Warum wir nicht alle „Flüchtlinge“ einlassen und integrieren können und dürfen (Neufassung)

Der Beitrag „Meine Neujahrsgegenansprache: Warum wir Flüchtlinge nicht integrieren dürfen“ hat einige berechtigte Kritik auf sich gezogen. Gleichzeitig ist er der bereits viertmeist gelesene Artikel auf diesem Blog (wenn man redundante Artikel zum Bargeldexperiment nur einmal zählt). Hier deshalb eine Neufassung, die besser herausarbeitet, worum es mir geht, und Kritik, die ich als berechtigt ansehe, aufnimmt.

In ihrer Neujahrsansprache hat die Bundeskanzlerin unfreiwillig deutlich gemacht, worum es ihr bei ihrer ungewöhnlichen Kehrwende hin zu offenen Grenzen geht, und worum nicht. Es geht nicht um bestmöglichen Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge, die möglichst bald wieder beim Wiederaufbau ihrer Heimat mithelfen sollen. Es geht ihr um dauerhafte Zuwanderung, von der „Deutschland“ profitieren soll.

Angela Merkel schreibt in ihrer Neujahrsansprache all denen Kälte und Hass zu, die „Deutschsein allein für sich reklamieren und andere ausgrenzen wollen.“ Dazu bekenne ich mich, nicht zu Kälte und Hass, aber dazu, dass ich Deutschsein für jene reklamiere, die als Deutsche geboren sind, oder die hier leben und die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, und dazu, dass ich die rund sieben Milliarden Menschen, die keine Deutschen sind und hier keine Aufenthaltserlaubnis haben, ausgrenzen will. Das ist die normale Funktion von Staatsgrenzen, und anders kann ein Gemeinwesen unter heutigen Bedingungen kaum funktionieren. Bis vor kurzem war das auch ganz normale, kaum hinterfragte Politik. Jetzt ist es ein Zeichen von Kälte, Hass und Rechtsradikalismus. Wie schnell sich doch die Maßstäbe verschieben können.

Das schließt Solidarität und Hilfe für die vom Schicksal gebeutelten keineswegs aus. Diese Hilfe sollten wir leisten. Der Umfang ist umstritten. Ich bin durchaus dafür, dass wir größere Opfer bringen, vor allem Besserverdiener wie ich, nicht so sehr diejenigen, die ohnehin schon zu den Benachteiligten gehören. Das Minimum müssen unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen sein. Zur Art der Hilfe, auch für diejenigen, die ausgegrenzt werden, später mehr.

Merkel weiter: Von gelungener Einwanderung habe ein Land noch immer profitiert. Richtig angepackt sei auch „die heutige große Aufgabe des Zuzugs und der Integration so vieler Menschen eine Chance für morgen“, sagt sie und wirbt für Geduld und Geldausgabebereitschaft „bei der wichtigen Aufgabe der Integration derer, die dauerhaft hier bleiben werden.“

Zuzug, Zuwanderung, Einwanderung, Integration, das klingt nicht nach Schutz für Asylsuchende, das klingt wie eine neue Einwanderungspolitik, mit der das deutsche Exportwunder dauerhaft aufrechterhalten werden soll. Deshalb schreiben, bloggen und twittern sich auch die Mitarbeiter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der anderen Arbeitgebervertreter seit vielen Monaten die Finger wund beim Werben dafür, die Flüchtlinge schnell auszubilden und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Die Arbeitgeber wollen schon lange offene Grenzen für den Zuzug billiger Arbeitskräfte aus der ganzen Welt, um hier die Löhne niedrig zu halten. Sie sind damit immer gescheitert. Nun ist die Flüchtlingskrise, die Merkel angeheizt hat mit ihrer Einladung die Politik der offenen Grenzen massenhaft auszunutzen, ein willkommener Anlass, diese neue Einwanderungspolitik auf kaltem Wege durchzusetzen, unter dem Deckmantel der Nächstenliebe. Dieser Deckmantel macht es leicht, Kritiker von rechts zu verunglimpfen und macht es den Linken schwer, sich dagegen zu stellen. Viele lassen sich von ihren solidarischen Impulsen verführe durch Unterstützung Merkels gegen ihre parteiinternen und –externen Kritiker zu Steigbügelhaltern für den Aufstieg der AfD zu werden. Denn diese bekommt ein Monopol darin, ein sehr berechtigtes Unbehagen in der Bevölkerung auszudrücken. Ihre Vertreter tun das leider oft in einer menschenfeindlichen Sprache, die fälschlicherweise die Schuld den Ankömmlingen zuweist und damit Fremdenfeindlichkeit und Hass schürt. Nur wenn Arbeitnehmervertreter, die Linken und die Mitte viel deutlicher als bisher darauf aufmerksam machen, dass die Bürgerkriegsflüchtlinge auf perfide Weise instrumentalisiert werden, können sie diese wirkungsvoll gegen die Anfeindungen von rechts in Schutz nehmen und gleichzeitig wirksam für Solidarität und Hilfe werben. AfD-Anhänger zu Unmenschen zu erklären bringt gar nichts und tut vielen Unrecht.

