bevor ich vor einer Woche den wissenschaftlichen Betrug öffentlich machte, den Schmidt zusammen mit dem Wirtschaftsweisen Lars Feld mit einem Beitrag zur Ungleichheitsdiskussion beging – ausgerechnet auch noch in der Hauszeitschrift des Vereins für Socialpolitik, den Perspektiven der Wirtschaftspolitik (PWP). Der pikante Preisträger erklärt wohl, warum der Verein die dringend nötige Diskussion über die (fehlende) Umsetzung seines Ethikkodex tunlichst auf ein späteres Jahr verschob.
Nun kann man vielleicht von dem traditionsbewussten Verband nicht erwarten, dass er Wissenschaftler öffentlich abmahnt, die den VfS-Ethikkodex wiederholt und in eklatanter Weise brechen, den es seit 2014 gibt. Aber ihnen dafür auch noch einen Preis zu verleihen, setzt dem ganzen schon die Krone auf. VfS-Vorsitzende Monika Schnitzer begründete die Vergabe des Gustav-Stolper-Preises an Schmidt nämlich ausdrücklich damit, er habe sich zuletzt beim Mindestlohn und bei der Debatte zur Ungleichheit in Deutschland deutlich positioniert.
Seine Positionierung zur Ungleichheit bestand darin, dass er mit Methoden, die ausgerechnet ein Mitglied der Ethikkommission des VfS bereits als unwissenschaftlich und am Rande der Täuschung gebrandmarkt hatte, die ganze Diskussion auf eine Fehlwahrnehmung der Bevölkerung reduzierte. In der Mindestlohndiskussion hatte er sich als Arbeitsmarktexperte des von ihm geführten Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung mit Warnungen vor Arbeitsplatzverlusten und Nachteilen für Jugendliche und Geringqualifizierte hervorgetan. Auch dabei schreckte er nicht vor täuschenden Literaturverweisen und weiteren unethischer Tricks zurück.
Als nichts von den prognostizierten negativen Wirkungen eintrat, redete sich der Sachverständigenrat lange damit heraus, es sei noch zu früh, die Wirkungen verlässlich abzuschätzen und als das irgendwann nicht mehr ging, damit, dass eine ungewöhnlich gute Konjunkturlage verhindert hätte, dass die negativen Wirkungen eintraten.
Die extrem windigen Argumente des Sachverständigenrats und seine oft hart an der Grenze und manchmal jenseits der Grenze zum wissenschaftlichen Betrug arbeitenden Tricks gaben mir Stoff für eine vielbeachtete Serie namens „Wie die Wirtschaftsweisen tricksen und täuschen“.
Mit dem Gustav-Stolper-Preis ehrt die tonangebende Vereinigung deutschsprachiger Ökonomen jedes Jahr „hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit Erkenntnissen wirtschaftswissenschaftlicher Forschung die öffentliche Diskussion über wirtschaftliche Zusammenhänge und Probleme beeinflusst und wichtige Beiträge zum Verständnis und zur Lösung ökonomischer Probleme im internationalen Vergleich geleistet haben.“
Ob bei dieser Beeinflussung der wirtschaftspolitischen Diskussion die Öffentlichkeit getäuscht und der Ethikkodex des Verbands gebrochen wird, spielt offenbar keine Rolle.