Der Versuch, Leiharbeit zu begrenzen und Werkvertragsarbeit einzuhegen, ist gescheitert

Markus Krüsemann*: Der zweite Referentenentwurf aus dem Arbeitsministerium zur stärkeren Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen liegt vor. Nachdem die Wirtschaft kein gutes Haar am Erstentwurf von Ministerin Nahles gelassen und Kanzlerin Merkel Entschärfungen angekündigt hatte, war klar, dass der zweite Anlauf nur Verschlimmbesserungen bringen würde. Selbst die reichen der CSU nicht.

Der Rohrkrepierer, der Tiger, der als Bettvorleger landet, der Berg, der kreißt und eine Maus gebiert. An Sprachbildern mangelt es nicht, um das Scheitern ambitionierter oder hochfliegender Vorhaben zu beschreiben. Das Gesetzesvorhaben der Großen Koalition zur stärkeren Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit reiht sich nahtlos ein in die Riege der Flops, und das, obwohl der Erstentwurf schon eher zahm und ohne große Ambitionen daherkam.

Als das Arbeitsministerium im November 2015 den ersten Referentenentwurf zur Einhegung der Leiharbeit und gegen eine ausufernde Werkvertragspraxis vorlegte, hagelte es von allen Seiten Kritik. Den Gewerkschaften gingen die Pläne nicht weit genug, der Wirtschaft gingen sie viel zu weit. Vor allem der Versuch, Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich zu fixieren, sorgte bei den Unternehmen und ihren Lobbyorganisationen für erhebliche Unruhe.

Spätestens als Bundeskanzlerin Merkel den Entwurf dafür kritisierte, dass er über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinausgehe und ankündigte, er müsse im Dialog mit den Sozialpartnern überarbeitet werden, spätestens da war klar, dass der Entwurf schon vor der Beratung im Bundeskabinett derart zurechtgestutzt werden würde, dass seine spätere Wirkung auf dem Arbeitsmarkt wohl nur noch im Bereich homöopathischer Dosierungen liegen dürfte – oder darunter.

Seit wenigen Tagen nun liegt der überarbeitete Gesetzentwurf vor, und diese Überarbeitung ist so gründlich ausgefallen, dass Nahles tatsächlich Lob von den Unternehmern bekommt: Die Ministerin habe ihr Gesetz “deutlich nachgebessert“, freute sich der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Fast schon etwas verwundert urteilte denn auch FAZ.net exemplarisch: Der Entwurf gehe „doch erheblich stärker auf die Sorgen und Bedenken der Unternehmen ein als bisher erwartet“. Wohl wahr. Man könnte auch präzisieren: Wieder mal zeigt sich, dass die Unternehmerlobby am längeren Hebel sitzt, so dass Arbeitsministerin Nahles vor ihr „in die Knie“ gehen musste.

Zwar nicht Lob, aber doch so etwas wie Zustimmung kam auch von zumindest einem Teil der Gewerkschaften. Dass die “Ko-Manager” der IG BCE den Kotau der Ministerin abnicken, war ja noch zu erwarten. Dass der IG Metall-Vorsitzende Hoffmann von einem „Minimalkompromiss“ spricht, vielleicht auch. Warum er aber begrüßt, dass die tariflichen Regelungen seiner Gewerkschaft mit Anpassungen fortgeführt werden können, ist schwer zu verstehen. Es liegt natürlich in der Verbandslogik, dass ihm die Jacke der eigenen, eher exklusiven Verhandlungslösungen, auf die er hier anspielt, näher ist als der Rock eines allgemeinen Schutzes von Leiharbeitskräften und Werkvertraglern vor Ausbeutung und Lohndumping, aber eine der DGB-Kritik vergleichbare Stellungnahme hätte man trotz allem erwartet.

Die Einhegung der Werkvertragsarbeit ist gescheitert

Zunächst die gute Nachricht: Sollte sich ein Werkvertraggeber als Entsendeunternehmen des Gebrauchs eines illegalen Werkvertrages und damit einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung schuldig machen, so wird der unerlaubt überlassene Beschäftigte zum Arbeitnehmer des Werkvertragnehmers/Entleihunternehmens -und zwar auch dann, wenn das verleihende Unternehmen (der Scheindienstleister) über eine Überlassungserlaubnis für Leiharbeit verfügt. Letzteres schützte bisher wie eine Art „Rettungsfallschirm“ vor den Rechtsfolgen eines Arbeitsverhältnisses. Dieses Schlupfloch immerhin soll auch im zweiten Entwurf verschlossen werden. Bleibt es dabei, so wird die rechtswidrige Werkvertragsarbeit in Zukunft auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis als fingiertes Arbeitsverhältnis eingestuft, mit allen Konsequenzen für den Werkvertragnehmer/Entleiher. Das wäre immerhin ein Fortschritt.

Gravierendere Folgen für den Schutz vor Werkvertragsmissbrauch hat allerdings die schlechte Nachricht: Die weitestreichende Abschwächung, die den ganzen Gesetzentwurf massiv entwertet, betrifft den Versuch, den Missbrauch von Werkverträgen durch einen konkreten Kriterienkatalog zu unterbinden. Der im ersten Referentenentwurf enthaltene Katalog listete die Vertragspflichten eines Arbeitsvertrages auf, womit eine klare Abgrenzung gegenüber Werkvertragsgestaltungen möglich gewesen wäre. Das hätte den Vorteil gehabt, dass nicht mehr die Kriterien der Rechtsprechung herangezogen werden müssten, um das Vorliegen von Scheinselbstständigkeit bzw. einen missbräuchlichen Werkvertrag zu identifizieren, sondern im Gesetz eindeutig verankerten Kriterien.