Das Wort Asyl kommt nicht vor in der Neujahrsansprache Merkels, Schutz ebenso wenig. Dabei müssten diese Worte im Zentrum stehen, wenn es um Flüchtlingspolitik und nicht um eine verbrämte Einwanderungspolitik ginge. Ich schreibe das nicht zuvorderst aus moralischen Gründen, sondern weil Flüchtlings- bzw. Asylpolitik anderen Prinzipien folgen als Einwanderungspolitik. Das ist bei weitem nicht nur ein rhetorisches Problem, sondern die Ursache für den berechtigten Unmut großer Teile der Bevölkerung gegen die betriebene Politik.

Dazu ein Auszug aus Wikipedia:

„Unter Asylrecht versteht man alle materiellen Normen der temporären Aufnahme Verfolgter und der Abschiebung oder Einbürgerung (Naturalisation);im Speziellen einerseits das konkrete Recht des Einzelnen, als Asylbewerber Asyl zu beantragen und andererseits die humanitäre Verpflichtung einer gesellschaftlichen Gruppe, darauf einzugehen. Als Flüchtlinge anzuerkennen sind Menschen, wenn sie (…) sich außerhalb ihres Heimatlandes befinden und berechtigte Furcht haben müssen, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden. Wirtschaftliche Not, Naturkatastrophen, Krieg oder Armut werden nicht als Fluchtgründe im Sinne des internationalen Asylrechts anerkannt. Den z.B. durch Krieg vom Tode bedrohten Menschen kann jedoch ein zeitweiliger subsidiärer Schutz gewährt werden, etwa für die vom seit 2011 andauernden syrischen Bürgerkrieg betroffenen Menschen.“

Wenn es um vorübergehenden Schutz für Verfolgte und Kriegsflüchtlinge ginge, dürfte Merkel nicht so reden, wie sie es tut, und wäre ihre Politik eine andere. Erstes Ziel muss es sein, ernsthaft und ohne Vorbedingungen auf baldigen Frieden in den Ländern hinzuwirken aus denen die meisten Bürgerkriegsflüchtlinge kommen, Syrien, Irak, Afghanistan und Libyen, auch und vor allem bei den eigenen Verbündeten. Stattdessen unterstützen wir die Bombenwerferin blinder Vasallentreue dabei, Länder ins Chaos zu stürzen und das Ende der selbst angefachten Bürgerkriege zu verzögern, weil sie aus ihrem geopolitischen Machtstreben heraus völkerrechtswidrig entschieden haben, dass dieser oder jener Machthaber abzudanken habe. Kein Wort zu den Fluchtursachen und unserer Mitverantwortung dafür von Merkel.

Kein Wort auch dazu, wer diejenigen sind, „die dauerhaft hier bleiben werden“ und schnell zu integrieren sind. Sie erweckt dadurch, und durch ihr Handeln, den Eindruck, dass man davon auszugehen hat, dass jeder, der bereits weit über eine Million als Flüchtling eingereisten erstens tatsächlich ein Flüchtling ist, und zweitens auch dauerhaft hier Schutz braucht.

Es fehlt nicht an Beispielen für Bürgerkriegsopfer, die sehr viel Hilfe brauchen und absehbar sehr lange nicht ohne extreme Härte in ihre Heimat zurückgeschickt werden können. Jugendliche brauchen die Chance eine Ausbildung zu absolvieren, Kinder eine Schulbildung.

Doch schon bei Kindern mit intakten Familien ist die Frage zu beantworten, ob sie wirklich unter der Annahme ausgebildet werden sollen, dass sie ihr Leben in Deutschland verbringen werden. Die Frage wird bisher nicht einmal gestellt. Bejaht man sie nicht generell, ist Beschulung durch Landsleute nach heimischem Lehrplan durchaus einen ernst zu nehmende Option.

