Brief aus Athen: Renzi sagt „Hannemann geh du voran“ zu Tsipras

Von Markus Barth, Athen. Vor dem Sonder-Treffen der EU-Finanzminister (im Beisein von EZB-Chef Mario Draghi und Christine Lagard vom IWF ) ihat Yannis Varoufakis noch einmal auf die Pauke gehauen.  „Der Euro ist instabil wie ein Kartenhaus“, sagt der griechische Finanzminister der italienischen RAI. „Wenn man die griechische Karte herauszieht, werden die anderen zusammenfallen.“

Wer wäre der Nächste?„, fragte er, „Portugal?“ „Was würde passieren, wenn Italien feststellt, dass es unmöglich ist, in der Zwangsjacke der Sparpolitik zu bleiben?“ Er benutzt damit den möglichen Grexit als seine Drohung wohl wissend dass dieser -entgegen der Meinung der deutschen Stammtische und mancher Politiker die die Spekulation darauf nähren- ein Austritt Griechenlands aus dem Euro für Deutschland mit ganz erheblichen Kosten und  umkalkulierbaren Risiken verbunden wäre.

Ranghohe italienische Gesprächspartner hätten ihm, so behauptet Varoufakis anlaesslich seines Besuches bei seinem italienischen Amtskollegen in der vergangenen Woche im Vertrauen gesagt, sie würden das Vorgehen der Griechen unterstützen. Sie könnten aber nicht die Wahrheit sagen, weil sie fürchteten, dass Italien dann der Bankrott drohe und weil sie die Reaktion Deutschlands fürchteten.
Italiens Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan reagierte mit einem Dementi: Die Verschuldung seines Landes sei tragbar und auf einer soliden Basis, schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Bemerkungen Varoufakis‘ seien deplatziert. Italien arbeite mit an einer europäischen Lösung für die griechischen Probleme, dies erfordere aber «gegenseitiges Vertrauen».  Man könnte das so interpretieren, als beschwerte sich Renzi über den Vertrauensbruch, vertrauliche interne Gespräche an die Öffentlichkeit zu bringen um seine Position zu stärken.

 
Schon bei seinen Wahlkampfauftritten im Januar hier in Athen hatte Varoufakis immer wieder eine ähnliche Geschichte erzählt: Er sei zu Beginn der Griechischen Schuldenkrise damals noch als Berater von Giorgos Papandreou von Giulio Tremonti dem  Finanzminister Berlusconis eingeladen worden um seine Ideen zur Lösung der Schuldenkrise vorzustellen. Tremonti habe diese begeistert unterstützt aber auf seinen Vorschlag, diese dann doch auch bei der Eurogruppe zu vertreten, entsetzt abgelehnt. „Sind sie verrückt“ habe Tremonti gesagt, „wenn sowas an die Presse durchsickert, schreiben morgen alle auch Italien ist pleite und unsere Anleihen gehen in den Keller“. Was viele vergessen haben, damals spielten sowohl Berlusconi als auch Papandreou mit der Idee durch einen  gemeinsamen Austritt aus dem Euro  ihre Probleme zu lösen. Resultat war dass sie beide kurzfristig abdanken musten und durch die ungewählten Technokraten Monti und Papademos ersetzt wurden. Chef der italienischen Zentralbank, die an Berlusconis Rücktritt nicht ganz unschuldig war, war damals übrigens Mario Draghi.
 
Was will uns unser Pokerspielen Varoufakis also sagen? Viele Mitgliedsländer der EU seien eigentlich mit der griechischen Position die gescheiterte Austeritaetspolitik endlich zu beenden einverstanden. Keiner habe aber den Mut das zu sagen weil alle den Angriff der Märkte fürchteten. Viele hätten deshalb auch Tsipras und Varoufakis signalisiert die griechischen Vorschläge im Prinzip gut zu finden, aber wie die sechs Schwaben zum siebten sagten sie: „Hannemann geh‘ du voran, du hast die größten Schuhe an!“ Wenn der Drache sich dann als Hase herausstellt wuerden auch die andern ihren Mut finden.
 
Die Krawatte, die Renzi Tsipras als Geschenk überreichte passt ganz gut in dieses hypothetische Szenario. Denn Tsipras hatte versichert, er könne sich ein Leben mit Krawatte erst dann vorstellen, wenn sein Land die Krise überwunden habe.  Auch der oestereichische Kanzler Faymann hat sich heute erstaunlich weit zu Tsipras Unterstützung aus dem Fenster gelehnt. Die Schlüsselrolle kommt aber wohl dem Franzosen Hollande zu, der durch den Anstieg des Front National zu hause doch sehr unter Druck geraten ist.

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