Zu wenig Geld ist in Umlauf, weil die Geschäftsbanken, die dieses per Kreditvergabe schaffen sollen, zu wenig Kredit geben und die schon hochverschuldete Kundschaft oft keine neuen Kredite haben will. Deshalb läuft die Wirtschaft schlecht und die Inflation ist viel niedriger als die Europäische Zentralbank anstrebt. Die EZB hat lange die Banken mit billigen Krediten gemästet, ohne Erfolg. Jetzt geht sie dazu über, Wertpapiere zu kaufen. Dadurch pumpt sie neues Geld in die Finanzmärkte.
Das treibt die Aktien- und Anleihekurse sowie die Immobilienpreise weiternach oben. Die Bank von England hat in einer Broschüre erläutert, dass genau dies die angestrebte Wirkung der Wertpapierkäufe ist. Das macht vor allem die Finanzinstitute reicher, und die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung, bei denen rund die Hälfte aller Vermögenswerte konzentriert sind.
Die Notenbanken bemühen das bemühte TINA von Margaret Thatcher: There Is No Alternative. Sie tun so als gäbe es keine Alternative zu dieser unsozialen Politik. Doch das scheint nur so, weil sie andere, durchaus bekannte oder bereits genutzte Möglichkeiten systematisch ausblenden. Wie der ehemalige US-Notenbankchef Ben Bernanke (in einem Vortrag aus dem Jahr 1999)und der ehemalige britische Notenbanker Willem Buiter übereinstimmend betonen, kann eine Zentralbank, die Geld frei drucken kann, immer dafür sorgen, dass genügend Geld in Umlauf kommt. Wenn sie es nicht tut, ist das eine Politikentscheidung. (Für mögliche Gründe, siehe „Never Waste a Good Crisis!“)
Hier eine nicht erschöpfende Liste der Möglichkeiten. Nicht jedem wird jede gefallen, aber kaum jemand wird bestreiten, dass es tolerable Möglichkeiten auch abseits des Beschenkens der Finanzinstitute und der Reichen gibt:
- Helikopter-Geld: Der Monetarist Milton Friedman prägte den Ausdruck mit dem Gedankenexperiment, was eine Zentralbank tun könnte, wenn Kreditklemme herrscht und Deflation droht, nämlich über das Land zu fliegen und Geldscheine zu verstreuen. Die praktikable Variante besteht darin, dass die Notenbank jedem Bürger einen Scheck schickt.
Fürsprecher: Ben Bernanke, Milton Friedman, Thomas Mayer, Wolfgang Münchau, Mark Blyth (Brown University) und Eric Lonergan Hedgefondsmanager), Daniel Stelter und (mit Abstrichen) Willem Buiter, Citigroup. - Spenden: Moderate Form des Helikoptergeldes. Die EZB könnte ihr bisher sehr bescheidenes Spendenbudget vervielfachen. Jeder von der EZB gespendete Euro ist zusätzliches Geld in Umlauf. Es kostet nicht nur nichts, es nützt sogar doppelt, denn die EZB will erklärter Maßen mehr Geld in Umlauf bringen.
- Ausgleichsposten für IWF-Sonderziehungsrechte auflösen und als Gewinn ausschütten. Es gibt einen Posten von 55 Milliarden Euro in der gemeinsamen Bilanz des Eurosystems , der auf den kreativen Namen „Ausgleichsposten für vom IWF zugeteilte Sonderziehungsrechte“ hört. Den sollten die Notenbanker einfach auflösen und die Staatsschuldenkrise damit lindern. Die Notenbanker haben ihn erfunden, als der Internationale Währungsfonds zusätzliches Geld an die Zentralbanken aller Mitgliedsländer verschenkte, sogenannte Sonderziehungsrechte. Wenn die Notenbanken das einfach nur als Geschenk bilanziert hätten, hätte das direkt den Gewinn gesteigert und wäre auszuschütten gewesen. Das war nicht im Sinne des Erfinders, denn das Geld sollte ja bei den Zentralbanken sein, damit diese Zahlungsbilanzsalden ausgleichen konnten. Um den Bilanzgewinn nicht entstehen zu lassen, erfanden sie den Ausgleichsposten. Im heutigen System flexibler Wechselkurse hat er keine Rechtfertigung mehr. Würden die nationalen Zentralbanken des Eurosystems diesen Ausgleichsposten auflösen, hätten die Regierungen im nächsten Frühjahr 53 Milliarden Euro mehr auf dem Konto.
