Es ist Zeit, dass sich die FDP in ADP umbenennt

23. 07. 2024 | Ob Digitalzwang bei der staatlichen Bahn und beim Deutschlandticket oder Sendungen, die beim teilstaatlichen Postversender DHL nur noch mit Smartphone und App abgeholt werden können: regelmäßig steckt die früher freiheitliche Partei FDP dahinter, wenn Menschen genötigt werden, ein Smartphone anzuschaffen und zu nutzen und Möglichkeiten beseitigt werden, wichtige Dinge im Umgang mit Menschen statt Computerprogrammen zu erledigen. Das „F“ für „Freiheitliche“ im Parteinamen sollte die FDP durch ein „A“ erstetzen.

ADP könnte wahlweise für „Altersdiskriminierungspartei Deutschlands“ oder für „Anti-liberale Partei Deutschlands“ stehen

Es ist augenfällig, dass überall wo die FDP im Bund das Sagen hat, der Digital- und Smartphonezwang grassiert. Das ist so bei der staatseigenen Bahn und im Nahverkehr, wo das FDP-geführte Ministerium für Digitales und Verkehr die Oberhoheit hat. Die Bahn schafft Möglichkeiten ab, günstige Fahrkarten anonym und offline zu kaufen und zu nutzen. Die BahnCard soll es – abgesehen von einer unhandlichen Ausnahme – nur noch unter Nutzung der Datenkraken-App DB Navigator auf dem Smartphone geben. Millionen Studenten brauchen neuerdings ein hinreichend neues Smartphone, um ihre Semestertickets für den Nahverkehr nutzen zu können, die günstigen Deutschland-Tickets gibt es vielfach ebenfalls nur noch auf dem Smartphone.

Ähnliches betreibt das teilstaatliche Postunternehmen DHL, wo man in Packstationen umgeleitete Sendungen zunehmend nur noch mit einem Smartphone abholen kann. Für den größten Anteilseigner Bund sitzen dort im Aufsichtsrats ein Staatssekretär des FDP-geführten Finanzministeriums und ein Vertreter der von diesem Ministerium beaufsichtigten Förderbank KfW.

Die FDP-Ministerin für Bildung und Forschung missbrauchte die stark verspätete Mini-Energiehilfe von 200 Euro für Studenten als Hebel, um das bei den Bürger ungeliebte Digitalisierungsprojekt Bund ID voranzubringen. Nur mit Bund ID konnte man das Almosen beantragen. Im Ergebnis konnte das Ministerium dann stolz berichten, dass die Anzahl der Bürger mit Bund ID dadurch von läppischen 300.000 auf 3,4 Mio. gestiegen sei.

Unter dem Vorwand, der von Pandemiemaßnahmen gebeutelten Kulturszene zu helfen, lobten FDP-Finanzminister Lindner und Kulturstaatsministerin Roth von den Grünen einen digitalen Kulturgutschein von 200 Euro für 18-jährige aus. Bedingung: sie mussten die Online-Ausweisfunktion nutzen, die bis dahin eine kümmerliche Existenz führte. Dadurch wurden ausgerechnet die Online-Angebote, die während der Pandemie florierten, gegenüber den Kulturanbietern vor Ort gestärkt. Denn Zweck der Online-Ausweisfunktion ist es ja, Dinge besser online erledigen zu können.

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie die FDP die Marktmacht (teil-)staatlicher Unternehmen oder Steuergeld dafür missbaucht, Menschen zu zwingen, Apps zu nutzen und digital zu werden – und Menschen auszuschließen, die das nicht können oder nicht wollen.

Verantwortung wird geleugnet

Was die FDP da tut ist anti-liberal und zum Teil altersdiskriminierend. Alte Menschen auf dem Land kommen eigentlich sehr gut ohne Smartphone und Internet aus und tun sich oft schwer, den Umgang damit zu lernen. Aber wenn es ihnen unmöglich gemacht wird, Bahn oder Nahverkehr zu günstigen Preisen zu nutzen, oder ein Paket von der Verwandtschaft abzuholen, wenn der Zusteller sie nicht angetroffen hat, werden sie mutwillig von wichtigen Dingen des normalen Lebens ausgeschlossen. Auch dass es das Gegenteil von freiheitlich ist, wenn man Menschen zwingt ein persönliches digitales Überwachungsgerät zu kaufen und zu nutzen, ist ziemlich offensichtlich.

