Sigmar Gabriel will laut einem Vorabbericht der „Zeit“ mit einem Förderprogramm von zwei Milliarden Euro mehr Elektroautos auf die Straße bringen. Käufer sollen demnach einen Zuschuss vom Bund erhalten. Gabriel will zudem für den schnelleren Ausbau von Ladesäulen sorgen. Was nach einem ökologisch sinnvollen Projekt aussieht, könnte ohne einen übergreifenden Plan dahinter mehr schaden als nützen. Nur die Autoindustrie wird auf jeden Fall profitieren.
Eine Studie von vier Ökonomen aus den USA, nährt – nicht zum ersten Mal – Zweifel am umweltpolitischen Sinn der Förderung der Elektromobilität. Sie zeigt, worauf es bei der Frage ankommt, ob mehr Elektroautos gut oder schlecht für die Umwelt sind. In der Studie von StephenHolland, Erin Mansur, Nicholas Muller und Andrew Yates fällt die Umweltbilanz von Elektroautos noch schlechter aus, als in der des Instituts für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg aus dem Jahr 2011. Diese hatte ergeben, dass die Umweltauswirkungen in etwa vergleichbar sind mit denen von konventionellen Autos.
Wie aber kann es sein, dass die „Nullemissionsgefährte“ genauso hohe Umweltschäden verursachen wie luftverpestende Diesel oder Benziner? Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Bei der Produktion des nötigen Stroms entstehen je nach Energiequelle zum Teil beträchtliche Emissionen. Ob weniger oder mehr, das hängt einerseits von der Effizienz des Antriebs ab – in der US-Studie gab es sehr große Unterschiede zwischen Fahrzeugmodellen – andererseits davon, welche Art von Kraftwerk den Strom produziert.
Weil Letzteres regional und zeitlich sehr unterschiedlich sein kann, gibt es keine einfache und allgemeingültige Antwort. „Der Vergleich zwischen einem Benziner und einem Elektroauto ist in Wahrheit der Vergleich zwischen dem Verbrennen von Benzin, um das Fahrzeug zu bewegen, oder dem Verbrennen einer Mischung aus Kohle und Gas“, schreiben die Autoren.
Dennoch wird, wenn es darum geht, die durchschnittliche Emission der Flotte eines Autoherstellers zu messen, die Emission von Elektroautos nicht nur mit null angesetzt. Mehr noch, ein verkauftes Elektroauto zählt in Europa mit einer doppelten Null, in den USA sogar vierfach.
Verkompliziert wird das Kalkül dadurch, dass bei konventionellen Autos die Luftverschmutzung dort auftritt, wo gefahren wird, bei Elektroautos meist ganz woanders. Das spielt bei der gesundheitsschädigenden lokalen Belastung mit Feinstaub und Giftstoffen eine Rolle, die vor allem in Ballungszentren eine größere Rolle spielt.
Für die Frage welcher Antrieb der umweltfreundliche ist, kommt es also darauf an, wo gefahren wird, und wo gegebenenfalls der Strom auf welche Weise hergestellt wird. Die Ökonomenstudie aus den USA zeigt, wie unterschiedlich deshalb die Antwort ausfallen kann. Im mittleren Westen, wo die Bevölkerungsdichte gering ist und gleichzeitig der Strom zu einem hohen Anteil durch besonders umweltschädliche Kohleverbrennung hergestellt wird, verursachen Elektroautos größere Umweltschäden als Benziner oder Dieselfahrzeuge.
Umgekehrt ist es in Kalifornien. Dort hat die Metropole Los Angeles eine großes Problem mit der Luftverschmutzung. Andererseits werden für die Stromerzeugung in starkem Maße regenerative Energiequellen eingesetzt. Doch selbst hier ist die errechnete optimale Subvention nicht einmal halb so hoch wie die 7 500 Dollar, die sich Washington jedes verkaufte Elektroauto kosten lässt.
In den meisten Bundesstaaten sind Elektroautos im Durchschnitt umweltschädlicher als konventionelle, ergibt die Studie. Im Durchschnitt über die ganzen USA hinweg wäre danach eine Umweltsteuer von 740 Dollar auf jedes Elektroautos angebracht.
Das für die Elektroautos negative Ergebnis wird noch ausgeprägter, wenn man eine indirekte Wirkung jedes verkauften Elektroautos mit einbezieht. Aufgrund der massiven Begünstigung von Elektroautos bei der Ermittlung der Flottenemission kann man die Höchstwerte für die Durchschnittsemission umso leichter einhalten, je mehr Elektroautos man verkauft. Das ermöglicht es den Autoherstellern zum Beispiel mehr von den lukrativen, schweren Geländewagen mit hohen Emissionswerten zu verkaufen. Gäbe es keine Elektroautos, müssten sie die niedrigen durchschnittlichen Emissionswerte tatsächlich erreichen, anstatt nur auf dem Papier. Jedes verkaufte Elektroauto erhöht dann auf indirekte Weise die Gesamtemission.
In Deutschland liegt zwar der Kohleanteil bei der Stromerzeugung mit gut 43,6 Prozent um knapp sechs Prozent höher als in den USA, gleichzeitig ist aber auch der Anteil der erneuerbaren Energien mit rund 26 Prozent um etwa fünf Prozentpunkte höher.
Wie schon das Institut für Energie- und Umweltforschung festgestellt hat, bemerken auch die US-Ökonomen, dass Elektroautos vor allem dann eine umweltfreundliche Alternative sein könnten, wenn ihre Nutzung auf die Gegebenheiten der Stromerzeugung abgestimmt wird und die Stromerzeugung gemeinsam mit dem Ausbau der Elektromobilität geplant wird.
Daran fehlt es bisher. Wenn etwa dafür Sorge getragen wird, dass Elektrofahrzeuge vor allem dann geladen werden, wenn Strom besonders reichlich vorhanden ist, dann könnten sie dazu beitragen ein großes Problem der Stromerzeugung mit Erneuerbaren abzumildern, den schwankenden Anfall und die fehlenden Speicherkapazitäten. Wenn die Sonne scheint und der Wind weht, würden die Autos mit billigem Strom aufgeladen, bei Windstille und bewölktem Himmel (Dunkelflaute) dagegen nicht.
Als dezentrale Speicherkapazität würden die Batterien in den Autos die unzureichenden Großspeicher ergänzen. Der Wirtschaftswissenschaftler und Systemanalytiker Lorenz Jarass von der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden warnt allerdings, dass eine Nutzung von reinen Elektromobilen als dezentrale Stromspeicher tückisch sein kann. „Für kurzfristige Produktionsschwankungen beim Strom funktioniert das gut“, sagt er. Aber in Deutschland sind im Winter Dunkelflauten von mehreren Tagen oder gar Wochen nicht selten.
Wenn millionenfach reine Elektroautos im Einsatz wären, könnte sich dann der Vorteil in ein großes Problem verkehren, Denn wenn die Speicher vieler Elektroautos nach wenigen Tagen leer sind und ihre Besitzer sie weiter nutzen wollen, dann laden sie massenhaft auf, und der Strombedarf steigt noch weit über eine Vergleichssituation hinaus an, bei der keine Elektroautos unterwegs sind. Jarass empfiehlt deshalb, nicht auf reine Elektrofahrzeuge zu setzen, sondern stärker auf Fahrzeuge mit zusätzlichem Verbrennungsmotor. Diese könnten eher als dezentrale Reservekraftwerke für Dunkelflauten fungieren.