Sudan: Schauplatz eines weiteren Stellvertreterkriegs

27. 04. 2023 | Im Sudan sind heftige Kämpfe mit vielen zivilen Opfern zwischen zwei Generälen ausgebrochen, die das Land gemeinsam regiert haben. In den Medien wird die Angelegenheit als einfache Rivalität zwischen zwei Militärs dargestellt, die nach ungeteilter Macht streben. Eine Tatsache, die in den Berichten auffallend wenig Erwähnung findet, könnte jedoch eine Rolle spielen: Russland war im Begriff, mit dem Sudan ein Abkommen über die Einrichtung eines Marinestützpunkts an der sudanesischen Küste des Roten Meeres zu schließen.

Ein Beispiel von vielen für die westliche Berichterstattung über die Lage im Sudan ist eine lange, von der britischen Regierung gesponserte Analyse von Chatham House. Sie wurde am 28. März, etwa zehn Tage vor Beginn der Kämpfe, veröffentlicht. Darin findet sich kein einziges Wort zur vereinbarten russischen Marinebasis, einem Thema, das für die amerikanische und britische Regierung von größter Bedeutung sein muss. Ebenso wird in so gut wie keinem der vielen Berichte über den Krieg im Sudan, die uns in diesen Tagen serviert werden, diese für NATO-Interessen so bedrohliche Aussicht erwähnt.

Es gibt jedoch einige Nachrichten von CNN und anderen, in denen behauptet wird, dass Russlands paramilitärische Gruppe Wagner eine der beiden Kriegsparteien unterstützt, nämlich General Mohammed Hamdan Dagalo, den Kommandeur der paramilitärischen Schnellen Eingreiftruppen (RSF). Es wird keine Erklärung dafür geliefert.

Im Februar allerdings gab es einen Bericht von ABC News mit dem Titel „Sudan military finishes review of Russian Red Sea base deal“. Dem Bericht zufolge hatte das sudanesische Militär die Überprüfung des Abkommens mit Russland über den Bau eines Marinestützpunkts abgeschlossen und es gebilligt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird mit den Worten zitiert, das Abkommen müsse noch von der noch zu bildenden sudanesischen Legislative ratifiziert werden, bevor es in Kraft treten könne.

Der Sudan hatte das Abkommen, das Moskau den Bau des Stützpunktes erlaubt, ursprünglich während der Regierung des ehemaligen Diktators Omar Hassan al-Bashir geschlossen, der 2019 von der Macht verdrängt wurde. Dem Bericht zufolge würde Russland dem Sudan im Gegenzug für das Recht, den Marinestützpunkt zu errichten, Waffen und Militärausrüstung zur Verfügung stellen. Die Vereinbarung sollte 25 Jahre lang gelten und automatisch um jeweils 10 Jahre verlängert werden, wenn keine der beiden Seiten Einwände erhebt.

Dies lässt den Eindruck entstehen, dass die russische Regierung den Übergang von der Militär- zu einer  Zivilregierung, wie er in einer von den Vereinten Nationen und verschiedenen Ländern im Dezember 2022 ausgehandelten Vereinbarung vorgesehen war, gerne vollzogen gesehen hätte.

Die US-Regierung dagegen hat unmissverständlich klargestellt, dass ihr die Idee eines russischen Marinestützpunkts am Roten Meer nicht gefällt. Anfang September 2022 entsandte sie den ersten vollwertigen Botschafter seit 25 Jahren in den Sudan. Bereits Ende desselben Monats warnte dieser die im Sudan regierenden Generäle öffentlich und unverblümt davor, Russland die Errichtung eines Marinestützpunktes an seiner Küste des Roten Meeres zu gestatten. Er sagte:

„Wenn die sudanesische Regierung beschließt, mit der Einrichtung dieser Fazilität fortzufahren oder sie neu zu verhandeln, wird dies den Interessen des Sudan schaden. (…) Alle Länder haben das souveräne Recht zu entscheiden, mit welchen anderen Ländern sie eine Partnerschaft eingehen wollen, aber diese Entscheidungen haben natürlich Konsequenzen.“