- Überhöhte Rücklagen auflösen. Die Notenbanken des Eurosystems haben 315 Mrd. Euro Rückstellungen aus der Aufwertung von Gold, Währungsbeständen und sonstigen Wertpapieren. Diese Rücklagen sin viel höher als nach menchlichem Ermessen nötig. Die Notenbanken bilanzieren extrem konservativ, um möglichst viel Vermögen bei sich zu behalten und so die eigene Macht zu mehren. Große Teile dieser Rücklagen könnten sofort ausgeschüttet werden. Das würde den Geldumlauf direkt erhöhen und die Staatsschuldenkrise entschärfen.
- Hausbesitzern statt Banken helfen: Anstatt den Banken mit ihren faulen Hypothekarkrediten zu helfen, hätte die EZB überschuldeten Haushalten helfen können, zum Beispiel indem sie Banken notleidende Kredite zu einem guten Preis abkauft, unter der Bedingung, dass die Belastung für die Hausbesitzer auf ein tragfähiges Maß reduziert wird.
Fürsprecher: Steve Keen, Dean Baker, Richard Werner, Helge Peukert (Uni Erfurt) uva - Banken mit Gegenleistung sanieren. Mit ihren langfristigen Finanzierungsangeboten für Banken zu einem sehr niedrigen Zins, genannt LTRO und TLTRO lässt die EZB den Banken eine riesige Zinssubvention zukommen. Alternativ müssten die Banken sich über die Ausgaben von Anleihen zu einem sehr viel höheren Zins refinanzieren. Willem Buiter schätzt den Subventionswert aus der ersten Billion der LTRO-Mittel von 2011/2012 auf eine Größenordnung von 80 Milliarden Euro. Dafür hat die EZB keine Gegenleistung verlangt. Mit den ab September 2014 vergebenen „gezielten“ LTROs oder TLTROs hat die EZB einen Schritt Richtung Gegenleistung gemacht. Nur Banken, die Richtwerte für die Kreditvergabe erfüllen, dürfen das Geld behalten. Die Bedingungen sind aber so zahm, dass sie fast irrelevant sind. Die EZB könnte viel strenger sein, was Mindestreserveverpflichtungen (im Zuge der Krise auf lächerliche 1% gesenkt) und Ähnliches angeht. Wenn sie notleidenden Banken Erleichterungen oder sonstige Subventionen zukommen lassen will, könnte sie das davon abhängig machen, dass diese eine Geschäftspolitik im Sinne der Gesamtwirtschaft verfolgen. Wozu unter anderem der folgende Punkt 6 (Kreditlenkung) gehören könnte.
Fürsprecher: Richard Werner - Kreditlenkung. Es gibt keine Gewähr, dass die Banken ihre Kredite von selbst in die gesamtwirtschaftliche beste Verwendung vergeben. Am besten sind aus dieser Sicht Investitonskredite. Eine starke Ausweitung der Konsumentenkredite ist problematisch, weil sie die Nachfrage bei zunächst gegebenem Produktionspotential befeuern, was die Inflation anheizt. Danach kommt oft der Kater. Eine starke Ausweitung der Kredite zum Kauf bestehender Vermögenswerte wie Unternehmen, Immobilien oder Wertpapieren ist hochgefährlich. Sie führen zu Preisblasen die sich zunächst selbst verstärken nd dann in den Crash führen. Die Zentralbank sollte den einzelnen Banken und Bankengruppen daher Richtwerte für die Struktur ihrer Ausleihungen geben. Sie sollte die Ausdehnung der problematischen Kreditarten begrenzen und die Vergabe von echten Investitionskrediten begünstigen.
Fürsprecher: Richard Werner, Karl-Theodor zu Guttenberg (ehem. Wirtschaftsminister) - Bankkredite an Regierungen zulassen: Die EZB beharrt darauf, dass der Anleihemarkt, ein Euphemismus für die Finanzbranche, als Wächter über die Solidität der Staatsfinanzen gebraucht wird. Ohne dieses Dogma könnten sich die Regierungen von Konsortien großer nationaler Banken Großkredite holen und sich darüber finanzieren. Wenn sie Anleihen die von Nichtbanken gehalten werden auslaufen lassen und stattdessen Bankkredite beziehen, steigt der Geldumlauf. Dann mit einem Bankkredit ist Geldschaffung verbunden. Wenn eine Nichtbank eine Anleihe kauft, wird nur Geld umverteilt.