Mehrere Hunderttausend Zugereiste sind alleinreisende Männer, deren Familien oft noch in den Heimatländern oder deren Nachbarländern lebt. Die Annahme, dass es sich bei fast allen um Flüchtlinge im üblichen Sinne handelt, ist nach aller Lebenserfahrung abseitig. Wenn es genügt, den Pass zu verlieren und „Syrer“ zu sagen, um über die Grenze in das Land der Träume zu kommen, ist davon auszugehen, dass das in großem Umfang geschieht. Und selbst wenn es Syrer sind, deren Familien noch in Syrien sind oder in Nachbarländern, dann ist die klassische Voraussetzung oft nicht erfüllt, dass sie und ihre Familien dort wo sie sind, nicht bleiben können. Das sie zu uns kommen ist sehr verständlich. Ich würde es auch so tun. Sie haben mein Mitgefühl.

Das gilt aber auch für Abermillionen anderer Menschen, die unter mindestens ebenso schlechten Bedingungen ausharren müssen und es nicht bis Europa und über unsere Grenzen schaffen können, weil sie die Ressourcen dafür nicht haben. Einverstanden: Wer es nach Deutschland geschafft hat, mit dem haben wir eine Beziehung, den müssen wir anders behandeln als die Millionen Namenlosen, von denen wir nur abstrakt wissen, dass sie genauso hilfsbedürftig sind. Aber das heißt nicht, dass wir mit der Politik der offenen Grenzen wie bisher weitermachen könnten und sollten.

Es gibt sie nämlich ohnehin nicht und eine aufrechte humanistische Gesinnung allein taugt leider gar nichts als Handlungsrichtschnur in einer Welt, in der Abermillionen Menschen davon träumen und meist nur davon träumen können, in Europa ein besseres Leben zu führen. „Grenzen auf, alle reinlassen!“, das kann kaum die Maxime sein. Wenn es sie nicht ist, dann MUSS man sich der Frage stellen: Wen und wie viele will man reinlassen? Tut man es nicht, dann heuchelt man nur Menschlichkeit.

Die Selektion geschieht nämlich schon, aber die Entscheider machen das im Dunkeln, hinter einem Schutzschild aus durch geschickte PR aktivierten humanistischen Assoziationen und Haltungen. An den EU-Außengrenzen werden erwünschte (von wem auch immer) Asylbewerber aus Syrien, Afghanistan etc. reingelassen und unerwünschte abgewiesen. Das kam mal kurz in den Nachrichten und Zeitungen als Abgewiesene sich aus Protest an der Grenze die Lippen zunähten, verschwand aber schnell wieder und wurde vergessen. Welchen humanistischen Haltungen und Kriterien folgt das?

Die jetzige Politik der offenen Grenzen mancher Länder für manche Flüchtlinge und sonstige Migranten hat, wenn man die Konsequenzen und Selektionen mitdenkt, die damit verbunden sind, keine in humanistischen Idealen wurzelnde Rechtfertigung. Sie sieht nur so aus, wenn man nicht allzu genau hinsieht.

Da wir nicht alle Hilfsbedürftigen dieser Welt aufnehmen können und wollen, und wenn wir nicht weiterhin entweder zufällig, willkürlich oder geopolitisch entschieden haben wollen, wer rein darf, ist die Dublin-Regel, ein guter Ausgangspunkt. Sie gilt zwar noch, wird aber ignoriert. Danach müssen Asylsuchende im ersten sicheren Staat Asyl beantragen, den sie erreichen.

Unsere Hilfsbereitschaft kann und sollte sich dann darauf konzentrieren, den Staaten, die das besonders betrifft zu helfen, indem wir ihnen ein großzügiges Kontingent anerkannter Flüchtlinge abnehmen, und indem wir ihnen mit Geld und technischer und administrativer Hilfe zur Seite stehen.

Es ist nicht so, dass die Flüchtlingsströme ebenso groß wären, wie sie heute sind, wenn die Dublin-Regel noch durchgesetzt würde. Viele „Flüchtlinge“ wollen nicht nach Griechenland. Wenn sie damit rechnen würden, dort bleiben zu müssen, würden sich viele gar nicht auf den Weg machen.

Unsere tätige Hilfsbereitschaft sollte sich damit nicht erschöpfen. Ganz dringend ist, dass wir bei unseren Alliierten darauf hinwirken, dass das absichtliche Anheizen von Bürgerkriegen aufhört und die betroffenen Länder stabilisiert werden.

