Im Juli hat die zuständige Bundesnetzagentur auf meine Nachfrage hin versprochen aufzupassen und dafür zu sorgen, dass der teilstaatliche Postkonzern DHL sich an das Gesetz hält und auch Menschen ohne Smartphone an ihre Sendungen kommen lässt. Drei Monate nach Inkrafttreten des neuen Postgesetzes am 19. Juli ist davon noch wenig zu merken. Mir liegt eine Benachrichtigungskarte vom 15. Oktober vor, die noch voll dem Stand von vor drei Monaten entspricht. Kein Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit, keine Kontaktmöglichkeit – abgesehen von einer Mailadresse, über die man einen erneuten Zustellversuch beauftragen kann. Natürlich nur, wenn man an das Internet angebunden ist. Ob die Bitte gewährt wird, hängt offenbar vom Glück des Bittenden und der Laune der Zuständigen ab.
Um sein Paket von einer App-gesteuerten Packstation abholen zu können, braucht man ein hinreichend modernes Smartphone und die datenschutzrechtlich umstrittene DHL-App. Die Vermutung drängt sich auf, dass die von Klaus Müller geleitete Bundesnetzagentur viel zu sehr damit beschäftigt ist, für die Regierung vertrauenswürdige Hinweisgeber zu prüfen und zuzulassen, damit diese Meinungen und Informationen aus den sozialen Medien tilgen, die (für die Regierung) „negative Auswirkungen auf den zivilen Diskurs oder Wahlen“ haben.
Wem es gelingt, die Telefonnummer von DHL ausfindig zu machen, der wird neuerdings vielleicht informiert, dass es eine Netzseite von DHL gibt, mit der der Konzern scheinbar das gesetzlich vorgeschriebene Recht auf Widerspruch gegen die Ersatzzustellung an ein App-gesteuerte Packstation anbietet. Vielleicht aber auch nicht. Der Leser, der mir die Benachrichtigungskarte als Kopie zusandte, rief am 16. Oktober dort an und bekam die seit 19. Juli veraltete – oder zumindest gesetzwidrige Auskunft -, die einzige Alternative sei, sich alle Sendungen gleich an eine Postfiliale seiner Wahl zustellen zu lassen, ohne Zustellversuch zu Hause.
Die Netzseite mit dem Widerspruchsformular, auf dem man ankreuzen kann, ob man seine Sendungen generell nicht an Packstationen oder nur nicht an App-gesteuerte Packstationen ausgeliefert bekommen möchte, funktioniert schlecht bis gar nicht. Eine Reihe von Lesern berichteten mir davon, dass sie nur eine Fehlermeldung bekommen. Mein Test ergab das gleiche Ergebnis.
Mir flatterte nach ca. einer Woche, ebenso wie verschiedenen meiner Leser, unerwartet eine Mail ins Haus, in der wir um Verzeihung für einen technischen Fehler gebeten wurden. Wir wurden informiert, dass wir auf einer verlinkten Netzseite unsere Adresse und eine Anliegennummer eingeben sollten, dann würde man unsere Informationen unserem Anliegen zuordnen. Ich tat das und bekam eine entsprechende Bestätigung. Was daraus folgt ist unklar. Ein Leser berichtet, dass er eine ganze Serie derartiger Mails mit jeweils anderen Anliegennummern bekommen hat, ein anderer, dass er nach zweifacher Eingabe seiner Adresse im Formular jedes Mal eine Erinnerung per Mail bekam, man brauche noch seine Adresse. Eine Antwortmöglichkeit auf die Mails gibt es nicht. Eine Kontaktmöglichkeit wird nicht angegeben. Vereinzelt haben Leser allerdings auch nach erfolgreich ins Formular eingetragenem Widerspruch den Hinweis bekommen, die Nachricht sei an die zuständigen Kollegen weitergeleitet worden. Welchen Effekt das hat, muss sich noch zeigen.
Auch mit dem zweiten Zustellversuch, den das Postgesetz verlangt, gestaltet es sich oft schwierig, nicht nur für Leute ohne Internet. Mal kommt als Antwort auf die Beauftragung auf der entsprechende Netzseite ohne Erklärung der Hinweis, ein zweiter Zustellversuch sei nicht möglich. Mal gibt es die telefonische Auskunft, bei Päckchen gäbe es keinen zweiten Zustellversuch. Zwar regelt §13 Postgesetz tatsächlich nur die „Zustellung von Paketen“. Aber das Gesetz unterscheidet hier nur zwischen Briefen und Paketen. Und in §3 Postgesetz sind Pakete definiert als „adressierte Sendungen bis 31,5 Kilogramm Gewicht, die Waren mit oder ohne Handelswert enthalten“. Das trifft auf Päckchen zu.
DHL bekam Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Diese hat das Unternehmen bisher nicht genutzt. Am 26. August, gut einen Monat nach Inkrafttreten der neuen Regelung, lautete die Stellungnahme von DHL: „Selbstverständlich beachten wir alle Vorgaben des Postgesetzes und sind bereits dabei, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen.“
Fazit
DHL hat sich offenbar so auf den Großmut und (Zwangs-)Digitalisierungseifer der Bundesnetzagentur verlassen, dass man es nicht für nötig hielt, die direkt gegen die Praktiken von DHL gerichteten neuen Regeln im Postgesetz – von denen man sicher schon lange vor Juli wusste – umzusetzen. Offenbar ist der Druck von anderer Seite dann doch so groß geworden, vielleicht auch, weil dieser Blog als einziges Medium immer wieder Öffentlichkeit herstellte -, dass man es umsetzen muss. Und nun ist das Chaos ausgebrochen, weil sich niemand rechtzeitig Gedanken gemacht und die nötigen Programmierungen in Auftrag gegeben hat.
Nachträge (18.10.): Praxistipp und Aktualisierung
Ein hilfreicher Leser schreibt: „Die Änderung der Art der Zustellung kann der Paketbote an der Haustür in der Regel. auf seinem Hand-Terminal selbst einstellen. Hat bei mir und meinen Hinweisgebern funktioniert.“ Das widerspricht zwar einer Auskunft der Pressestelle von DHL mir gegenüber, aber das heißt ja nichts. Ich empfehle, den schlecht bezahlten DHL-Boten vor dieser Bitte mit einem kleinen Trinkgeld geneigt zu stimmen, den von DHL sicherlich nicht vergüteten Zeitaufwand auf sich zu nehmen.
Auch vom 18.10. liegt mir eine Benachrichtigungskarte mit unverändertem Text ohne jeden Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit vor.