Fürsprecher: Richard Werner.
- Banken mit Staatsanleihen sanieren: Modell 8 lässt sich ausbauen. Banken mit schwacher Eigenkapitalbasis könnte die jeweilige Regierung sanieren, indem sie ihnen Eigenkapital in Form von eigens dafür emittierten Staatsanleihen zur Verfügung stellt. Die Banken wiederum haben damit Wertpapiere, die sie bei der EZB zur Refinanzierung einreichen können. Damit können sie Unternehmen, Haushalten oder, wenn diese nicht wollen, dem Staat Kredit geben. Die spanische Regierung wollte Zeitungsberichten zufolge die notleidende Bankia so sanieren. Irgendjemand in Brüssel und/oder Frankfurt hat sie gestoppt.
- Das Modell Irland ausweiten: Die irische Regierung bekam auf Umwegen rund 30 Mrd. Euro von der irischen Notenbank um die heimischen Banken zu sanieren. Mit der Rückzahlung hat sie Zeit bis 2053. Der EZB-Rat, der solche Geschäfte untersagen kann, schaute weg, obwohl er sonst immer ein Verbot der direkten der indirekten Staatsfinanzierung behauptet und sehr wichtig nimmt Wenn der EZB-Rat nicht so eklatant mit zweierlei Maß messen würde, wäre die Staatsschuldenkrise vorbei.
Gegenargumente:
Helikoptergeld und Spenden
1. Das ist Fiskalpolitik und nicht Geldpolitik und damit darf die Zentralbank das nicht in Eigenregie tun. Antwort: Willem Buiter hält denen, die an der Legitimität der Maßnahme zweifeln, entgegen, dass „wir nicht in der Lage waren, eine Klausel in den Verträgen zu finden, die den Abwurf von Helikoptergeld durch die EZB verbietet“. Vielmehr sei es das Mandat der EZB, Preisstabilität zu sichern – was die EZB selbst als Inflationsrate unter, aber nahe bei zwei Prozent definiert hat. „Wenn der Abwurf von Helikoptergeld nötig ist, um dieses Ziel zu erreichen, dann kann man argumentieren, dass die Verträge Helikoptergeld nicht nur erlauben, sondern sogar verlangen“, so Buiter. Und selbst wenn es die Zentralbank nicht allein dürfte: Benn Bernanke hat in seinem Vortrag von 1998 darauf hingewiesen, dass nichts die Notenbank daran hindert, das in Abstimmung mit der Regierung oder den Regierungen oder der EU-Kommission und mit Zustimmung des Parlaments zu tun.
2. Die Armen würden mehr bekommen, relativ zum Einkommen und Vermögen, als die Reichen. Habe ich als Argument tatsächlich gehört. Antwort: Kein Kommentar.
3. Bilanzierung: Nach derzeitigen (selbst gewählten) Bilanzierungsregeln bucht die Notenbank für jeden ausgegebenen Euro eine Verbindlichkeit. Wenn sie Geld verschenkt macht sie Verluste, beziehungsweise reduziert den Gewinn. Entsprechend weniger kann sie an den Staat ausschütten oder braucht sogar einen Kapitalnachschuss. Das konterkariert den ursprünglichen Effekt. Antwort: Die Verbindlichkeit steht nur auf dem Papier. Das Geld der Zentralbank ist nichts anderes als ein Anspruch auf eben dieses Geld. Die Notenbank kann daher eine dauerhafte, nicht erfolgswirksame Passivbuchung beliebigen Namens vornehmen, anstatt zu Lasten des Gewinns eine Verbindlichkeit zu buchen.
4. Inflationsgefahr: Das Geld ist dauerhaft in Umlauf, wenn es verschenkt wurde. Wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommt, kann es nicht wieder eingesammelt werden. Antwort: Kein Problem. Die Zentralbank kann ohne weiteres die Mindestreserve als Politikinstrument reaktivieren. Wenn sie die den Mindestreservesatz anhebt, können die Banken weniger Kredit geben und daher weniger Giralgeld schaffen. Auf diese Weise kann die Notenbank die Geldmenge beliebig wieder verkleinern. Das macht als Nebeneffekt das Bankensystem erheblich sicherer, weil mehr schuldfreies Zentralbankgeld in Umlauf ist, relativ zum Giralgeld der Banken.
