Gegenrede von links zu meiner Neujahrsgegenansprache

Ralf Krämer.* Lieber Herr Häring, ich kann Ihr Anliegen mit diesem Text (Meine Neujahrsgegenansprache: Warum wir Flüchtlinge nicht integrieren dürfen)wohl nachvollziehen. Auch dass manche Linke zu naiv oder rein moralisch an die Problematik herangehen. Manche Formulierungen finde ich aber doch problematisch, weil sie über den wörtlichen Gehalt hinaus Assoziationen und Haltungen ansprechen, die nicht humanistisch sind, etwa die Rede vom „ausgrenzen“.

Das Unbehagen in weiten Teilen der Bevölkerung mag verständlich sein. Es muss jedenfalls zur Kenntnis und ernst genommen und darf nicht diffamiert werden, aber „sehr berechtigt“ finde ich es nicht, weil es sich dabei zum erheblichen Teil nicht um teils berechtigte Sorgen von sozialen Nachteilen usw. handelt, sondern um irrationale Ängste vor Fremden, „dem Islam“ usw.. M.E. verharmlosen Sie auch etwas die Rolle der AfD bzw. rassistischer und neonazistischer Kräfte, die Hass und Gewalt bewusst und absichtlich anstacheln. Sie bemängeln zurecht, dass die Worte „Asyl“ und „Schutz“ in Merkels Ansprache nicht vorkommen, aber es ist m.E. auch ein Mangel an Ihrem Text, dass „Solidarität“ und eine klare und harte Verurteilung jeglicher Ausschreitungen und Angriffe gegen Flüchtlinge und der dafür Verantwortlichen fehlen, auch wenn Sie diese Haltung sicherlich teilen.

Als Ihre Hauptbotschaft verstehe ich, es solle nicht um möglichst schnelle Integration gehen, sondern um vorübergehenden Schutz und Aufnahme und um konzentrierte Bemühungen um Beendigung der Kriege u.a. Fluchtursachen, so dass die Flüchtlinge möglichst schnell zurückkehren und am Aufbau hrer Heimatländer mitwirken können. Ich denke, dass das sicherlich für die Herkunftsländer und ihre Bevölkerung das Beste wäre und auch die meisten Geflüchteten dann wieder zurück wollen würden und dabei unterstützt werden sollten. Es ist aber wenig realistisch, dass dies in den nächsten Monaten gelingen wird und jedenfalls wird es erhebliche Zeit dauern und nicht flächendeckend der Fall sein, dass die Bedingungen für eine Rückkehr dann gegeben sind. Es wäre nicht vertretbar, Menschen gegen ihren Willen abzutransportieren, die keine Perspektiven in ihrer früheren Heimat haben, erst recht wenn sie schon längere Zeit hier leben, darunter viele Kinder und Jugendliche, die mittlerweile Deutschland als ihre Heimat betrachten oder sogar hier geboren, viele noch nie im Herkunftsland ihrer Eltern gewesen sind. Es wird also jedenfalls viele geben, die dauerhaft hier bleiben werden. Und angesichts der unsicheren Lage und Perspektive ist schnellstmögliche Integration jedenfalls richtig und eine wichtige Aufgabe.

Dies gilt auch und besonders im Interesse der hiesigen Bevölkerung und Lohnabhängigen, die bei möglicherweise dauerhaft schlecht integriert und ausgegrenzt und von Soziallistungen abhängig hier lebenden Flüchtlingen weitaus höhere Belastungen zu tragen hätten. Das läge also nicht nur im Interesse der Arbeitgeber. Auch die Löhne und Arbeitsbedingungen würden durch ein teils illegalisiert erwerbstätiges Flüchtlings-Subproletariat stärker gefährdet als durch integrierte Geflüchtete, für die gleiche Rechte und Bedingungen gelten und die auch in gewerkschaftliche Aktivitäten einzubeziehen wären, so wie das mt früheren „Gastarbeiter“-Generationen teilweise gelungen ist. Dass die Zahl derjenigen, die aufgrund ihrer guten Integration dann nicht zurückkehren wollen, dadurch wachsen wird, ist kein besonderes Problem und hat sogar Vorteile, für die deutsche Bevölkerung und auch die Herkunftsländer, in die dann voraussichtlich erhebliche Geldüberweisungen fließen werden. Aus desen Gründen finde ich Ihre Position hier falsch, Integrationsmaßnahmen sind wichtig und richtig auch im Rahmen einer sozialen und auf Beseitigung der Fluchtursachen gerichteten Politik. Zu kritisieren ist hier, dass sie nicht konsequent durch mehr Personal und Investitionen und dazu Kreditaufnahme und höhere Besteuerung der Reichen betrieben wird, sondern im Rahmen der „schwarzen Null“ begrenzt wird und zu Lasten anderer Aufgaben geht.

Ich kann auch Ihre Analyse der Empfehlungen von Soros nachvollziehen und finde wichtig, bei solchen sich humanistisch gebenden Texten die realen Ziele und Interessen dahinter aufzuzeigen, die ja nicht nur Soros und seine Stiftungen verfolgen. Genauso wenig wie dahinter tatsächlich humanistische Zwecke stehen, so wenig werden aber andererseits alle Aussagen und Politiken, die in Einzelpunkten dazu passen, deswegen falsch, weil Soros und andere damit Ziele verfolgen, die weder im Interesse der Menschen in Deutschland und Europa noch in den Fluchtherkunftsländern sind. Womit ich wieder bei meinen obigen Anmerkungen bin.

Freundliche Grüße und alles Gute für das neue Jahr, Ralf Krämer

* Ralf Krämer ist Gewerkschaftssekretär und einer der Sprecher der gewerkschaftlich orientierten Strömung Sozialistische Linke in der Partei Die Linke. 2015 erschien sein Buch „Kapitalismus verstehen. Einführung in die politische Ökonomie der Gegenwart„.

Ich danke Herrn Krämer für diese Gegenrede, die mir Gelegenheit gibt, meine Absichten hinter diesem sehr stark gelesenen und verbreiteten Text näher zu erläutern und eventuelle Missverständnisse aufzuklären. Die Antwort finden Sie hier.

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