Brief aus Athen: „Die Spur der Troika“ im Europaparlament und Muenchau verzweifelt an Syriza

Markus Barth, Athen.Am gestrigen Dienstag wurde im Europaparlament eine aktuelle ARD-Dokumentation vorgeführt: „Die Spur der Troika, Macht ohne Kontrolle“ des preisgekrönten Journalisten Harald Schumann. Organisiert hatte die Praesentation der Europaabgeordnete von Syriza Stelios Kouloglou, der ebenso wie Schuhmann ein anerkannter investigativer Journalist ist. Begeisterte Zustimmung zu den Thesen des

Dokumentarfilms kam u.a. vom belgischen Europarlamentarier der Grünen Phillip Lamberts sowie der portugiesischen Europaabgeordneten der Sozialisten Elisa Ferreira .

Besonders interessant war ein auf englisch gefuehrtes Interview das Schumann seinem griechischen Kollegen aus diesem Anlass in den Raeumen des Europaparlaments gewaehrt insbesondere, weil es Einzelheiten der Entstehung des Dokumentarfilms beschreibt aber auch die Reaktionen der deutschen Zuschauer sowie die aktuelle Kritik des deutschen Journalisten an der neuen Syriza-Regierung.
Schumann berichtet zunächst über die wichtigsten Ergebnisse seiner umfangreichen Recherchen ueber die Aktivitaeten der Troika in Griechenland, Portugal, Spanien, Irland und New York und listet die Hauptpunkte auf: Die Politik der Austeritaet die den Krisenlaendern aufgezwungen wurde basiere auf einem oekonomisch-politischen Modell, dass (mit Ausnahme Irlands) in keiner Weise funktioniert habe, sondern die Situation noch dramatisch verschlechtert habe. Das sei kein Zufall gewesen, da die angewandten Rezepte auf Erfahrungen des IMF in Lateinamerika beruhten, wo die betroffenen Länder im Gegensatz zu den Euroländern zumindest die Möglichkeit der Abwertung ihrer Währung hatten. Die stattdessen durchgesetzte „interne Abwertung“ habe einfach nur die Verelendung der Bevölkerung zur Folge gehabt.
 
Das Empoerende an dieser Politik sei, dass viele Entscheidungen nicht von den politisch verantwortlichen Gremien der EU gefällt wurden, sondern von Technokraten, die weder gewählt noch demokratisch kontroliert wurden. Wer habe z.B. entschieden, dass die Gesundheitsausgaben in Griechenland 6% des dramatisch geschrumpften BIP betragen dürften, wo sie im EU Durchschnitt 8 und in Deutschland 10% betragen mit dem Ergebnis des totalen Zusammenbruchs des griechischen Gesundheitswesens. Die EU sei damit zu einer oekonomischen Diktatur geworden, die sicher niemand gewollt habe, der von einem einigen Europa geträumt habe.
 
Die Reaktionen der deutschen Zuschauer seien zweierlei gewesen. Auf der einen Seite habe es die begeisterte Reaktion „endlich erfahren wir die Wahrheit“ gegeben andererseits habe es insbesondere auch von Leitmedien die Kritik gegeben er mache Propaganda für Syriza oder verbreite Verschwörungstheorien. Den Vorwurf, der Film sei in gewisser Weise parteiisch lässt Schumann gelten. Die Kritik an den durchaus zugegebenen Missstaenden in Griechenland sei aber nicht sein Gegenstand gewesen, sondern die Kritik an der falschen Politik, damit umzugehen.
 
Seine emotionale Reaktion, die Wut über die Troika sei insbesondere durch die zwischen den Institutionen abgestimmte Weigerung erzeugt worden, ihm ein Interview zu geben. „Wir kamen überein mit ihnen nicht zu kooperieren“ haetten ihm Vertreter von IMF, EZB und Eurogroup in übereinstimmender Formulierung mitgeteilt. Das gegenüber einem anerkannten Journalisten, der hier für ARD und ARTE arbeitete sieht Schumann mit Recht als nicht zu rechtfertigende Zensur. Nicht einmal seine schriftlichen Anfragen habe man beantwortet. Es handele sich offensichtlich um Technokraten mit enormer Macht über das Schicksal ganzer Völker, die weder den demokratischen Institutionen noch der Presse Rechenschaft ablegen wollten.
 
Wie sieht Schumann die aktuellen Verhandlungen der neuen griechischen Regierung mit „den Institutionen“ will Kouloglou wissen. Nun leider habe sich deren Position trotz offensichlichen Scheitern der Austeritaets-Politik nicht verändert. Sinnvolle Vorschläge, wie die Kopplung der Kredit-Rueckzahlungen ans Wirtschaftswachstum oder ein von vielen internationalen Ökonomen befürwortete Schuldenkonferenz wuerden weiter abgelehnt und weitere Rentenkürzungen oder Beschränkung der Arbeitnehmerrechte verlangt. Die Kreditgeberländer unter deutscher Führung verlangten von der neuen Regierung kategorisch, dass sie die (gescheiterte) Politik der vorherigen fortsetze, was diese deshalb nicht akzeptieren koenne, weil sie für das Gegenteil gewählt worden sei.
 
An der neuen Regierung kritisiert Schumann heftig, dass sie eine amateurhafte Kommunikationspolitik habe. Sie müsse viel aggressiver ihre guten Argumente in den Medien der Kreditgeberländer vertretenen. Dass z.B. die Entwicklung des Sozialproduktts schlimmer als 1929 bis ’33 in Deutschland sei, dass alle Privatisierungen bisher nur einen Bieter hatten, der ein griechischer Oligarch mt einem Araber oder Chinesen gewesen sei, dass also der wertvolle Staatsbesitz zu Spottpreisen verschleudert wurde u.s.w..
 
Hier muss ich widersprechen. Ich sehe hier in Athen sehr klar welche Mitteilungen die Regierungsvertreter machen und was in den deutschen Leitmedien draus gemacht wird. Jeder weiss eigentlich, dass die Austeritaetspolitik gescheitert ist, dass die Wirtschaftsleistung um 28% gesunken ist , die Arbeitslosigkeit über 30 % ist obwohl die Loehne um 30% gesenkt wurden. Auch die humanitaere Katastrophe ist bekannt. Es interessiert die Leitmedien einfach nicht!
 
Ein perfektes Beispiel gibt Wolfgang Muenchau in Spiegel on line. Er schreibt: „Varoufakis hat recht mit vielem, was er sagt. Ich habe es ja selbst oft genug geschrieben. Aber wen interessiert das jetzt noch? Man hat das Gefühl, dass er sich für konkrete Finanzpolitik nicht besonders interessiert und lieber in theoretischen Sphären wandelt.“ schreibt der Schäuble-Versteher und macht dabei überdeutlich, dass es ihm eben nicht drauf ankommt was er als richtig erkannt hat wenn es drum geht seinen Job bei einem Leitmedium zu machen und die Fortsetzung der bisherigen gescheiterten Politik zu vertreten. „Konkrete Finanzpolitik“  schert sich eben einen Dreck drum was theoretisch richtig ist. „Die griechische Regierung ist gerade dabei, die wenigen Freunde, die sie in Europa noch hat, zu verlieren. Ich würde mich auch zu dieser Gruppe zählen.“ schreibt Muenchau. 
 
Wer solche Freunde hat braucht keine Feinde.
 
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