Die perfiden Mittel, mit denen die Euro-Bank über den Volkswillen hinwegregiert (Teil 2): Eine Bombe in Dublin

Die Untersuchungskommission des irischen Parlaments ermittelte, dass die Regierung in Betracht gezogen hatte, Anleihegläubiger der Insolventen Banken leer ausgehen zu lassen, und dass der Internationale Währungsfonds (IWF) dies unterstützte. Die Europäische Zentralbank (EZB) vereitelte jedoch, um die deutschen und französischen Banken vor Verlusten zu schützen, auf äußerst rabiate Weise jeden Versuch in diese Richtung.

Der irische Notenbankpräsident Patrick Honohan sagte der Kommission zu solchen Plänen (alle Zitate meine Übersetzung):

„Es erschien zweifelhaft, ob das hätte erfolgreich umgesetzt werden können. Zum Beispiel hätte Druck von der EZB leicht dazu führen können dass eine entsprechende Entscheidung wieder hätte zurückgenommen werden müssen, auf ein Weise, die dazu geführt hätte, dass der Staat weiter diese Verbindlichkeiten (der Banken) begleicht, aber trotzdem den Verlust an Vertrauen des Marktes erleidet, weil er vorher die Zahlungsunfähigkeit (der Banken) erklärt hat.“

Der IWF dagegen war laut der Aussage von dessen Programmverantwortlichem Ajai Chopra, dafür, die Anleihegläubiger der Banken Verluste tragen zu lassen. Der damalige Finanzstaatssekretär Kevin Cardiff sagte zur Haltung der EZB:

„„… das wichtigste Thema wurde eine mögliche Ansteckung … Sie (EU-Kommission und EZB) hatten sehr große Sorge dass es die Banken des Euroraums und deren Refinanzierung belasten würde, wenn man Haltern irischer Bankanleihen Verluste zumuten würde.“

Dem hielt der IWF laut Ajai Chopra entgegen:

“Der IWF-Stab war der Meinung, dass man das berücksichtigen müsse, dass es aber von den Märkten bereits antizipiert sei und dass es, wenn man es im Kontext eines Programms täte, in dem die Regierung ohnehin den Zugang zu den Finanzmärkten verloren hätte, durchaus etwas wäre, womit die Märkte umgehen können sollten, und selbst wenn nicht, hätte es Mechanismen gegeben, um der Ansteckung entgegenzuwirken.“

Damit hatte er sehr Recht. Trotz des Verzichts auf Gläubigerbeteiligung an den Kosten der Bankenrettung schossen später die Anleiherenditen von Portugal, Spanien und Italien extrem nach oben. Allein der berühmte Satz von EZB-Präsident Mario Draghi, die EZB werde tun, was immer nötig sei, machte dem ein Ende.

Chopra sagte weiter: “Jüngere Forschungsergebnisse bestätigen die Ansicht, dass die Ansteckungsrisiken übertrieben dargestellt wurden.“ Der IWF vermittelte der irischen Regierung sogar einen spezialisierten Anwalt, der sie dabei beraten sollte, wie man die Lastenteilung mit den Gläubigern rechtssicher darstellen könne.

Alle Zeugen bestätigten, dass die EZB eine Gläubigerbeteiligung an den Verlusten der Banken ultimativ ablehnte und diese vor allem deshalb nicht weiter verfolgt wurde. In dem mit der Troika vereinbarten Programm wurde eine Gläubigerbeteiligung allerdings nicht explizit ausgeschlossen, sondern nur nicht erwähnt. Als am 11. März 2011 eine neue Regierung gewählt wurde, verfolgte diese das Thema von neuem. Die EZB machte jedoch nach Angaben von Finanzstaatssekretär Cardiff sehr deutlich, dass die Regierung, wenn auch nur die geringste Gläubigerbeteiligung an den Verlusten beschlossen würde, nicht mehr auf die öffentliche Unterstützung der EZB zählen könne. Die Regierung meinte jedoch, ein unterstützendes Statement der EZB für ihre Pläne zur Bankensanierung und Restrukturierung unbedingt zu brauchen.

Finanzminister Noonan zufolge waren die Mögliche Beteiligung der Anleihegläubiger wegen zwischenzeitlich ausgesprochener Garantien auf 3,7 Mrd. Euro gesunken. In der Abwägung habe man entschieden, dass mögliche Einsparungen von 3,7 Mrd. Euro die verheerende Wirkung eines öffentlichen Entzugs der Unterstützung der EZB für Irland nicht taufwögen und verzichtete auf jegliche Gläubigerbeteiligung.

Die Wahl, vor die EZB-Präsident Jean-Claude Trichet die irische Regierung stellte, war vor allem in der Wortwahl bemerkenswert. Laut Minister Noonan sagte Trichet in zwei Telefongesprächen am 31. März 2011 folgendes:

„Es könnte sein, dass es nicht mehr möglich sein wird, für die Leute in der Finanzbranche in Irland und insbesondere in Dublin, sich am Markt zu refinanzieren, wenn sie in einem Land sitzen, das Konkurs erklärt hat. … Er sagte, wenn Ihr das tut, wird eine Bombe hochgehen, und es wird nicht hier sein, es wird in Dublin sein.“

Bei einem späteren Auftritt am  Institute of International and European Affairs at the Royal Hospital Kilmainham, stritt Trichet darauf angesprochen die Metapher der Bombe nicht ab und erklärte mit nicht geringer Chuzpe, um nicht zu sagen Verlogenheit:

„Was ich in der Tat sagte, ist, dass wir das im EZB-Rat diskutiert haben und das es unklug wäre, das zu tun. … Wir teilten der irischen Regierung lediglich die Meinung des EZB-Rats mit. Die Regierung Irlands ist verantwortlich. Die Regierung Irlands trifft die Entscheidungen.“

Für den Hintergrund ist noch interessant, dass Trichet damals Mitglied war in der Group of Thirty (G30), deren Vorsitzender er heute ist. Sein Nachfolger Mario Draghi ist ebenfalls Mitglied in dieser Gruppe. In dieser diskutieren – nach eigener Darstellung – regelmäßig die wichtigsten Notenbanker hinter verschlossenen Türen mit Spitzenmanagern wichtiger internationaler Finanzinstitute  „die internationalen Auswirkungen von Entscheidungen des öffentlichen und privaten Sektors und … die Politikoptionen.“ Der Umgang mit irischen Bankschulden wird sicherlich ein Thema für vertiefte Diskussionen in der G30 gewesen sein. Dass bei solchen konspirativen Sitzungen der Notenbanker mit ihren Schützlingen in der privaten Bankbranche eher etwas herauskommt, was die Boni der Banker und die Dividenden der Bankaktionäre schützt als etwas, das die Interessen der Bürger wahrt, verwundert nicht.

Die perfiden Mittel, mit denen die Euro-Bank über den Volkswillen hinwegregiert am Beispiel Irlands (Teil 1)

 

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