Im nachgebesserten Entwurf ist dieser Kriterienkatalog nicht präzisiert worden, er ist nicht einmal aufgeweicht worden, er ist ersatzlos gestrichen und durch eine bloße Beschreibung von Arbeitnehmereigenschaften ersetzt worden. Nach Angaben von FAZ.net habe Nahles damit einen „milderen Regelungsvorschlag“ des Bundes der Deutschen Arbeitsrichter aufgegriffen. Diese Milde bringt aber fatalerweise mit sich, dass sich an der bisherigen Rechtslage und den Möglichkeiten zur Nutzung von Werk- und Dienstverträgen rein gar nichts ändert. Wie lässt sich damit der missbräuchliche Fremdpersonaleinsatz durch faule Werkverträge besser in den Griff bekommen? Antwort: Gar nicht, denn es wird nur die schon bestehende Rechtsprechung festgeschrieben.

Das ist eine herbe Niederlage für die Arbeitsministerin, denn so ist verhindert worden, dass auf gesetzlicher Ebene eine Definition dessen, was ein Arbeitsvertrag sei, verankert werden kann. Eine präzise Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch bleibt somit auch weiterhin Fehlanzeige. Der Versuch, endlich klare Kriterien zur Abgrenzung von Werkvertragsarbeit zur Scheinselbständigkeit zu setzen, ist damit krachend gescheitert.

Unternehmen, die einigermaßen sorgfältig auf die Vertragsgestaltung achten, können auch in Zukunft ungehindert zu Werkverträgen greifen, um Tarifflucht und Lohndumping zu betreiben. Es bleibt ihnen ein Leichtes, Personalkosten zu drücken, Stammbeschäftigung auszudünnen und Mitbestimmungsregelungen sowie tariflich geregelte Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen zu unterlaufen. Immerhin werden sie dies in Zukunft wohl nicht mehr so heimlich tun können, denn die Informationsrechte der Betriebsräte beim Einsatz von Fremdpersonal auf Grundlage von Werkverträgen sind auch im zweiten Entwurf festgeschrieben worden.

Die Re-Regulierung der Leiharbeit bleibt wirkungslos

Auch die Gesetzespläne zu einer wieder stärkeren Regulierung von Leiharbeit sind noch einmal aufgeweicht worden. Die gleiche Bezahlung von Leiharbeiter/innen (Equal Pay) soll verpflichtend jetzt erst nach 15 statt nach 12 Monaten eintreten. Die Überlassungshöchstdauer kann weiterhin per Tarifvertrag über die maximal vorgesehenen 18 Monate ausgedehnt werden. Lediglich bei tariflich nicht gebundenen Betrieben ist nun eine absolute Obergrenze von 24 Monaten gesetzt worden.

Die bereits jammernde Verleihbranche wird dies aber problemlos verkraften können, denn in der Praxis spielen zeitliche Obergrenzen ohnehin kaum eine Rolle. Einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge waren im Jahr 2010 fast die Hälfte aller Leiharbeitsbeschäftigten nicht länger als drei Monate bei einem Leiharbeitsbetrieb unter Vertrag. Nur 28 Prozent waren länger als neun Monate dort beschäftigt, und ganze 14 Prozent kamen auf Beschäftigungszeiten von mehr als 18 Monate. Sollte das Gesetz kommen, so dürften sich Leiharbeitsfirmen und Entleihbetriebe allenfalls veranlasst sehen, die Einsatzzeiten nach den neuen Regeln auszurichten und Leihkräfte vor Ablauf solcher Fristen durch andere auszutauschen.

Positiv zu erwähnen bleibt am Ende nur eins: Das vorgesehene Verbot, Leiharbeitende als Streikbrecher einzusetzen ist (noch) nicht kassiert worden. Aber der parlamentarische Prozess ist ja noch lang.

Nach unten noch alles offen

Die Wirtschafts- und Unternehmensverbände können sich jetzt schon zufrieden zurücklehnen. Es bleibt mehr oder weniger alles beim Alten. In den Betrieben wird es weiterhin ein Drei-Klassen-System geben von relativ gut gesicherten Stammbelegschaften, schlechter entlohnten und prekär beschäftigten Leiharbeitern und noch schlechter entlohntem Fremdpersonal auf Werkvertragsbasis. Schlechte Arbeit, Missbrauch und Lohndumping bleiben auf absehbare Zeit also an der Tagesordnung.

Warum die CSU sich nicht ebenfalls zurücklehnt, sondern selbst diesen zahnlosen Zweitentwurf blockiert, ist rätselhaft. Um möglichst viel für die Leiharbeitsbranche rauszuholen, verlangt sie in sage und schreibe neun Punkten Nachbesserungen und bricht einen Koalitionsstreit vom Zaun. Damit zeigt sie wenigstens ganz offen, dass ihr die Qualität von Arbeit und das Wohlergehen von Arbeitnehmer/innen völlig egal ist, frei nach dem Motto: Christlich und sozial ist, was Profite schafft.

Es bleibt also spannend, was von dem Gesetzesvorhaben am Ende überhaupt noch Bestand haben wird. Solange in der Koalition der Schwanz mit dem Hund wedelt scheint nach unten hin alles offen. Die Wirtschaftslobby indes wird es freuen, dass ihre Interessen in Berlin so löwenhaft verteidigt werden. Da kann sie sich nun wirklich zurücklehnen.

Quellen:

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Bearbeitungsstand vom 17.02.2016.

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, Bearbeitungsstand vom 16.11.2015.

* Markus Krüsemann ist Soziologe und Mitarbeiter am Göttinger Institut für Regionalforschung. Unter www.miese-jobs.de betreibt er ein Informationsportal zu atypischen und prekären Beschäftigungsformen.

Dieser Beitrag erschien auch auf annotazioni.de und miese-Jobs.de.

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