Entsprechend peinlich ist den Verantwortlichen der Partei mit dem „F“ im Namen ihr Tun. Darauf angesprochen, leugnen sie heuchlerisch jede Verantwortung. Die Staatssekretärin für Digitales und Verkehr und Bahn-Aufsichtsrätin Susanne Henckel gab einem Leser dieses Blogs zur Antwort, das Ministerium könne nicht in seinem Sinne auf die im Staatsbesitz befindliche Aktiengesellschaft Bahn einwirken und die Aufsichtsratsmitglieder könnten das auch nicht. Ausführlich:

„Zunächst ist voranzustellen, dass es sich bei der DB AG um eine Aktiengesellschaft handelt, die vom Vorstand gemäß § 76 Absatz 1 Aktiengesetz in eigener unternehmerischer Verantwortung geleitet wird. Er entscheidet eigenständig über alle Fragen der Angebotsgestaltung. Bei der DB AG betrifft dies z. B. Struktur und Umfang der angebotenen Verkehrsleistung, Gestaltung der Fahrpreise, Serviceleistungen, Verkauf und Auskunftssysteme. Hierzu gehört auch die Festlegung des angebotenen Vertriebswegs.“

Das ist offenkundiger Unsinn. Natürlich kann der Bund über den Aufsichtsrat auf die Geschäftspolitik einer in 100-prozentigen Staatsbesitz befindlichen und existenziell von Bundeszuschüssen abhängigen Unternehmens einwirken. Es deutet sogar alles darauf hin, dass er das auf Betreiben der FDP tut, nur eben in die Gegenrichtung, in Richtung Digital- und App-Zwang.

SPD-Abgeordnete spricht Klartext

Die Sprecherin der SPD für Verbraucherschutzfragen, Nadine Heselhaus, legte dagegen, ebenfalls in Antwort auf die Anfrage einer Leserin, die Verantwortlichkeit offen. Sie schreibt, zum Thema digitale BahnCard, dass sie in dieser Angelegenheit vergeblich bei einem Bahn-Vorstand interveniert habe, und weiter:

„Damit der Bund als Eigentümer auf den Vorstand einwirken kann, braucht es innerhalb der Bundesregierung Einvernehmen. Es gibt jedoch leider aktuell kein einheitliches Meinungsbild in dieser Frage. Hauptzuständig sind die Verkehrspolitiker der Koalition, allen voran der Bundesverkehrsminister. Ich werde weiterhin Möglichkeiten ausloten, wie die Bahn zum Umdenken bewegt werden kann. Es hilft definitiv auch öffentlicher Druck auf das Unternehmen, sodass jede und jeder etwas beitragen kann, auch Sie.“

Was sie nicht sagt, vermutlich aus Koalitionstreue: Am wichtigsten ist der Druck auf die FDP, deren Vertreter letztlich hinter dieser Digitalzwang-Aktion stehen, allen voran Minister Volker Wissing, der agiert, als leite er ein Ministerium für Digitalzwang und Individualverkehr.

Was wir tun können

Die Abgeordneten einer akut von der Fünfprozenthürde bedrohten Klientelpartei sind besonders empfänglich für Signale, dass sie Wählerstimmen verlieren könnten. Schreiben Sie den FDP-Abgeordneten entsprechende Briefe und Mails. Briefe machen mehr Eindruck. Fragen sie die Abgeordneten, insbesondere diejenigen in den Ausschüssen für Verbraucherschutz, Verkehr und Digitales, wie sich der in ihrem Verantwortungsbereich ausgeübte Digitalzwang mit dem „freiheitlich“ im Namen der FDP vereinbaren lässt. Das geht leicht – und öffentlich – über die Netzseite Abgeordnetenwatch.de. Fragen Sie die zuständigen Abgeordneten insbesondere der SPD, warum sie ohne Widerstand akzeptieren, was ihr kleiner Koalitionspartner da betreibt. Bei den Grünen, die sich als Vertreter der Interessen einer jungen urbanen Szene verstehen, sind die Erfolgsaussichten einer solchen Intervention gering.

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Dossier zur (Zwangs-)Digitalisierung

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