Medien ergreifen indirekt Partei

Der Kommandeur des RSF, General Mohammed Hamdan Dagalo, scheint sich besonders um die Beziehungen zu Russland bemüht zu haben. Im Februar 2022 reiste er zu einwöchigen Verhandlungen nach Moskau und erklärte bei seiner Rückkehr, sein Land habe keine Einwände gegen die Einrichtung eines russischen Stützpunkts. Er unterhält auch engere Beziehungen zu Äthiopien und Eritrea, deren Regierungen sich ebenfalls nicht gut mit der US-Regierung verstehen.

Sein Kontrahent, der Armeechef General Abdel Fattah al-Burhan, hat dagegen enge Beziehungen zu Ägypten, einem wichtigen Verbündeten der USA.

Liest man westliche Nachrichtenberichte über die Lage im Sudan, insbesondere in den US-Medien, kann man aus dem, was weggelassen wird, schließen, auf welcher Seite der Westen steht. Die Berichte, die ich gelesen habe, konzentrieren sich auf Dagalo und belassen es mit wenigen Worten zu Burhan, sodass der Eindruck entsteht, Dagalo sei der Hauptakteur und damit Hauptschuldige in diesem Konflikt.

Gleichzeitig fällt auf, dass weder die USA noch die EU die rücksichtslosen Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung in Khartum klar verurteilen. Die Medien weichen auch der Frage aus, wer die Bombardierungen durchführt, oder sie erwähnen kurz und neutral, wie der ARD-Weltspiegel dass die Armee unter General Burhan „ihre Überlegenheit am Himmel nutzt“. Wenn es sich um die Ukraine handelt, werden Verantwortliche für Bombardierungen der Zivilbevölkerung, einschließlich vieler Schulen und Krankenhäuser mit weniger neutralen Worten bedacht.

Die Vorgeschichte

Die USA führten Sudan bis Ende 2020 mit Nordkorea, Iran und Syrien auf ihrer Liste der staatlichen Terrorunterstützer, was bewirkte, dass es von internationalen Organisationen wie Weltbank und IWF und auch von anderen Regierungen kaum finanzielle Unterstützung bekam. Seit sich 2011 mit US-Untersüttzung der ölreiche Südsudan abgespalten hat, herrscht chronisch schwerer Devisenmangel.

2019 wurde nach monatelangen Protesten und Demonstrationen erst durch einen Militärputsch der Militärdiktator Omar al-Bashir abgesetzt und dann der neuen Junta eine gemsichte, zivil-militärische Übergangsregierung abgerungen, die ab September 2019 im Amt war. Geleitet wurde sie von Abdalla Hamdok, einem in Großbritannien ausgebildeten Ökonomen, der zuvor für die UN gearbeitet hatte. Finanzminister Ibrahim Elbadawi war ein in den USA ausgebildeter Ökonom, der zuvor viele Jahre für die Weltbank in Washington gearbeitet hatte und Gastwissenschaftler am Center for Global Development in Washington war.

Verschiedene Regierungen und Organisationen und die Weltbank vereinbarten Unterstützungsprogramme für das Land. Doch das Tauwetter ging im Oktober 2021 mit einem neuerlichen Militärputsch von General Burhan jäh zu Ende.

Fazit

Da uns nur sehr wenige verlässliche Berichte über die Hintergründe der Vorgänge im Sudan erreichen, kann man nicht viel mehr als begründet spekulieren, welche Fäden dort von wem gezogen werden. Aber von einem darf man ausgehen: die Darstellung eines von ausländischen Einflüssen weitgehend unabhängigen internen Machtkampfes, die uns geboten wird, ist ziemlich sicher falsch. Dazu ist diese Region geostrategisch viel zu wichtig.

Englische Version

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