Ausglechsposten und Rücklagen auflösen
Wenn an den Regierungen Geld gibt, machen sie doch nur Unsinn damit. Man hält sie besser kurz, damit sie sparen.
Antwort: Diese bei Notenbankern sehr verbreitete Haltung ist zutiefst undemokratisch. Letztlich steht das Streben nach Mehrung der eigenen, nicht demokratisch kontrollierten Macht dahinter. Denn eine Notenbank, die nur ein eng definiertes, technisches Ziel wie die Sicherung der Preisstabilität verfolgt – und nur dafür ist sie unabhängig – braucht nicht hunderte Milliarden schwere Vermögen zu horten um den eigenen Einfluss zu mehren.
Hausbesitzern helfen
1. Anreizverzerrung: Die Schuldner könnten sich auch künftig darauf verlassen, dass Ihnen geholfen wird und eine zu große Verschuldungsneigung entwickeln. Lösung: Ignorieren. Die Anreizprobleme bei den Banken, die sich auf Rettung durch EZB und Staat verlassen, sind um Potenzen größer.
2. Fairness: Wer sich nicht (zu sehr) verschuldet hat bekommt nichts. Das stimmt. Ist aber immer noch besser, als wenn die Schuldigen der Krise, die Banken, die allein Begünstigten sind. Eine verwandte Alternative ohne diese Verteilungswirkung ist das Helikoptergeld.
Banken mit Gegenleistung sanieren/Kreditlenkung
Es ist nicht Sache der Zentralbank auf die Geschäftspolitik der Banken Einfluss zu nehmen. Die Banken lenken Kapital zur besten Verwendung. Eingriffe verursachen nur Ineffizienzen und Fehllenkungen von Kapital.
Antwort: Hinter dem Gegenargument steht das diskreditierte Dogma von der Effizienz der Finanzmärkte. Die Anreize der Banken harmonieren aber keineswegs mit den gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen. Der Zeithorizont der Bankmanager und Aktionäre ist kurz. Wenn sie durch Finanzspekulation oder Kredite für Finanzspekulation das schnelle Geld machen können, tun sie dass, obwohl diese Geschäfte der Gesellschaft wenig nutzen und oft sogar schaden. Kredite für langfristige Investitionen sind dagegen für die Banken oft weniger attraktiv. Für die Gesellschaft dagegen sind sie mit Abstand die wichtigsten Kredite. Sie machen aber nur einen sehr kleinen Teil des Geschäfts moderner Großbanken aus. Kreditlenkung durch die Zentralbank nach gesamtwirtschaftlichen Erwägungen, wie sie früher weithin üblich war, ist daher sehr sinnvoll.
Bankkredite an Regierungen zulassen und Banken mit Staatsanleihen sanieren
Das ist indirekte Staatsfinanzierung, weil die EZB die Kredite der Banken an den Staat finanziert.
Antwort: Auch wenn die Banken Staatsanleihen kaufen, was sie standardmäßig tun, finanzieren sie den Staat mit Notenbankunterstützung. Das ist ganz normal. Der einzige Unterschied ist, dass Banken und Regierung, die ohnehin in einem Boot sitzen, explizit zusammenarbeiten und der dysfunktionale Anleihemarkt entmachtet wird.
Modell Irland ausweiten
Das ist verbotene Staatsfinanzierung mit der Notenpresse.
Antwort: Stimmt. Aber warum konnte die irische Zentralbank dies zugunsten der irischen Regierung mit Zustimmung der EZB tun, während es zugunsten anderer Regierungen angeblich unmöglich is? Liegt es vielleicht daran, dass die EZB auf manche Regierungen Druck ausüben will, während sie anderen einen großen Gefallen schuldet?
Siehe auch:
Mitreden trotz Münchau – Wie QE wirklich funktioniert
Schlagwörter: Europäische Zentralbank, Deflation, Geldumlauf, Helikoptergeld, Zentralbankbilanz, Quantitative Easing