Jürgen Fitschen hat keine Ahnung, wie die Deutsche Bank ihr Geld verdient

Wie schaffen Banken Mehrwert?, fragt der Chef der Deutschen Bank in einem Gastkommentar im heutigen Handelsblatt (paid). Seine Antwort: „Sie vergeben Kredite an Unternehmen, Privatkunden und Staaten. Sie finanzieren diese durch anvertraute Einlagen und aufgenommene Kredite.“ Warum das Unsinn ist, erklären die Bundesbank und die Bank von England.
 

In ihrem Schülerbuch „Geld und Geldpolitik Digital“ erklärt die Bundesbank in erfrischender Einfachheit, wie die Banken ganz ohne Rückgriff auf irgendwelche Einlagen Kredit vergeben:

Wird einem Kunden ein Kredit über 1000 Euro gewährt, erhöht sich die Sichteinlage des Kunden auf seinem Girokonto um 1000 Euro. Es wurden 1000 Euro Buchgeld geschaffen.“

Die Bank of England setzt sich in ihrem Erklärstück “Money Creation in the modern economy“ explizit mit der Fitschen-These auseinander (meine Übersetzung):

Dieser Artikel erklärt, wie das meiste Geld in der modernen Wirtschaft dadurch geschaffen wird, dass Geschäftsbanken Kredite vergeben…. Die Geldschöpfung wie sie in der Praxis stattfindet, unterscheidet sich von einigen verbreiteten Missverständnissen – Banken agieren weder einfach als Vermittler, die Einlagen ausleihen, die Sparer ihnen anvertraut haben, noch  ‚multiplizieren‘ sie Zentralbankgeld um neue Kredite und Einlagen zu schaffen.“ 

Eine Broschüre der Schweizerischen Nationalbank, die im Sinne Fitschens die Geldschöpfung erklärt (so, wie die Bank von England es als populäres Missverständnis bezeichnet), macht sehr deutlich, wie widersprüchlich diese Erklärung ist.

Banken sammeln Geld von den Sparern und leihen es an Kreditnehmer aus. Durch diese Kreditvermittlung schaffen die Banken neues Geld. …  Nehmen wir an, ein Sparer zahlt 20’000 Franken in Noten auf sein Konto bei der Bank ein. … Der Sparer erhält dafür eine Gutschrift von 20’000 Franken auf seinem Konto. Das Geld untätig im Tresor liegen zu lassen bringt der Bank nichts ein. … Ein Unternehmer braucht Geld für eine Computeranlage. Die Bank leiht ihm von den 20’000 Franken, die der Sparer einbezahlt hat, 16’000 Franken als Kredit und schreibt ihm den Betrag auf seinem Konto gut. Hat sich die Geldmenge dadurch verändert? Der Sparer hat noch immer 20’000 Franken auf seinem Konto. Der Unternehmer verfügt als Kreditnehmer über 16’000 Franken. Die Geldmenge hat also um 16’000 Franken zugenommen.“

Die Banken leihen also die Einlage des Sparers an einen Kreditnehmer aus. Gleichzeitig bleibt aber das Geld auf dem Konto des Sparers und die Banknoten bleiben im Tresor der Bank. Gleichzeitig wird dem Kreditnehmer das Geld einfach gutgeschrieben (also nicht auf sein Konto transferiert). Gleichzeitig wird bei dieser angeblichen Geldweitervermittlung das vermittelte Geld „geschaffen“. Wie viele Widersprüche kann man in einen Absatz packen. Klar ist: Es gibt keine Verbindung zwischen dem Geld auf dem Konto des Sparers und dem Geld, das der Kreditnehmer bekommt. Vielmehr schafft die Bank, wenn sie Kredit vergibt, eine neue Einlage. Andere Banken machen das auch so. Diese neuen Einlagen kursieren dann als Einlagen (nicht als Kredite) durch das Bankensystem. Wenn ein Kreditnehmer eine Rechnung bezahlt, wandert die neue Einlage (meistens) zu einer anderen Bank (Es sei denn, der Empfänger hat sein Konto auch bei der Deutschen Bank). Gleichzeitig landen bei der Deutschen Bank Einlagen an, die andere Banken per Kreditvergabe geschaffen haben.

Es ist bedenklich, wenn selbst der Chef der größten deutschen Geschäftsbank nicht versteht, wie eine Bank arbeitet. 

 

Siehe auch: Gestern gaga, heute Mainstream: Geldschöpfung aus dem Nichts

 

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