Die Hilfe für andere Länder kostet viel Geld. Dafür sollten die Steuern für die Gutverdiener und Wohlhabenen erhöht werden und Steuervergünstigungen und die riesigen Steuerschlupflöcher für Unternehmen und Familiendynastien mit deutlich mehr Nachdruck geschlossen werden, soweit ein gekürzter Militärhaushalt nicht ausreicht. Notfalls steigt auch das Staatsdefizit. Diese Art Hilfe bezahlen dann nicht vor allem die Unterschicht und die Mittelschicht, sondern die, die es sich leisten können. Das schafft viel weniger Fremdenfeindlichkeit und Rechtsradikalismus als die derzeitige Politik.

Doch damit sollte es bei weitem nicht aufhören. Was vielmehr aufhören muss, ist die neokoloniale Politik, auf der ein großer Teil unseres Reichtums und der Armut in der Welt beruht. Arme Länder dürfen nicht mehr in für sie nachteilige Handelsabkommen gezwungen, wie jüngst etwa Kenia. Bestehende Abkommen und Regeln müssen so geändert werden, dass die armen Länder eine Chance auf etwas Wohlstand bekommen. „Entwicklungs“-hilfe wie bisher betrieben sollte eingestellt werden.

Das wird natürlich nicht passieren, weil die humanistischen Ideale unserer politischen Führer und vieler derer, die ihnen gerne folgen, eben nur geheuchelt sind, und es ihnen um harte Interessenpolitik geht. Aber es kann denen, die nicht mitheucheln wollen, einen Leitfaden bei der Argumentation geben.

Wenn etwa die CSU will, dass an den Grenzen wieder die Ausweise kontrolliert werden, dann muss man sie nicht reflexartig als inhuman schelten. Man kann die Forderung auch im Prinzip unterstützten und von der CSU eine Erklärung einfordern, ob sie dann auch dafür sind, dass wir die nötigen Mittel bereitstellen (und wie), um den Ländern zu helfen, in denen die Abgewiesenen dann bleiben müssen, oder in die sie zurückkehren müssen. Dann liegen drei Alternativen auf dem politischen Diskussionstisch, wie sich das gehört: 1. Grenzen zumachen und seht doch, wo ihr bleibt, oder 2. Grenzen zumachen und großzügig helfen und 3. Reinlassen und dann weitersehen (wobei irgendjemand natürlich doch aussiebt).

Wenn jeder, der sich dafür ausspricht, die Grenzen weiter Grenzen sein zu lassen, in die Nähe von Rassisten gerückt wird, gibt es diese Diskussion um Alternativen nicht.

Um zur Integration zurückzukommen. Es ist abseitig, wenn man nicht von einer Einwanderungspolitik ausgeht, sondern korrekt von einer Asyl- und Flüchtlingspolitik, eine generelle Integrationspflicht zu fordern. Warum sollen Flüchtlinge, die möglichst bald wieder in ihre Heimat zurück wollen und sollen eine Pflicht zur Integration haben.

Wenn wir jeden integrieren, der zu uns kommt, fehlen diese Menschen in den Ländern aus denen sie kommen. Dort werden sie – hoffentlich bald – für den Wiederaufbau gebraucht. Wie bald, das liegt auch an uns und unseren Alliierten.

Schutzsuchende sollen auch nicht den hiesigen Arbeitnehmern die Arbeitsplätze streitig machen und den Arbeitgebern einen Vorwand bieten, den Mindestlohn wieder zu schleifen. Sie sollen Schutz bekommen, solange sie ihn brauchen, und dann wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Wo das absehbar nicht geht, ist Integration vorrangig, aber nur dort. Die Diskussion darüber, bei welchen Personen und Gruppen das der Fall ist, fehlt.

Teil 2 der Analyse von Merkels Neujahrsansprache:

George Soros Forderungen zur Flüchtlingspolitik als Basis für Merkels Neujahrsbotschaft

Zur Diskussion:

Gegenrede von links zu meiner Neujahrsgegenansprache

Meine Antwort auf die Kritik von links an meiner Neujahrsgegenansprache

 

Zur Informationspolitik über die Vorfälle in Köln:

Aktualisiert: Köln als Fanal für Radikalisierung und Glaubwürdigkeitsverlust durch politische Über-Korrektheit 

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